ATOMKRAFT: Zwischenlager fast voll
Am meisten strahlt Berlin am Wannsee: Dort werden ein Forschungsreaktor und ein Zwischenlager für Atomabfälle betrieben. Das ist zu 80 Prozent ausgelastet
Auf der Karte auf dem Dienstags-Titel der taz sieht es eigentlich gut aus für Berlin: Die Stadt liegt mitten in einer atomreaktorfreien Zone. Sowohl Ostdeutschland als auch Westpolen sind AKW-frei. Der nächste Reaktor steht in Grohnde bei Hannover. Entfernung: 277 Kilometer Luftlinie.
Doch der erste Blick täuscht. In Berlin ist noch ein kleiner Forschungsreaktor in Betrieb, neben einem Zwischenlager für mittelradioaktive Abfälle. Beide auf dem Gelände des Helmholtz-Forschungszentrums im Düppeler Forst zwischen Griebnitzsee und Wannsee. Das Helmholtz-Zentrum betreibt hier im Auftrag des Landes Berlin ein Zwischenlager, das für jedes Bundesland vorgeschrieben ist.
Von den 800 Kubikmetern Platz in der Halle sind schon 650 belegt. „Wir bewegen uns seit ein paar Jahren bei etwa 80 Prozent Auslastung“, sagt Jörn Beckmann, der im Forschungszentrum für die Sonderabfälle zuständig ist. Jährlich kommen neue Behälter in die Halle, aber die meisten müssen nicht länger als ein paar Jahre im Zwischenlager bleiben – dann ist die Radioaktivität so weit abgeklungen, dass die Stoffe nicht mehr gefährlich sind. Nach der derzeitigen Planung reichen die Kapazitäten in der Lagerhalle bis 2019.
Genau in dem Jahr soll auch Schacht Konrad in der Nähe von Braunschweig als Endlager fertig werden. Wenn sich die Arbeiten dort weiter verzögern, muss das Land Berlin entweder ein anderes Bundesland finden, das die Stoffe zwischenlagert – oder eine zweite Halle bauen.
Das Material zur Zwischenlagerung kommt von Universitäten, Krankenhäusern und der Industrie. Die Entsorgung eines 200-Liter-Fasses mit festen, nicht brennbaren radioaktiven Stoffen kostet zum Beispiel 12.000 Euro. Bis 1993 wurden die Stoffe noch in zwei ehemalige Salzbergwerke transportiert – ins niedersächsische Asse und ins sachsen-anhaltische Morsleben. Doch beide Bergwerke erwiesen sich inzwischen als nicht sicher.
Neben dem Zwischenlager in Wannsee steht der Forschungsreaktor. Seine Gefährlichkeit ist mit der eines Atomkraftwerks allerdings nicht zu vergleichen. Der Reaktor wird benutzt, um Neutronen herzustellen. Die Teilchen, die Bestandteil von Atomkernen sind, werden hauptsächlich verwendet, um Material zu untersuchen. Nach Angaben des Helmholtz-Zentrums benutzen Biologen, Chemiker, Physiker und sogar Kunsthistoriker den Neutronenstrahl.
Die Leistung des Reaktors liegt bei 10 Megawatt – bei Atomkraftwerken sind es 3.000 bis 4.000 Megawatt. Der Reaktorkern hängt in einem Wasserbecken, die Temperatur dort steigt nicht über 40 Grad, das Wasser steht nicht unter Druck, und nach einer Schnellabschaltung ist der Reaktor in einer Minute gekühlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance