ARD-Reihe "Deutschland, deine Künstler": Lobhudeln statt überraschen
Die ARD porträtiert in einer Serie bekannte deutsche Künstler. Am Mittwoch ist Peter Maffay an der Reihe, obwohl er von sich behauptet, nur "ziemlich durchschnittlich" zu sein.
"Ich bin ziemlich durchschnittlich," sagt Peter Maffay. Der NDR hat ihm deswegen zum 40-jährigen Bühnenjubiläum eine Hochglanzdoku spendiert. Das Maffay-Porträt ist Teil einer großangelegten Reihe die die ARD bereits seit 2008 splitterartig in die Wohnzimmer streut. Der Titel der Serie ist "Deutschland, deine Künstler" und die diesjährige Staffel ist bereits die dritte. Gesendet wird in der Regel im Juli unter der Schirmherrschaft des SWR. Die Stars der diesjährigen Produktionen sind neben dem Vorzeigerocker Maffay: Doris Dörrie, Ulrich Tukur, Katharina Thalbach und Helge Schneider.
Auf den ersten Blick wirkt das wie eine ganz bunte Mischung, auch wenn dieses Jahr die Kategorie Film mit den drei Vertretern Dörrie, Tukur und Thalbach die Oberhand behält. Die Auswahl der deutschen "Künstlerpersönlichkeiten" ist wie schon bei den vorangegangenen Teilen von "Deutschland, deine Künstler" vor allem eines - gesellschaftlich konsensfähig. Da ist für jeden was dabei. Pro Jahresblock wird mindestens ein Exot eingestreut. In der Premierenstaffel 2008 war das Happeningspezialist und Kunstmultitalent Jonathan Meese, im darauffolgenden Jahr übernahm Theatermacher Christoph Schlingensief den Part des Ausreißers und diesmal ist es eben Helge Schneider.
Laut ARD-Chefredakteur Thomas Baumann, der als Förderer der Reihe gilt, geht es darum, "die jeweils Besten ihres Fachs" zu versammeln, "die ihre Kunstgattung auf ganz spezifische Weise mitgeprägt haben." Klar, dass da die unumstrittene Aushängeschilder deutscher Kultur nicht fehlen dürfen: Beispielsweise Oscargewinnerin Iris Berben, Noberpreisträgerin Cornelia Funke und Rock and Roll Hall of Fame-Mitglied Campino von den Toten Hosen. Besser gehts kaum. Bei der Auswahl war "Popularität ein nachgeordnetes Kriterium", sagt Baumann weiter. Deswegen sind ja auch der Singer-Songwriter-Newcomer Reinhard Mey und der bis dato eher unbekannte Vicco von Bülow alias Loriot dabei. Bülow will mit 80 noch mal richtig durchstarten.
Ziel der Porträts ist es, die Arbeitsschritte der Ästheten, ihre Entwicklungstufen über die Jahre hinweg wiederzugeben. Das gelingt den einzelnen Dokumentationen fraglos. Alle sind grundsolide produziert. Man hat ganz klassisch geschnitten, allerlei Arbeitsatmosphäre angehäuft und genügend O-Töne gesammelt - handwerklich haben die ARD-Tochtersender ihre Hausaufgaben gemacht.
Was der Reihe fehlt ist Überraschendes, Neues, Innovatives. Man räumt hier etablierten Kunstschaffenden, die alle ganz sympathisch als Identifikationsfiguren daherkommen, Platz ein, den sie schon längst nicht mehr brauchen. So reiht sich munter eine Lobhudelei an die nächste. Auch deswegen weil die sorgsam von der ARD unter dem Begriff der deutschen Kunst Versammelten überwiegend zu einer Vorzeigemarke des jeweiligen Genres geworden sind - ganz gleich ob nun Armin Müller-Stahl oder Kurt Masur. In dieser Auswahl spiegelt sich ein Zuschauerkreis, dessen Durchschnittsalter weit jenseits der 50 liegt. Die Durchschnittsquote lag 2008 bei knapp über einer Million.
In der aktuellen Staffel, wie auch in den vorherigen, fehlen Schriftsteller und bildende Künstler fast völlig. Das wissen auch die Macher. Immerhin hat man versucht erfolgreiche Autoren zu gewinnen, berichtet Matrina Zöllner vom SWR, die die Reihe koordiniert. Aber letztlich sei der Schaffensprozess eines Schreibenden "am schwierigsten zu visualisieren". Das sieht Thomas Baumann von der ARD ähnlich. Das hätte man auch als Herausforderung verstehen können.
So aber entsteht seit zwei Jahren ein deutsches Künstlerpanorama bei der ARD, das sich, ob nun gewollt oder nicht, nach den Vermarktungskriterien Popularität und Prominenz richtet - seichte, vertretbare Unterhaltungskunst eben. Wie hat Peter Maffay so schön gesagt, "ziemlich durchschnittlich".
"Deutschland, deine Künstler", 13. Juli 2010, 21.45 UHR, ARD
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