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Ab 2012 nur noch 4.000 PlätzeImmer weniger Ein-Euro-Jobs

Sozialsenator Detlef Scheele stoppt eine Neuausschreibung für Ein-Euro-Jobs. Nun fürchten die Träger eine Kürzungswelle.

Kann ohne Ein-Euro-Jobs zumachen: die Werft "Jugend in Arbeit" in Harburg. Bild: dpa

Hamburgs Beschäftigungsträger fürchten, dass es unter der neuen SPD-Regierung noch schneller zu einem Kahlschlag bei den Ein-Euro-Jobs kommt. "Wir sind in großer Sorge", erklärt Petra Lafferentz, die Sprecherin der rund 50 Träger der Stadt.

Zur Erinnerung: Um den Erhalt der Ein-Euro-Jobs hatte es im Herbst unter Schwarz-Grün ein zähes Ringen gegeben. Schließlich erwirkte die GAL-Politikerin Antje Möller einen Kompromiss. Statt von 10.000 auf 6.000 sollten die Arbeitsgelegenheiten (AGH) für Bezieher von Arbeitslosengeld II im ersten Halbjahr 2011 nur auf 7.250 gesenkt werden, davon sollten mindestens 2.700 in Stadtteilprojekten verbleiben. Eine Neuausschreibung der Projekte sollte auf Mitte 2011 verschoben werden.

Diese Ausschreibung hat der neue Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) am Freitag gestoppt. Der Sozialsenator greife durch und stoppe die "umstrittene Ausschreibung", lobte Ver.di-Chef und Parteifreund Wolfgang Rose. Dank Scheeles Eingreifen werde "Druck" von den Trägern genommen.

Doch die sind alles andere als froh. Erste Signale aus der Verwaltung deuten sie so, dass unter Scheele noch mehr gekürzt wird. Schon die CDU fühlte sich nach dem Bruch der Koalition an besagten Kompromiss nicht mehr gebunden. Gab es zum Jahresende noch über 9.000 AGHs, so waren Mitte März auf einmal nur noch 6.250 besetzt. Man sparte mehr als nötig.

Doch auf die Frage, ob denn dieses abgesenkte Platz-Level bis zum Jahresende sicher sei, erhielt die Einrichtung "Team Arbeit Hamburg", die diese Mittel verteilt, die Auskunft, es würden ab Sommer "deutlich weniger AGH-Stellen bewilligt".

"Warum muss ausgerechnet bei besonders benachteiligten Langzeitarbeitslosen gespart werden?", fragt Lafferentz. "Wir können uns eine solche Politik des neuen Senates nicht vorstellen und gehen von einem Missverständnis aus", ergänzt Trägervertreter Manfred Ganz. "Die für 2011 bereitstehenden Mittel sind ja gleich geblieben und reichen, um die aktuell besetzten 6.250 Plätze bis zum Jahresende durchzufinanzieren."

Ein-Euro-Jobs seien das einzige Angebot für jene, die keine Umschulung durchhalten, argumentieren die Träger. "Sie können hier 180 bis 260 Euro hinzu verdienen und in Stadtteilcafés oder Schulkantinen Dienstleistungen erbringen."

Wie viele Ein-Euro-Jobs es ab Sommer tatsächlich gibt, konnte das Team-Arbeit am Montag noch nicht sagen. "Wir stehen in Verhandlungen", so eine Sprecherin. Im Jahresschnitt würden 6.150 Plätze finanziert. Das bedeute, dass alles, was im ersten Halbjahr darüber liege, im zweiten abgezogen werden müsse. Julia Seifert, die Sprecherin von Scheeles Sozialbehörde, kündigt darüber hinaus für 2012 einen "weiteren Platzabbau" an. Aufgrund der Kürzungen im Bund stünden nur noch "Mittel für 4.000 AGHs zur Verfügung".

Doch auch dieser neue Kahlschlag ist aus Sicht der Träger nicht zwangsläufig. "Benachteiligte Langzeitarbeitslose machen fast 70 Prozent der Arbeitslosengeld II-Empfänger aus", erklärt Lafferentz. "Aber sie bekommen immer nur einen kleinen Teil vom Kuchen der Berliner Arbeitsmarktmittel ab." Ließe Hamburg ihnen wie bisher wenigstens 30 Prozent davon, bliebe auch in 2012 noch genug Geld für fast 5.000 AHGs. "Wer mehr kürzt, kürzt überproportional."

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8 Kommentare

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  • T
    Tima

    Ich arbeite als Sozialarbeiterin in so einer Arbeitsgelegenheit. Sicherlich gehören sie in der jetzigen Form abgeschafft, denn sie verwalten die Arbeitslosen für die ARGEn. Aber: Was macht man mit Menschen, die eigentlich nicht in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können, weil sie für den deutschen Arbeitsmarkt zu dumm (Sonderschule / Hauptschule nicht geschafft, marginale deutsche Sprachkenntnisse, Analphabeten...), zu problematisch (alleinerziehend, alt...) oder / und dauerhaft alkoholisiert sind, Drogen aller Art einwerfen und / oder psychisch erkrankt sind? Wie bauen sie ihre Hemmnisse ab? Wie qualifiziert man Menschen, die nicht qualifiziert werden wollen? Wir haben durchaus Menschen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt und ich kann an dieser Stelle sagen, dass das Knochenarbeit war. Von mir aus löst die AGHs auf. Ich finde dieses ganze Arbeitsfeld ohnehin zum Kotzen, so lange hier nur aufbewahrt wird. Aber so kann Röschen von der Leyhen jeden Monat vermelden, dass es mit Deutschland rasant bergauf geht.

