ARD-Doku über NS-Täter Klaus Barbie: Böse ohne Ende
Eine Dokumentation zeigt neu entdecktes Material über den Naziverbrecher Klaus Barbie. Im Fokus steht seine Zeit in Bolivien.
Ja, schon wieder ein Film über Klaus Barbie. Doch diese neue Dokumentation über den „Schlächter von Lyon“ weiß durchaus neue Facetten zu beleuchten – weil die Autoren Peter F. Müller und Michael Mueller für „Mein Name sei Altmann“ neues Material aufgespürt haben: von bislang unveröffentlichten Tonbandaufnahmen bis hin zu Schriften, die Klaus Barbie 1983 im Gefängnis von Lyon verfasst hat.
Unglücklich ist allerdings, wie sie die Rezitation der selbst gezimmerten Gedankengebäude des bösen Mannes inszenieren – nämlich als Reenactment-Quatsch. Da sitzt Barbie (dargestellt von Felix von Manteuffel) in einer telegenen Schreibklause hinter Festungsmauern und schreibt seine Memoiren auf, die er zeitgleich aus dem Off vorliest.
Andere Filme – etwa die „Hamburger Lektionen“ aus dem Jahr 2006 – haben gezeigt, dass man am effektvollsten aus diesen Gedankengebäuden der bösen Männer rezitiert, wenn Schauspieler sie ganz nüchtern, vor neutralem Bildhintergrund vortragen. Manfred Zapatka hat das damals meisterhaft gemacht, als er die Hasspredigten des Imans aus der Hamburger Al-Quds-Moschee so vortrug. Distanzierend, nicht identifizierend. Dass Felix von Manteuffel bei der Darstellung von Klaus Barbie an diese Meisterleistung nicht heranreicht, hat vor allem etwas mit der albernen Inszenierung der Schreibklause zu tun.
Schade ist das auch, weil die Dokumentation ansonsten zeigt, dass die Autoren Müller und Mueller ein derart beschränktes Reenactment gar nicht nötig gehabt hätten. „Mein Name sei Altmann“ ist auch eine Fleißarbeit. Zwölf Zeitzeugen kommen in dem 45-Minüter vor, darunter der ehemalige Stern-Journalist Gerd Heidemann (der mit den Hitler-Tagebüchern), die hartnäckigen Barbie-Jäger Beate und Serge Klarsfeld, ein ehemaliger BND-Chef, die Witwe des ehemals weltgrößten Drogenbarons von Bolivien und ein ehemaliger deutscher Söldner in Bolivien.
Und es gibt diese – „bislang nie veröffentlichten“ – Tonbandaufnahmen, in denen Barbie einen genauso reuelosen und doch ganz anderen Ton anschlägt als in seinen schriftlichen Memoiren: „Und diese elf oder zwölf Mann waren die ersten Offiziellen, die erschossen wurden. Und ich hatte das Erschießungskommando. Da ist mir schlecht geworden, als ich die ganzen Gehirne wegspritzen sah. Aber wir mussten’s machen.“ Da erzählt der inzwischen ehemalige SS-Mann, wie das damals so war im Weltkrieg.
Der Weltkrieg wird allerdings ebenso knapp abgehandelt wie Barbies Prozess und Verurteilung. Es geht den Autoren um das Dazwischen: Ihre Dokumentaton trägt die Unterzeile „Das zweite Leben eines Kriegsverbrechers“.
„Unser Mann in La Paz“
Es geht darum, wie also der gesuchte Kriegsverbrecher mit amerikanischer und vatikanischer Hilfe nach Bolivien gelangt, wo er sich nur kurz als Verwalter eines Sägewerks bescheidet. Er kann einem vorkommen wie der Bösewicht in einer Fortsetzungsgeschichte: Was immer in den folgenden Jahrzehnten in Bolivien Übles geschieht, Barbie, der sich jetzt Altmann nennt, scheint seine Finger im Spiel zu haben. Sogar die tödliche Falle für Che Guevara soll er ausbaldowert haben. Für Unternehmer in Sachen Putsch und Folter, Waffen und Drogen ist Barbie/Altmann der Partner der Wahl. Und für den Westen ist er „unser Mann in La Paz“.
Es war die Zeit, als die rechten Juntas Lateinamerikas sich unter Anleitung der USA vernetzten und sich von ihnen Fähigkeiten in den Bereichen Mord und Verschwindenlassen lehren und zertifizieren ließen. Nur vor diesem Hintergrund ist heute noch verständlich, warum jahrzehntelang kaum jemand in Europa – die notorischen Klarsfelds ausgenommen – ein Interesse an der Auslieferung eines Mannes hatte, der mehrere tausend Menschen, Kinder darunter, hatte foltern, deportieren und ermorden lassen.
„Mein Name sei Altmann“, 15.August 2016, 23.30 Uhr, ARD
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