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ARAFATS GRUNDSATZREDE ZEICHNETE SICH NUR DURCH STURHEIT AUSTaktisches Verhältnis zum Terror

Viel, aber doch nicht genug lieferte Palästinenserchef Jassir Arafat in seiner Rede vor dem Parlament. Er verurteilt den Terror, weil er nicht im Interesse des palästinensischen Volkes liege – ein Argument, das täglich an Boden verliert. Denn Terror muss verurteilt werden, weil er unmenschlich ist. Terror ist niemals legitim, auch dann nicht, wenn es um den Kampf eines Volkes um Unabhängigkeit geht. Zu dieser Erklärung ist Arafat noch immer nicht bereit, wohl wissend, dass es in seinem Volk zu viele Kräfte gibt, die anders denken. Wie aber sollen die Palästinenser umdenken, solange ihr legendärer Chef selbst unverändert zögerlich in der Frage bleibt, die die Entwicklungen in der Region am stärksten beeinflusst?

Die Rede des Palästinenserführers ist ein erneuter Balanceakt zwischen den Kritikern im eigenen Lager und den Kritikern in Europa und den USA. Hier die Stimmen, die eine neue Führung fordern, und die, die den militanten Widerstand als einzigen Weg zum eigenen Staat betrachten. Dort der Westen, der Arafat nicht länger als Chef des palästinensischen Lagers und nicht als Partner für mögliche Friedensverhandlungen anerkennt. Arafats Angebot, sich der Koalition gegen den Terror anzuschließen, entbehrt jeder Grundlage, weil sie an die Bedingung geknüpft ist, die Koalition müsse von der UNO geleitet werden, was nicht passieren wird. Ein Partner, der das Mittel des Terrors allein aus politischen Interessen ablehnt, taugt ohnehin nicht viel.

Ähnlich wenig ernst zu nehmen ist Arafats Angebot, sein Amt aufzugeben, seine Bitte an die Parlamentarier, ihm „Ruhe“ zu gönnen und ihn abzulösen. Kaum jemand hängt an seiner Macht so sehr wie der Palästinenserführer, dem es durch geschickt eingefädelte Intrigen und das gegenseitige Ausspielen seiner politisches Gegner wieder und wieder gelang, die Wut seiner Untergebenen auf ihn nicht wirklich gefährlich werden zu lassen.

Doch der Ruf nach seiner Ablösung wird nicht nur im Ausland immer lauter. Nicht aufgrund, sondern trotz der amerikanischen Appelle formiert sich unter den Palästinensern und auch unter den Abgeordneten eine neue Opposition. Die für den heutigen Dienstag anstehende Abstimmung über das neue Kabinett ist eine Prüfung für Arafat und seine Reformprogramme, die erst in dem Moment ernst zu nehmen sind, in dem der Palästinenserpräsident Bereitschaft signalisiert, eigene Kompetenzen zu beschneiden. Genau das fiel Arafat immer am schwersten. Doch ohne eine veränderte Strategie riskiert er, das Ende seiner Laufbahn selbst einzuleiten und anschließend den Endspurt seines Volkes auf dem Weg zur Selbstbestimmung als Rentner zu verfolgen. SUSANNE KNAUL

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