ANC-Chef Cyril Ramaphosa: Kleineres Übel zur Großtat erklärt
Der Vizepräsident und Unternehmer Cyril Ramaphosa setzt sich knapp gegen die Exfrau des südafrikanischen Präsidenten als ANC-Chef durch.
Der 65-jährige Geschäftsmann ist kein Politiker, der alle in der zerstrittenen Partei vereint. Aber der ANC hat sich zumindest gegen den Kurs der Vetternwirtschaft von Präsident Jacob Zuma ausgesprochen. Wenn auch nur mit geringer Mehrheit.
Ramaphosa setzte sich mit 2.440 Delegierten knapp gegen Nkosazana Dlamini-Zuma durch. Die Exehefrau des derzeitigen Staatschefs erhielt 2.261 Stimmen. Um ein Haar also wäre die frühere Chefin der Kommission der Afrikanischen Union zur ANC-Vorsitzenden und damit zur Spitzenkandidatin bei Südafrikas nächsten Wahlen gekürt worden. Aber Vizepräsident Ramaphosa heimste den Sieg ein und seine Chancen stehen gut, mit Ablauf von Zumas Amtszeit 2019 zum nächsten Präsidenten gewählt zu werden.
Bereits Nelson Mandela hatte sich Ramaphosa vor beinahe 20 Jahren als Nachfolger gewünscht, konnte sich damals aber nicht in seiner Partei durchsetzen. Jetzt soll der als liberal geltende Ramaphosa dem von Korruption und Wirtschaftsstagnation geschwächten Land neuen Atem einhauchen. Dabei ist der Multimillionär selbst keiner, der mit aller Macht Reformen durchbringt.
Durch Korruptionsskandale erschüttert
Auch als Vizepräsident an Zumas Seite in den vergangenen drei Jahren war er zurückhaltend und schritt nicht ein, als Präsident Zuma mit Hilfe seiner Freunde, der schwerreichen indischstämmigen Gupta-Familie, Südafrikas Ruf durch Korruptionsskandale erschütterte und das kritische Schlagwort „state capture“ an die Stelle der früheren Parole von der „Regenbogennation“ rücken ließ.
Es kam beim Parteitag nicht zum offenen Bruch mit Zumas Fraktion. Aber: „Ramaphosa hat bessere Chancen, das Vertrauen zu erneuern – nicht nur bei den Finanzmärkten, sondern auch innerhalb des ANC, wo Reformer sich jetzt bestätigt fühlen“, sagt Politologe William Gumede, Vorsitzender der Democracy Works Foundation. Die Stimmung in Südafrika sei in den letzten Jahren derartig depressiv gewesen, dass Ramaphosa jetzt allein durch seinen Aufstieg neue Energie bringe.
Doch für viele ANC-Aktivisten ist der „Kapitalist“ Ramaphosa nur das kleinere Übel. Ob er bis zur Wahl 2019 die massiven Aufgaben meistern kann, bleibt fraglich – zu groß ist der Schaden, den Zuma dem Land zugefügt hat.
Präsident Zuma machte bei der Verkündung der Wahlergebnisse am späten Montag gute Miene zum Spiel, seine Exfrau aber schien enttäuscht. Zuma ist es nicht gelungen, sie als Nachfolgerin zu etablieren und somit seine Politik hinter den Kulissen fortzuführen. Jacob Zuma – Vertreter von Südafrikas größter Volksgruppe der Zulus – will jetzt trotzdem weiter bis 2019 im Amt bleiben. Von Ramaphosa erwarten nun viele, dass er das nicht zulässt. „Ich bin zuversichtlich, dass Zuma nächstes Frühjahr geht und Ramaphosa der nächste Präsident Südafrikas wird“, schreibt der Kommentator Max du Preez.
„Zwei der korruptesten Politiker des Landes“
Die fünf weiteren Posten im ANC-Parteivorstand wurden aus beiden Lagern der zerstrittenen Fraktionen besetzt. Der neue Vorsitzende wird also mit Zumas Verbündeten verhandeln müssen. Mit Ace Magashule als Generalsekretär und dem umstrittenen Freistaat-Premier David Mabuza, der sich als Vizepräsident durchsetzen konnte, hat nun Ramaphosa laut du Preez „zwei der korruptesten Politiker des Landes“ an seiner Seite. „Magashule und seine Familie haben noch starke Verbindungen mit den Guptas und eigene Interessen, das wird Ramaphosas größtes Problem.“ Allerdings wird er durch den vorherigen Generalsekretär und jetzigen ANC-Vorsitzenden Gwede Mantashe sowie Schatzmeister Paul Mashatile unterstützt.
Ramaphosa hat laut du Preez die richtige Strategie gefahren: Mit Ruhe und Respekt konnte er sich als Vizepräsident unter Zuma halten. So wurde er ANC-Chef mit Aussicht auf den Top-Job des Landespräsidenten. „Jetzt werden wir eine andere Seite von ihm sehen.“ Der ANC müsse sich wandeln, um bei den nächsten Wahlen nicht unter der 50-Prozent-Hürde zu landen. „Mit Zuma als lahme Ente wird Ramaphosas Fraktion und Macht im Parlament auch stark anwachsen.“
Die Opposition ist dagegen weniger optimistisch. „Der ANC ist tot und kann sich nicht mehr selbst korrigieren“, kommentierte Mmusi Maimane, Führer der größten Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA). Ramaphosa führe eine tief gespaltene Partei, die die Armen und Arbeitslosen vergessen habe. „Die Zukunft Südafrikas liegt außerhalb des ANC.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos