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65 Jahre WaffenstillstandErste Generation ohne Krieg

Wer am 8. Mai 1945, dem Tag des Kriegsendes geboren wurde, geht am Samstag in Deutschland in Rente, ohne einen Krieg auf deutschem Boden erlebt zu haben.

Freuen sich über 65 Jahre ohne Krieg – und feiern das im Gegensatz zu den Deutschen auch gebührend: Russische Soldaten in Moskau. Bild: dpa

BERLIN/HAMBURG dpa/apn/taz | Zum Anlass des 65. Jahrestages des Kriegsendes sagte Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in einer Rede am Freitag, die Deutschen sollten zeigen, dass sie aus der historischen Erfahrung gelernt hätten. "Der 8. Mai 1945 war der Tag der Befreiung vom unmenschlichen Regime des Nationalsozialismus, von Unfreiheit und Unterdrückung, vom Elend des Krieges."

Doch jeder zweite Bundesbürger kennt die Bedeutung des 8. Mai nicht, wie stern.de am Freitag berichtete. Das Online-Magazin berief sich dabei auf eine Forsa-Umfrage mit über 1.000 Bundesbürgern. Besonders unter den jungen Deutschen ist die Unwissenheit groß. 68 Prozent der 18- bis 29-Jährigen wussten nicht, dass an diesem Tag der Zweite Weltkrieg zu Ende ging.

Am 8. Mai 1945 hatte die deutsche Wehrmacht ihre bedingungslose Kapitulation erklärt. Das Datum des offiziellen Kriegsendes ist in einigen europäischen Ländern nationaler Gedenktag. Russland feiert allerdings erst am Sonntag mit einer Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau den 65. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland. Hintergrund ist, dass die Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945 zwei Mal besiegelt wurde.

Am 7. Mai um 02.41 Uhr wurde im amerikanischen Hauptquartier in Reims der Waffenstillstand für den 8. Mai um 23.01 Uhr vereinbart. Der sowjetische Staats- und Parteichef Josef Stalin erkannte die Unterzeichnung nicht an und setzte sich mit seiner Forderung nach einer Wiederholung durch. Am 8. Mai kamen im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst Vertreter der Westalliierten, der sowjetische Marschall Georgi Schukow und der deutsche Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel zusammen. Unterzeichnet wurde die Kapitulationsurkunde aber erst nach Mitternacht: am 9. Mai um 00.16 Uhr. Nach Moskauer Zeit war es sogar schon 02.16 Uhr.

Als große Ehre hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die russische Einladung zu den Siegesfeiern in Moskau an diesem Sonntag 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs bezeichnet. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein deutscher Regierungschef an diesem Ereignis teilnehmen dürfe, sagte Merkel in einem Interview mit russischen Medien, das am Freitag in Moskau veröffentlicht wurde. Vor fünf Jahren hatte Gerhard Schröder als erster Bundeskanzler der Siegesparade beigewohnt.

Dass Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit noch eine besondere Verantwortung gegenüber den vor 70 Jahren überfallenen Völkern hat, meinen laut der Forsa-Umfrage nur 28 Prozent der Bundesbürger. Die große Mehrheit ist der Ansicht, die Deutschen könnten sich verhalten wie jedes andere Volk auch. Außerdem ist der 8. Mai für die Deutschen eher ein Tag der Befreiung als ein Tag der Niederlage, wie aus der Umfrage hervorgeht.

Übrigens: Wer am 8. Mai 1945, dem Tag des Kriegsendes geboren wurde, geht am Samstag in Deutschland in Rente, ohne einen Krieg auf deutschem Boden erlebt zu haben.

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22 Kommentare

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  • K
    Klaus

    Rente mit 65??? Wo lebt ihr denn?

  • FK
    Fritz Katzfuß

    Tja, leider müssen wir die Einschränkung machenm auf deutschem Boden. Der Schwur war freilich- und das war auch der Wille des Grundegesetzes- das VON deutschem Boden... dieser Schwur und Wille wurde von DEM grünen Fischer und seiner Claqueren verraten ,ot den Bomben auf Belgrad.- Ich könnte mich heute noch für jede Stimme ärgern die ich an die "gewaltfreien" Grünen verschenkt habe. Trotzdem gelteN die GRünen heutzutage als besonders vertrauenswürdig. Das ist komisch.

