ARAFAT DARF BESUCH EMPFANGEN – ABER NIEMAND KOMMT: Reiseverbot für den Präsidenten
Die israelische Entscheidung, Palästinenserchef Jassir Arafat die Reise zum EU-Außenministertreffen in Brüssel zu untersagen, kommt nicht überraschend. Premierminister Ariel Scharon hält unverändert an seinem Mantra fest: keine Ausreise, solange die Mörder von Tourismusminister Rechaweem Seewi nicht gefasst sind. Schon gibt es neue Bedingungen – auch der Planer des Waffenschmuggels auf dem Schiff „Karine A“, Fuad Schubaki, muss hinter Gittern sitzen, wenn Arafat Ramallah verlassen will. Der Fantasie der Israelis scheint keine Grenzen gesetzt zu sein, wenn es darum geht, neue Ausreden dafür zu erfinden, dass der politische Prozess brachliegt.
Dabei ist das Ziel klar: Arafat soll bis zu seinem Ende als Chef der Palästinenser kaltgestellt werden. Exekutieren will man ihn nicht. Die Folgen einer solchen Tat wären nicht nur für Scharon verheerend, sondern auch für die Palästinenser selbst. Denn ein von Israel verursachtes Ende ihres Präsidenten würde ohne Zweifel die extremistischen Kräfte nach oben spülen, wenn es um die Nachfolgefrage geht.
Was überrascht, ist, dass diese Strategie des „Hausverbots“ in der Welt auf keinen erkennbaren Widerstand stößt. Allen voran erklären die USA Arafat als alleinigen Bösen im nahöstlichen Streit. Einen „Lügner und Mafiosi“ nannte ihn jüngst Anthony Zinni, der amerikanische Nahost-Abgesandte. Mit ihrem Stillhalten spielen nicht nur die USA, sondern auch die Europäer und sogar die arabischen Staaten in die Hände der Israelis. Arafat sitzt in Ramallah fest. Was aber hinderte zum Beispiel den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, dorthin zu fahren – beispielsweise auch, um die Affäre „Karine A“, die ihn so sehr zu bedrücken schien, mit seinem Amtskollegen von Angesicht zu Angesicht zu diskutieren? Warum kommt der jordanische König Abdallah oder der britische Premierminister Tony Blair, der noch vor kurzem so viel versprechend seine Unterstützung zur Staatsgründung zugesagt hatte, nicht einmal zu Besuch in die besetzte Stadt?
Eine komplette Serie von Maßnahmen zur Beruhigung der Lage – angefangen mit Arafats fast schon historischer Rede Mitte Dezember an das Volk bis hin zur Verhaftung von zahlreichen führenden Köpfen der extremistischen Bewegungen –blieb für die palästinensische Führung ohne jedes erkennbare Ergebnis. Arafats wiederholte Hilferufe blieben ungehört. Die Welt kehrt ihm den Rücken zu. Wen sollte es da verwundern, wenn er erneut die Strategie der Gewalt wählt – allein um sicherzustellen, dass er nicht in Vergessenheit gerät. Es soll schließlich niemand sagen, er habe von nichts gewusst. SUSANNE KNAUL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen