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ARD-Verfilmung „Wir sind Schwestern“Afrika ist überall

Die ARD hat Anne Gesthuysens Debutroman verfilmt. Dabei wurde der harte Stoff ein bisschen gefälliger gemacht. Doch der Film überzeugt.

Die Rückblenden reichen tatsächlich zurück bis ins Jahr 1915 Foto: ARD

Sydney Pollacks „Jenseits von Afrika“, maximal bildgewaltiger und melodramatischer Meilenstein in der Geschichte filmischer Rührstücke. Michael Hanekes „Das weiße Band“, staubtrockenes Lehrstück in Schwarzweiß, über eine mit harter Hand und bigotter Moral erzogene Kindergeneration am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Unterschiedlicher können zwei Filme nicht sein. Auf die Idee, ihre Mittel und Motive zusammen zu mixen, muss man erst einmal kommen. „Man“ ist in diesem Fall die ARD Degeto (zusammen mit UFA Fiction und WDR).

„Jenseits von Afrika“ eröffnet mit dem Bild eines Afrika-Klischee-Affenbrotbaums im Dämmerlicht. Dann die brüchige, lakonisch-melancholische Off-Stimme einer Frau, die ihr Leben gelebt hat: „Wissen Sie, ich hatte eine Farm in Afrika …“. Es ist, als hätten sie versucht, die Synchronsprecherin Hallgard Bruckhaus, ihre Stimme, eins zu eins zu imitieren. Neuer Off-Text: „Die Erinnerungen sind unser ganzes Leben. Wir sind, was sie sind.“ Dazu schwebt die Kameradrohne über ein Weizenfeld im Dämmerlicht, Bäume im Hintergrund.

Afrika ist überall, notfalls auch am Niederrhein, wie in „Wir sind doch Schwestern“. Die Veridyllisierung kommt einem um so bizarrer vor, wenn man selbst im benachbarten Landkreis aufgewachsen ist. Aber okay, wir sind ja bei der Degeto, das Prädikat des ARD-Zuckerladens hat der frühere Degeto-Chef Hans-Wolfgang Jurgan mit Formaten wie „Klinik unter Palmen“ einst hart erarbeitet. Nach seinem Weggang, er wurde gegangen, sollte das Programm anspruchsvoller werden. So muss man sich wohl den schwergewichtigen Plot à la Haneke im Bilderbuchidyll erklären.

Zusammenraufen im letzten Moment

Die Rückblenden reichen tatsächlich zurück bis ins Jahr 1915. Die Binnenhandlung spielt 1994, als die Älteste der drei titelgebenden Schwestern ihren 100. Geburtstag feiert und die Frauen zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder zu dritt zusammenkommen. Die Gründe für die lange Funkstille sind Ereignisse, die sich in der vom Ersten Weltkrieg bis in die junge Bundesrepublik reichenden bleiernen Zeit zugetragen haben: Suizid, Homosexualität, Standesdünkel, Meineid, Ehebruch, der bis 1969 strafbar war … Ein gewaltiges Knäul schuldhafter Verstrickungen hat die Schwestern auseinandergebracht.

Auf Initiative von Martha (Gertrud Roll) wollen, sollen sich Hiltrud (Hildegard Schmahl), die bald Hundertjährige, und Betty (Jutta Speidel), die Jüngste, auf deren feudalem Großbauernhof nun wieder zusammenraufen, bevor es zu spät ist. Martha: „Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen: Wir haben uns immer dann verletzt, wenn wir die Moral über alles gestellt haben. Diese ekelhafte, verlogene Moral.“ Ein Haneke hätte diesen Schluss dem Zuschauer überlassen – alte Filmemacherweisheit: Show, don’t tell! Gilt aber nicht bei der Degeto.

Wer hat’s erfunden? Regisseur Till Endemann, Fernsehmann für alle Fälle (Krimi/Komödie/Drama), hat hier ein Drehbuch von Heide Schwochow verfilmt, die eben nicht ausschließlich für ihren Sohn, den Regisseur Christian Schwochow, schreibt. So ist sie schon über Ursula Krechels „Landgericht“ (Deutscher Buchpreis 2012) mit dem Weichzeichner gegangen und hat den harten Roman für die gefälligere TV-Adaption ein bisschen auf Charles Dickens gebürstet. War ein guter Film, trotzdem.

Bestseller mit Weichzeichner

Was aber passiert, wenn die Romanvorlage nicht von Ursula Krechel stammt, sondern von Anne Gesthuysen, die Menschen, die morgens schon den Fernseher einschalten, als langjährige Moderatorin des ARD-Morgenmagazins erinnern könnten. Die ihr Verlag so vorstellt, kein Witz: „Nach dem Abitur ging sie in die Großstadt. Doch vieles ist dem Landei bis heute fremd geblieben. Sie kann Ochse und Stier selbstverständlich unterscheiden, aber der Unterschied zwischen S-Bahn und Straßenbahn ist ihr nach wie vor ein Rätsel.“ So empfiehlt man eine Autorin eher für Bestseller-Listen als für den Buchpreis. Was also passiert, wenn man über so einen Bestseller noch einmal mit dem Weichzeichner geht … davon mag sich der Zuschauer morgen Abend in der ARD selbst ein Bild machen.

Eine Szene gibt es, die hätte einen Comedy-Preis verdient. Es treten auf: der fesche Großbauer und aufstrebende CDU-Politiker (Benjamin Sadler), vergötterter Traummann der mittleren Schwester seit Kindertagen, und ebendiese, eine ihrer jüngeren Ausgaben (Christiane Bärwald).

"Wir sind doch Schwestern"

Samstag, 22.12., 20.15 Uhr, ARD

Bauer (nervös stammelnd): „Deshalb wollte ich Sie fragen, liebste Bettina Janssen. Würden Sie –.“ Betty (erwartungsvoll): „Ja?“ Bauer: „Würden Sie für mich eine Frau aussuchen, die vom Wesen und vom Stand her zu mir passt?“

Als „Sketchup“-Episode mit Dieter Krebs und Iris Berben hätte das funktioniert. So verkleidet wie seinerzeit die Berben sieht übrigens auch Jutta Speidel als 1994er-Version der Betty aus. Beim ersten „Schulmädchen-Report“ (1970) war sie zarte 16 – für die Rolle der 84-jährigen Kittelschürzen-Oma ist sie einfach noch zu jung. Jenseits des Rheins kommt da in diesem Film so einiges zusammen. In diesem kruden Machwerk!

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