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57. & 61. Tag Kongo-KriegsverbrecherprozessStrafanzeige gegen den Staatsanwalt

Die Verteidigung von FDLR-Vizepräsident Musoni erstattet Anzeige gegen den leitenden Bundesanwalt. Der dementiert umstrittene Äußerung.

FDLR-Vizepräsident Straton Musoni auf der Anklagebank in Stuttgart. Bild: Foto: dapd

STUTTGART taz | Eskalation im Kriegsverbrecherprozess vor dem OLG Stuttgart gegen Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas): Musonis Verteidigung hat zum Abschluss des 57. Verhandlungstages 6. Februar Strafanzeige gegen Oberstaatsanwalt Christian Ritscher gestellt, der das Team der Bundesanwälte leitet, sowie gegen ihn Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben.

Hintergrund ist die Reaktion Ritschers auf einen Antrag der Anwälte Musonis am 11. Januar, den umstrittenen Autor Helmut Strizek als Zeuge zu laden, um die "politische Dimension der Anklage" zu verdeutlichen. Strizek, Autor mehrerer Publikationen über das Afrika der Großen Seen, ist für seine kontroversen Stellungnahmen zum ruandischen Völkermord berüchtigt.

Streizek hält den ruandischen Genozid, bei dem zwischen April und Juli 1994 bei der versuchten Ausrottung aller Tutsi Ruandas über 800.000 Menschen von Hutu-Militär und Hutu-Milizen ermordet wurde, für ein Ereignis, das nicht von der damaligen Hutu-Staatsmacht zu verantworten sei. Sondern es sei letztendlich von den USA und den damaligen ruandischen Tutsi-Rebellen geduldet, wenn nicht gar gesteuert worden, um dem damaligen ruandischen Tutsi-Rebellenführer und heutigem Präsidenten Paul Kagame die nötige Legitimation zur Machtergreifung und zur Errichtung einer Militärdiktatur zu schenken. Wer dieser Sicht der Dinge widerspricht, läuft Gefahr, von Strizek diffamiert zu werden.

Am 9. Februar 2011 war Strizek vor dem Oberlandesgericht Frankfurt im laufenden Völkermordprozess gegen den ruandischen Exbürgermeister Onesphore Rwabukombe auf Antrag von Bundesanwalt Ritscher bereits als Sachverständiger abgelehnt worden, weil er dem Angeklagten persönlich nahestand.

Streit um Genozid

Musonis Verteidigung in Stuttgart begründete ihren Antrag, Strizek jetzt im FDLR-Prozess als Zeugen zu laden, mit einer erneuten Wiedergabe von Strizeks historischen Thesen und der Notwendigkeit, "alternative politische Grundpositionen darzustellen" und "die Möglichkeit einer Falschbelastung der Angeklagten aufzuzeigen".

Dieser Antrag verleitete Bundesanwalt Ritscher zu der empört vorgetragenen Reaktion, man wehre sich nachdrücklich gegen die Ladung eines "Hobbyforschers" und "Genozidapologeten" - dieser Begriff wurde von Anwesenden im Gerichtssaal zunächst als "Genozidprolet" gehört. Gehört wurde von einigen auch ein von Ritscher bestrittener Zusatz, wonach Strizek mit einem "Holocaust-Leugner" zu vergleichen sei. Musonis Verteidigung erwiderte, dies erfülle den Tatbestand der Beleidigung, und verlangte eine Reaktion des Senats.

In einer förmlichen Stellungnahme führte die Bundesanwaltschaft später aus, der Antrag auf Ladung Strizeks diene der "Propaganda der Angeklagten", die Opfer des ruandischen Völkermordes würden dadurch verhöhnt und die eigentlichen Täter sollten zu Opfern gemacht werden. Strizeks Thesen hätten keinen Beweiswert, sondern bestünden lediglich aus subjektiven Vermutungen.

Der "Ton" und der "Inhalt" dieser Stellungnahme waren nun für Musonis Verteidigung Anlass für die Strafanzeige und die Dienstaufsichtsbeschwerde. Welche konkreten Auswirkungen diese auf das laufende Verfahren haben werden, ist zunächst unklar. Murwanashyakas Verteidigung hat sich der Anzeige und der Beschwerde nicht angeschlossen. Ein Beschluss des Senats über die Ladung Strizeks steht noch aus.

Am 61. Verhandlugstag 22. Februar verkündete der Senat, anders als von der Verteidigung verlangt keine Stellungnahme zu Ritschers angeblichen Äußerungen vom 11. Januar abzugeben, da man das nicht mitbekommen habe. Gegenüber der taz bestätigte Ritscher, der Begriff "Genozidprolet" sei nicht gefallen.

Redaktion: Dominic Johnson

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