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ARGENTINIEN MUSS SICH VOM DOLLAR LÖSEN UND DEN PESO ABWERTENInflation ist unvermeidbar

Ähnliche Lebensumstände, gleiches Geld. Nur weil dieses Prinzip in Europa gilt, kann der Euro funktionieren. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Holland, Deutschland oder Frankreich sind gering – die zwischen den USA und Argentinien aber sehr groß. Deshalb ging die Regierung des südamerikanischen Schwellenlandes ein hohes Risiko ein, als sie 1991 den Peso im Verhältnis eins zu eins an den Dollar band. Mit dem Versprechen, jederzeit einen Peso in einen Dollar umzutauschen, führte die damalige Regierung unter Präsident Carlos Menem den Dollar faktisch als Währung ein. Jetzt, zehn Jahre später, ist die Krise da: Der Wohlstand der Mittelschicht ist ausradiert, der Staat pleite, die Wirtschaft zusammengebrochen. Die wesentliche Ursache dafür liegt in der Dollarisierung. Diese Bindung muss die argentinische Regierung aufgeben. Anders lassen sich die Lebensverhältnisse nicht verbessern.

Zur Abwechslung trägt der Lieblingsfeind der Linken, der Internationale Währungsfonds, diesmal nicht die Hauptschuld an der Misere in Südamerika. Die Bedingungen des IWF für die Kreditvergabe haben die Lage zwar verschärft, die missliche Situation aber nicht hervorgerufen. Auch der Neoliberalismus taugt nicht als wesentliche Erklärung. Die Privatisierung der Rente und öffentlicher Dienstleistungen verteuerten das Leben, verursachten jedoch nicht den totalen Kollaps der Ökonomie.

Das Problem ist die Dollarisierung. Bis Mitte der 90er diente sie als wirksames Mittel, die vorangegangene Hyperinflation zu unterdrücken: Das Geld behielt seinen Wert, die Preise waren vergleichsweise stabil, wegen der sicheren Investitionsbedingungen kam ausländisches Kapital ins Land. Als der anfängliche Boom aber vorbei war, verhinderte die starre Dollarbindung die nötige Flexibilität. Um die Exporte anzukurbeln, wäre es gut gewesen, den Peso etwas abzuwerten. Da aber schnappte die Falle zu: Die Währungspolitik wurde nicht mehr in Buenos Aires, sondern in New York gemacht. Die US-Notenbank hatte kein Interesse an einer Abwertung ihres Dollars. Also blieb der Peso stark und argentinische Waren waren auf dem Weltmarkt bald so teuer, dass sie niemand mehr kaufen wollte. Die Abwärtsspirale aus Rezession, sinkenden Steuern, Sparpolitik, sozialer Revolte war in Gang gesetzt.

Jetzt wird die Abwertung des Peso die Verarmung der Bevölkerung erst einmal beschleunigen. Denn Inflation steigert die Preise und frisst die Löhne. Aber mittelfristig können die argentinischen Firmen wieder konkurrenzfähig produzieren, neue Arbeitsplätze werden entstehen. Eine andere Lösung ist nicht in Sicht. HANNES KOCH

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