500 Milliarden Euro zur Bankenrettung: Einigkeit wie im Notstand

Ungewohnte Eintracht bei den deutschen Parteien: Von der FDP bis zur Linken reicht das Befürworter-Spektrum für das Milliardenpaket zur Bankenrettung.

Auffallend bemüht um die Feststellung, dass sie nichts verschenken: Kanzlerin Merkel und Minister Steinbrück Bild: dpa

Man lernt viel in diesen Tagen. Was Interbankenverkehr und Leerverkäufe sind, zum Beispiel. Dass unser Finanzsystem vor allem auf dem Prinzip "Schulden machen" ruht. Und dass in der Not nicht nur die Linken, sondern auch der neoliberalste Banker nach dem Staat ruft. Nun kam noch eine weitere Lektion hinzu: "Ein funktionierender Finanzmarkt ist ein öffentliches Gut." So zumindest begründete Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gestern, dass der Staat bis zu einer halben Billion Euro zur Verfügung stellt, um die deutschen Banken aus der Finanzkrise zu führen. Und damit uns alle, denn Finanzmärkte sind ja spätestens seit gestern nicht mehr allein ein Spielplatz für privates Kapital.

Anders als noch vor gut einer Woche, als Steinbrück gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Garantie für Bankeinlagen verkündete und damit die Aktienkurse erst einmal nach unten trieb, traten die beiden am Montag getrennt auf. Erst erläuterte Merkel im Kanzleramt das große Ganze, dann durfte Steinbrück vor der Bundespressekonferenz die Einzelheiten erklären.

Von einem "wichtigen Tag" sprach die Kanzlerin, von einer "neuen Finanzmarktverfassung" für die Welt, die dem deutschen Paket folgen müsse. Doch selbst das ist schon beeindruckend. Mit 400 Milliarden Euro will die Bundesregierung für die Kredite bürgen, die sich Banken untereinander geben - und damit den Fluss der Kapitalströme wieder in Gang bringen.

Sie rechnet damit, dass sie für 5 Prozent dieser Forderungen auch tatsächlich einspringen muss: 20 Milliarden Euro würde das kosten. Hinzu kommen 70 Milliarden an "Rekapitalisierungshilfen", die notfalls auf 80 Milliarden aufgestockt werden sollen. Mit diesem Geld will die Regierung gegebenenfalls Aktien aufkaufen, um das Eigenkapital der Banken aufzustocken. Insgesamt sind es also 100 Milliarden Euro, die aus einem Sondervermögen namens "Finanzmarktstabilisierungsfonds" fließen sollen. Man dürfe das ruhig "eine Art Nebenhaushalt" nennen, räumte Steinbrück ein.

Auffallend bemüht waren Merkel und Steinbrück um die Feststellung, dass es sich dabei keineswegs um Geldgeschenke an die Banker handele. Ausführlich sprachen sie von den Auflagen, die sie hilfsbedürftigen Banken stellen wollen - von Beschränkungen der Managerbezüge über eine mittelstandsfreundliche Kreditvergabe bis zu Gebühren, die von den Instituten für die Bürgschaften gezahlt werden sollen. Wie schon die wahlkämpfenden Parteien in den USA wollen sich Union und SPD nicht vorwerfen lassen, bei den Kleinen zu sparen und den Großen das Geld hinterherzuwerfen. "Der Staat ist der Hüter der Ordnung", sagte Merkel. "Wir greifen hart durch, damit sich das, was jetzt passiert ist, nicht wiederholt."

Das Paket soll mit einer Geschwindigkeit beschlossen werden, die das politische Berlin bislang nicht kannte. Schon am Donnerstag und Freitag wird sich der Bundestag mit dem "Finanzmarktstabilisierungsgesetz" befassen, unmittelbar danach soll es der Bundespräsident ausfertigen.

In der deutschen Politik herrscht derzeit jene Eintracht, die es nur bei nationalen Notstandssituationen gibt. Von der FDP bis zur Linkspartei sind sich alle einig, dass dieses 500-Milliarden-Programm sein muss. Die Linkspartei fordert zwar eine direkte Einflussnahme des Staates auf die Banken. Doch der Fristverkürzung, ohne die das Rettungspaket bis Freitag nicht durch den Bundestag kommt, wird auch sie ohne Bedingungen zustimmen. "Es gibt gar keine andere Wahl", so Parteivorsitzender Oskar Lafontaine zur taz. "Wir können nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass das Paket scheitert.

Zur Ergänzung des Rettungspakets fordert Die Linke ein Konjunkturprogramm. Das haben alle anderen Parteien bisher als komplett altmodisch abgelehnt. So will SPD-Generalsekretär Hubertus Heil auch jetzt nichts von einem antizyklischem Konjunkturprogramm wissen. Aber, so sagt er, man dürfe auch "nicht prozyklisch" Politik machen und beim Sozialen kürzen. Wo der Unterschied zwischen "nicht prozyklisch" und Konjunkturprogramm liegt, ist nicht genau herauszufinden. Heil wirkt im Moment wie viele andere, die alte Worte für eine neue Lage benutzen.

Während auch die anderen Oppositionsparteien im Bundestag den verkürzten Fristen für das Rettungspakt zugestimmt haben, regt sich in einigen Bundesländern Widerstand. Die Länder müssen dem Rettungspaket im Bundesrat ebenfalls zustimmen. Finanzminister Steinbrück fordert, dass sie bis zu 35 Prozent der Garantien mittragen sollen. Thüringens CDU sieht die ostdeutschen Länder generell nicht in der Lage, zusätzliche Lasten auf sich zu nehmen. Auch der bayerische Finanzminister Erwin Huber betonte, "die Zuständigkeit liegt beim Bund".

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