ANC-Dissidenten gründen Partei: Südafrikas Regierungspartei spaltet sich
ANC-Dissidenten beschließen knapp sechs Monate vor geplanten Parlamentswahlen die Gründung einer neuen Partei. Deren Initiator Mosiua Lekota wirft dem ANC Machtmissbrauch vor.
Die Ambitionen sind groß, die Begeisterung war es ebenfalls: Mehr als 6.000 Menschen brachen am Samstagabend im Sandton Convention Centre in Johannesburg in tosenden Applaus aus, als auf einer nationalen Versammlung die Gründung einer neuen Partei beschlossen wurde. Sie waren in Bussen aus allen Provinzen Südafrikas angereist und folgten damit dem Aufruf des ehemaligen Vorsitzende des Afrikanischen Nationalkongresses, Mosiua Lekota. Der frühere Parteichef hatte am Freitag seine Mitgliedschaft im ANC gekündigt und viele Teilnehmer dieser zweitägigen "National Convention" waren bereit, ebenfalls mit Traditionen zu brechen: "Es ist hart, ich bin seit den Jugendaufständen gegen Apartheid vor dreißig Jahren in Soweto Mitglied im ANC", sagte Edward Tomotomo. "Aber es muss sein, für die Demokratie unseres Landes."
Der 42-jährige Lichttechniker mischte sich unter die tanzenden Anhänger einer Partei, deren Name noch unklar ist - der Vorschlag South African National Convention (SANC) wurde von der Regierungspartei ANC wegen zu großer Ähnlichkeit vor Gericht angefochten. Die Parteigründung findet am 16. Dezember in Bloemfontein statt. Bei den Volkswahlen im nächsten Frühjahr will Tomotomo - wie viele andere - nicht für den derzeitigen ANC-Präsidenten und aussichtsreichen Kandidaten für das Präsidentenamt, Jacob Zuma, stimmen. "Mbeki wird immer mein Präsident bleiben."
Südafrikas früherer Präsident hat sich bislang nicht zu der neuen Bewegung geäußert und hält sich im Hintergrund. Er war von seiner eigenen Partei im September vorzeitig aus dem Amt gedrängt worden, um Jacob Zuma mit Unterstützung des ANC-Führungskomitees den Weg an die Spitze zu ebnen. Diese politischen Machtspiele innerhalb des ANC hatten kürzlich auch zahlreiche Ministerausstritte zur Folge - darunter Verteidigungsminister Mosiua Lekota und der Expremier der Provinz Gauteng mit der Metropole Johannesburg, Mbhazima Shilowa. "Wir werden zügig die Strukturen der Partei festlegen, die Registrierung vornehmen und am 16. Dezember über Mandate entscheiden. Es ist unser Ziel, die nächsten Wahlen zu gewinnen", rief Shilowa in die johlende Menge.
Die politische Bewegung hat bereits zu Beginn in Sandton mehr Unterstützung erhalten als erwartet: "Hier sind Wähler versammelt, die im vergangenen Dezember auf der ANC-Konferenz für Thabo Mbeki als ANC-Präsidenten gestimmt und mit einem Ergebnis von 40 Prozent gegen Zuma verloren haben. Sie können zur Hauptopposition bis zu den Wahlen im April werden und die Zweidrittelmehrheit des ANC wird damit verschwinden", sagte Chris Landsberg, Politikprofessor an der Universität von Johannesburg. "Sie müssen an ihren Prinzipien festhalten, Disziplin zeigen und eine Ideologie vertreten."
Die neue Partei sieht die moralischen Werte und Visionen des ANC unter Jacob Zuma in Gefahr: "Die dominanten politischen Kräfte des Landes, die ANC-Führung, beabsichtigen, die Macht zum eigenen Vorteil zu missbrauchen, so wie es die weiße Minderheitenregierung in Apartheidzeiten getan hat", sagte Lekota am Samstag: "Sie wollen jeden zerstören, der gegen sie ist, um ihre selbstsüchtigen Interessen durchzusetzen."
Doch nicht nur der Ärger über die Art der Absetzung von Thabo Mbeki, sondern der Wille, den innerparteilichen Zwist hinter sich zu lassen, bilden die Basis für die neue Partei, die Wirtschaftsvertreter finanziell unterstützen und Oppositionsparteien befürworten. Die Partei will das Wahlsystem ändern und befürwortet eine Direktwahl des Staatspräsidenten.
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