  • M
    Mario

    @whistleblower_HH

    Du hast nicht verstanden, wo und für wen Detlef Scheele vor ein paar Jahren gearbeitet hat. Keiner dieser Vereine oder deren Nutzniesser wird jemals sich dafür verantworten müssen. Die werden sogar bei der ARGE und Jobcenter noch als Fachleute/Fachorganisationen geführt, obwohl deren Anträge / Realität sie allesamt als Betrüger bloßstellt. Es gibt seit Jahren null Erfolg mit 1-EURO-Jobs.

  • W
    whistleblower_HH

    Tja, da muss der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse (CDU) nun wohl künftigt seinen Gürtel enger schnallen.

     

    Schliesslich verdiehnte Kruse persönlich die letzen Jahre sehr gut an 1-Euro-JobberInnen. Mehr auf Wikipedia:

    "2000 war Rüdiger Kruse Geschäftsführer des Hamburger Beschäftigungsträgers einfal - Eimsbütteler Initiative für Arbeiten und Lernen GmbH. Heute ist Kruse Geschäftsführer des Hamburger Landesverbandes der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald [1] und Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung Unternehmen Wald Deutschland e.V. [2] – zwei Gesellschaftern der einfal GmbH mit 60 Angestellten und rund 900 Teilnehmern..."

    http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCdiger_Kruse

     

    (Anmerkung: In Spitzenzeiten sollen es sogar über eintausend_sechshundert !!! 1-Euro-JobberInnen gewesen sein, die in Kruses Firmenkonstrukt "Einfal" zur Arbeit zwangsverpflicht wurden und in Kruses einfal-Kassen monatlich ein Kopfgeld, auch Regiegeld gennat in Höhe von min. 500 Euro spült/e).

     

    Und was macht/e Kruse sonst so?

     

    siehe auch:

    "Für rund 1,7 Millionen Euro sollte der Beschäftigungsträger "einfal" das Konzept eines "Living Museums", gekoppelt an zahlreiche Sozialprojekte für den vernachlässigten Stadtteil Veddel, umsetzen."

    http://mieterinitiative.twoday.net/stories/4125079/

     

    "...Auf dem Gelände der IBA, wo Architekten aus

    aller Welt neue Modelle des Wohnens in natür-

    licher Umgebung auf Basis ökologischer Energie-

    verwendung sichtbar machen, entsteht das neue

    HAUS DES WALDES....(Anmerkung unter der Geschätsführung von Rüdiger Kruse)..."

    http://hdw-hamburg.de/gebaeude/

     

    siehe auch:

    Im Niendorfer Gehege wird es ja wohl auch eng für Kruse und sein Konstrukt:

    "..."Es ist nicht hinnehmbar, dass der Förster seit drei Jahren außerhalb des Waldes wohnen muss, weil dort Herr Kruse und seine Schutzgemeinschaft residieren..."

    http://www.abendblatt.de/hamburg/article1778340/Ins-Gehege-gekommen.html

     

    Fazit liebe taz: Kruse auf die Finger schauen und darüber berichten in der taz-hh. - Danke!

  • A
    Albano

    Ich finde es interessant, dass die 1-EURO-Jobs so wichtig für Hamburg sind. Es wird immer nur vom Aufschwung berichtet - dann bräuchte die Stadt doch keine 1-EURO-Jobs? Oder doch? Was bringen denn diese Maßnahmen? Was sagen die Betroffenen/Arbeitslosen dazu?

  • O
    Oli

    Ich kann bei diesem Bericht nicht erkennen, was für die Träger und was gegen sie spricht? Was spricht überhaupt für diese 1-EURO-Jobs in Hamburg?

  • N
    Nadi

    Ich fordere auch Solidarität mit den Trägern. Die sollten nicht nur 500 EURO pro Arbeitslosen, sondern 1000 EURO erhalten und das Recht, die Leute jederzeit nach Hause zu schicken, wenn die nerven.

    Also, liebe Taz, Eure Solidarität mit diesen Ausbeuter-Vereinen stinkt.

  • WR
    Weiße Rose

    Ein-Euro-Jobs sind höchstens gerechtfertigt, wenn Betroffene sich WIRKLICH freiwillig dafür oder dagegen entscheiden können, ohne Nachteile seitens der Arbeitsagentur befürchten zu müssen.

    Für viele bedeuten diese Art Jobs aber Zwangsarbeit zu quasi Sklavenbedingungen! Und das gehört natürlich umgehend abgeschafft! Mein Mitleid für die Sklavenprofiteure - nämlich u.a. die Träger - hält sich in strengen Grenzen.

  • K
    Karsten

    "Warum muss ausgerechnet bei besonders benachteiligten Langzeitarbeitslosen gespart werden?"

     

    Fragt sich, wer oder was ist hier benachteiligt? Nun, so macht man Politik: Man verkauft eine vollkommen nutzlose Dienstleistung ohne Effekt und stellt sich als Retter der Arbeitslosen dar. In Wirklichkeit sollte es nicht eine einzige Ein-EURO-Stelle in Hamburg mehr geben, weil diese Maßnahmen komplett Geldverschwendung sind. Und diese mildtätigen Träger gehören zu einem großen Teil von der Staatsanwaltschaft durchsucht und in den Knast - wer dauerhaft Leistungen verkauft, die er gar nicht erbringt, ist ein Betrüger.

    Aber das wird ja mit Scheele nicht passieren, der hat ja schon mal am selben Rad fleißig gedreht ...