ARBEITSMARKT-POLITIK: Berlin spaltet Bremen

Am Freitag beschließt der Bundestag die soziale Spaltung der Stadt - warnen DGB, Arbeitnehmerkammer, Paritätischer Wohlfahrtsverband und die Frauenbeauftragte des Landes.

Alleinerziehende Mütter sind nicht arbeitsmarkt-olympiatauglich. Bild: dpa

Es könnte lächerlich wirken. Der Eindruck könnte sein, "da sitzen vier Bremer Institutionen und treiben Bundesregierungs-Schelte", resümiert Landes-Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe. Sie nimmt das aber in Kauf, genauso wie DGB-Chefin Annette Düring, Arbeitnehmerkammer-Hauptgeschäftsführer Ingo Schierenbeck und Gerd Wenzel, der Verbandsratsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Denn morgen, am Freitag, beschließt der Bundestag die lange angekündigte Arbeitsmarktinstrumente-Reform - mit dramatischen Folgen.

Der CDU-FDP-Entwurf trägt den Namen "Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt". Und, man werde "kräftig aufräumen", hatte Johannes Vogel, Arbeitsmarktpolitiker der Bundestags-FDP seine Sicht aufs Vorhaben erläutert. Vor allem in den öffentlichen Haushalten, die laut Entwurf um 7,795 Milliarden Euro entlastet werden.

Dabei lässt es aber, so der Vorwurf, die Belange der Menschen außer Acht, die länger als ein Jahr ohne Job sind. Und das macht es zum Desaster für Bremen: "Von 29.300 Arbeitslosen in Bremen", rechnet Düring vor, "fallen 81,4 Prozent unter SGB II" - sprich: Hartz IV. In Bremerhaven liegt die Quote nahe 90 Prozent. Langzeitarbeitslosigkeit zerstört den Lebensrhythmus, vernichtet soziale Kontakte - und mit jedem Tag wird es schwerer, wieder in eine regelmäßige Erwerbstätigkeit zurückfinden. "Die brauchen Hilfe", so Düring.

Die fällt weg: Bremen verliert durch die Reform laut gemeinsamer Erklärung der vier Verbände und Institutionen 35 Prozent der Mittel zur Arbeitsmarktförderung. Schon 2012 hat es 33 Millionen Euro weniger zur Verfügung als 2010. "Das ist einfach eine Riesensauerei", so Wenzel: Gespart werde genau "bei denen, die am nötigsten hätten, unsere Solidarität zu erfahren".

Betroffen sind vor allem Projekte, die - vom Gröpelinger Streichelzoo bis zum Geschichtenhaus im Schnoor - durch öffentlich geförderte Beschäftigung sozialversicherungspflichtige Jobs schaffen sollen. Derzeit arbeiten auf diesem Feld in Bremen fast 700 Menschen. Das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen wird die Zahl auf 200 reduzieren. "Uns ist klar", so Düring, "dass Bremen das nicht alleine kompensieren kann." Trotzdem erwarte sie, "dass die Landesregierung da gegensteuert". Politisch, etwa im Bundesrat. Aber auch mit Geld: "Einfach zu sagen, finden wir auch schlimm, aber es ist kein Geld da - das wäre ein Armutszeugnis." Schierenbeck weist darauf hin, dass rot-grün sich im Koalitionsvertrag verpflichtet habe, die soziale Spaltung der Stadt zu bekämpfen. Tatsächlich ist das Bekenntnis ein Leitmotiv der Vereinbarung - bleibt aber oft vage: "Wir setzen uns für eine Sozialpolitik ein", steht da beispielsweise, "die alle einbezieht und ein weiteres Auseinanderdriften der Lebenslagen verhindert."

Der Text des schwarz-gelben Gesetzesvorhabens pflegt keine konkretere Sprache: So ist vom neuen "Anreiz" für Beschäftigte der Arbeitsagenturen die Rede, "ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft zu erhöhen". Das bedeutet: Ihre Vermittlungsquote wirkt sich auf ihre Karriere aus. Zugleich werden etliche Qualifikationsmaßnahmen vom Rechtsanspruch umgewandelt auf Optionen - für den Sachbearbeiter. Pluspunkte bekommt der für Maßnahmenteilnehmer, die er schnell in neue Jobs unterbringt. So will man seine Effizienz belohnen. Dadurch werde "die Reform zu einer Konzentration auf Olympia-Kandidaten führen", prognostiziert Hauffe.

Olympia-Kandidaten sind kürzlich in die Arbeitslosigkeit gerutscht, gut ausgebildet, kinderlos - und männlich. "Frauen werden weiter an den Rand gedrängt", warnt Hauffe. Besonders betroffen: Alleinerziehende Mütter, schon jetzt weit überproportional unter den Langzeitarbeitslosen vertreten, weil sie, so Hauffe sarkastisch, "eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe übernehmen". Das sei doppelt ungerecht: Schließlich sei "diese Zielgruppe besonders motiviert", so Hauffe. "Die wollen ein Beispiel geben für ihre Kinder."

Es hilft nichts. Sie sind, durch ihre Kinder, zu unflexibel. Der schnelle Ausstieg aus dem Leistungsbezug ist nur schwer möglich. Die Investitionen in berufliche Weiterbildung "rechnen sich nicht mehr" - für den Vermittler. Wie groß der gesellschaftliche Gewinn wäre, spielt dabei keine Rolle.

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