  • Q
    Querulant

    Während man in Deutschland am 8. Mai des Kriegsendes und dem Ende des Nationalsozialismus gedenkt feiert man in Moskau am 9. Mai viel mehr einen militärischen Sieg.

     

    Das sind doch zwei sehr verschiedene Konzepte...

  • TK
    typischer koblenzer

    "Freuen sich über 65 Jahre ohne Krieg – und feiern das im Gegensatz zu den Deutschen auch gebührend: Russische Soldaten in Moskau. "

     

    afghanistan, tschetschenien und georgien werden von euch nicht als kriegerische handlungen gewertet?

  • TS
    Thomas Sch.

    Naja. Praktisch haben Sie schon recht. Und das mit der Friedenszeit ist auch gut so. Sehr gut sogar. Wir wäre es denn, wenn wir jetzt neben den praktischen auch einen theoretischen Teil stellen könnten ? Wir könnten doch mal -liebe Friedensfreunde- endlich endlich endlich einen Friedensvertrag machen. Dabei könnten wir mal auch so ganz nebenbei klären, ob denn nun die Bundesrepublik wirklich auch völkerrechtlich Deutschland ist oder nicht. Zweitens würden die Zusatzverträge zum 2+4-Vertrag obsolet werden und wir hätten die Chance, auch offziell wieder selbst über uns zu bestimmen. Wie wäre es denn mal mit einer echten Verfassung, über die wir Bürger selber abstimmen ? Tja. Wird wohl alles nichts werden. Erstens würden die Alliierten das nicht aus der Hand geben (Haben Sie immer noch Angst vor uns oder geht es nur um die Kohle ?), zweitens haben sie die deutschen Medien derart in der Hand, daß Wünsche nach einen Friedensvertrag ja sowieso als braun, rechts oder sonstwie radikal bewertet würden und drittens würden manch Nachbar im Dreieck springen, wenn man auf gefühlt seinem Territorium Menschen zu einer Abstimmung bitten müßte. Was tun, sprach Zeus ? Vor einigen Jahren enteignete man mir zwei Mietshäuser. Juristisch gesehen als Folge des Krieges. Ich würde mir also wünschen, daß der Krieg nun auch juristisch sein Ende finden würde.

  • TW
    Thomas Wettengel

    Der "Waffenstillstand" in der Überschrift des Artikels klingt irgendwie beunruhigend. Es war ja wohl mehr als ein "Waffenstillstand".

  • KK
    kammertöns karl heinz

    als eine generation, die den krieg miterlitten hat, kann ich nicht euer Motto teilen, daß unser Land keinen Krieg seitdem mehr hatte. getreu dem Motto - am deutschen Wesen sol die Welt genesen, haben wir in vielen Ländern soldaten, die dort nichts zu suchen haben. Beispiele gibt es genug - sei es Afaganistan oder Bosnien...

  • K
    kassandro

    eine deutsche generation ohne krieg auf deutschem boden- das stimmt -, aber wie wir seit der rot-grünen beteiligung am nato-überfall auf jugoslawien, der brd-beteiligung an der vornehmlichen us-okkupation afghanistans sehen können, ist die brd schon längst wieder beim krieg dabei.

     

    da ist es nur eine frage der zeit, bis gerade die letztere kriegsbeteiligung zu so etwas wie einem islamischen selbsttötungs-bombenkrieg auf d e u t s c h e m boden , als ziemlich ohnmächtige "antwort" auf den waffentechnisch üb erlegegnen nato- und willigen-bombenterror in afghanistan, führt.

     

    das wären nach 65 jahren wieder z i v i l e deutsche kriegsopfer auf deutschem boden , wenn auch in einem eigentümlich-asymmetrischen krieg, den unsere machtelite gegen den willen der großen mehrheit der deutschen durchzieht.

     

    dies zu fürchten ist realistisch. es bombenterror zu nennen, ohne seine angriffs-k r i e g s-bedingte genese zuzugestehen, ist verlogen. könnte man dann sagen, die taliban "verteidigen" ihr land halt nicht nur am hindukusch, sondern am spreewald?

     

    kurzum: der fröhliche satz über rentner ohne krieg auf deutschem boden macht angesichts der skizzierten tatsachen irgendwie frösteln...

  • CK
    Corporal K

    "Freuen sich über 65 Jahre ohne Krieg – und feiern das im Gegensatz zu den Deutschen auch gebührend: Russische Soldaten in Moskau."

     

    1: 65 Jahre ohne Krieg trifft für Russland NICHT zu!

    2: Wie sollten die Deutschen denn bitte "gebührend" feiern? Auch mit einer Militärparade?

  • J
    johannes

    Alles Gute!

    und feiert noch schön :-)

  • MF
    Mi Fu

    Den 8. Mai als Kriegsende zu feiern ist eine sehr eurozentristische Sichtweise. In Asien ging der Krieg noch Monate weiter, in diese Zeit fiel eins der groessten Kriegsverbrechen der Geschichte, der Abwurf von Atombomben auf rein zivile Ziele.

  • B
    Übrigens

    Der Krieg endete mit dem Waffenstillstand zwischen Japan und den Alliierten 14. August, bzw. mit der formellen Kapitulation Japans am 2. September.

    Nur weil Deutschland am 8. Mai kapitulierte waren die weltweiten Kampfhandlungen noch lange nicht vorbei, so fanden die beiden Atombomenabwürfe erst Anfang August, drei Monate nach "Kriegsende" statt.

  • H
    hto

    Der Krieg wird nun mit anderen zeitgeistlichen Mitteln geführt, im "gesunden" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen" Wettbewerbs, immernoch für die Hierarchie in materialistischer "Absicherung" / in kapitalistischem Imperialismus durch "demokratische" Kreuzchen auf dem Blankoscheck!

  • KH
    knus horlanski

    außerdem war am 8.5. kein waffenstillstand, sondern bedingungslose kapitulation.

     

    ist ein kleiner, aber wichtiger unterschied. wohl im geschichtsunterricht nicht aufgepasst, wa?!

  • KH
    knus horlanski

    nichts für ungut, aber ihre bildunterschrift hinkt doch gewaltig.

     

    ich bin jedenfalls sehr froh, dass es in deutschland keine militärparade zum achten / neunten mai gibt. diese art von "feiern" können mir in dtl. gestohlen bleiben.

     

    ich find's schon pervers genug, dass merkel angeblich heute auf dem roten platz auf der ehrentribüne stehen darf. das hat deutschland, das hat angela merkel nicht verdient.

  • S
    sam

    kein krieg auf deutschem boden - ja, toll. die rentner waren in ihren kriegen also insgesamt erfolgreicher, oder was soll das heissen? friedlich ist dieses land nicht. ES FÜHRT KRIEG, in dieser minute.

  • S
    Sebastian

    Mein Gefühl gilt diesen Tagen den Opfern des Massenmörders Stalin.

  • C
    Chris

    Kein Krieg auf deutschem Boden seit 1945?Wie man/frau es nimmt.

    Auch der Verteilungskampf um die sozialen Töpfe ist ein Krieg.Dabei stehen Gewinner und Verliere bereits fest.Da wünsche ich unserer Angela viel Vergnügen bei der Feier in Moskau.Hoffentlich bleibt sie gleich dort.

  • S
    Stimmt

    Die Kriege exportiert Deutschland jetzt in Dritte Welt-Länder.

  • MH
    Michael Hofferbert

    Seit wann rechnet man eine Generation nach der Dauer der aktiven Arbeitstätigkeit? Bisher war das immer die Zeitspanne, bis eine Generation selbst durchschnittlich wieder die nächste das Licht der Welt erblicken läßt.

    Und was rechtfertigt es, von einer Generation ohne Krieg zu sprechen, wo doch die Kriege einfach nur nach außen verlagert waren?

    Es hat seit dem 2. WK nicht einhen Tag ohne krieg auf der Welt gegeben, freilich als Stellvertreterkriege in der Dritten Welt geführt - aber es waren doch Kriege mit allem Grauen und aller Barbarei, die sich Menschen einfallen lassen können.

    Mir scheint eher bei der TAZ eine "Generation" von Journalisten heranzuwachsen, die diese Zusammenhänge zuhnehmend aus Blick verlieren:

    Mit Verlaub: Wir - die Bundesrepublik haben z.Zt. Krieg! Schon vergessen?

  • O
    Oertzen

    8. Mai... keine Ahnung.

     

    20. April, das weiß dagegen jeder.

     

    Und ich scherze nicht mal.

  • PP
    Peter Pansen

    "Freuen sich über 65 Jahre ohne Krieg – und feiern das im Gegensatz zu den Deutschen auch gebührend: Russische Soldaten in Moskau. "

     

    Diese Bildunterschrift ist bemerkenswert falsch.