50 Jahre Martin Luther King in Berlin: Rosa Parks brauchte keinen Führer
Das Haus der Berliner Festspiele erinnerte an Martin Luther Kings Besuch der geteilten Stadt vor 50 Jahren. Es gab Reden, Diskussionen und Konzerte.
Am 12. September 1964 besuchte Dr. Martin Luther King jr. Berlin. Er befand sich auf der Höhe seines Ruhms. Zwei Monate zuvor hatte der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson im Beisein Kings den Civil-Rights-Act unterschrieben, der die Rassentrennung aufhob.
Im Dezember 1964 wurde King der Friedensnobelpreis verliehen. Der pazifistische Kirchenmann und Bürgerrechtler sprach auf einer Gedenkfeier für John F. Kennedy, die zur Eröffnung der Berliner Festwochen stattfand.
John F. Kennedy hatte ein Jahr zuvor Berlin besucht und war wenig später erschossen worden. Einen Tag später predigte Martin Luther King vor 20.000 Zuschauern in der Waldbühne und dann noch zweimal im Ostteil der Stadt. Außerdem schrieb er das Geleitwort für die 1964 im Rahmen der Festwochen gegründeten Berliner Jazztage.
Im Gedenken an diesen Besuch veranstaltete das Haus der Berliner Festspiele am Sonntag einen „Tag für Martin Luther King“, der mittags mit Stadttouren auf den Spuren des Bürgerrechtlers begann.
Angenehme, warme Ausstrahlung
Den Indoor-Veranstaltungsteil eröffnete Clayborne Carson mit einer Rede über Martin Luther King. Der charismatische 70-jährige Geschichtsprofessor und Gründungsdirektor des Martin-Luther-King-jr.-Forschungsinstituts an der kalifornischen Stanford-Universität gibt seit 1983 die Schriften von Martin Luther King jr. heraus und hat sich die meiste Zeit seines Lebens mit dem Bürgerrechtler beschäftigt. Er hat eine sehr angenehme, warme Ausstrahlung.
Carson erinnerte an den Vater von Martin Luther King jr., der 1934 auf dem Welt-Baptisten-Kongress in Berlin gewesen war und danach seinen Namen von Michael zu Martin Luther veränderte, sprach über die Bürgerrechtlerin Rosa Parks, deren Weigerung, am 1. 12. 1955 in Montgomery ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast zu räumen, den „Montgomery-Bus-Protest“ auslöste, der als Beginn der schwarzen Bürgerrechtsbewegung gilt.
Auf die Frage, warum es heutzutage keine großen Bürgerrechtsführer wie Dr. Martin Luther King jr. gebe, antworte er, dass Rosa Parks auch auf keinen Führer gewartet und dass Rosa Parks erst Martin-Luther-King jr. möglich gemacht habe.
Gegen Rassismus, ökonomische Ungleichheit und Krieg
Gegen drei Übel hatte sich Martin Luther King gewandt: gegen Rassismus, ökonomische Ungleichheit und Krieg. Der Kirchenmann war davon überzeugt, dass wir mit allen anderen Menschen verbunden sind. Ab 1966, als es auch innerhalb der Bürgerrechtsbewegung noch nicht opportun war, hatte er gegen den Vietnamkrieg protestiert. Am 4. April 1968, einen Monat vor dem von ihm organisierten Poor People’s March nach Washington, wurde Martin Luther King jr. erschossen.
Nach Carsons Rede trat Jocelyn B. Smith auf. Die amerikanische Jazzsängerin lebt seit 30 Jahren in Berlin, trug einen wunderschönen grüngelb leuchtenden Umhang und sang unter anderem auch auf Deutsch. Man wunderte sich etwas, dass sie sich wunderte, dass niemand mitsingen wollte.
Danach gab es eine Diskussionsrunde mit verschiedenen AktivistInnen: der Lehrerin Saraya Gomis, die ein Martin-Luther-King-Projekt Berliner Jugendlicher geleitet hat, der Schriftstellerin Elke Naters, die neun Jahre in Südafrika gelebt hat und von dort die Idee eines „Share-Hauses“ mitbrachte, Philipp Ruch vom „Zentrum für politische Schönheit“ und dem theologischen Referenten der Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri – St. Marien, Roland Stolte.
Revolution der Werte
Stolte erzählte die Vorgeschichte des Ostberlin-Besuchs von Martin Luther King jr., Saraya Gomis berichtete von ihrem Martin-Luther-King.-jr.-Workshop, Philipp Ruch sagte, er sei von der DDR-Bürgerrechtsbewegung etwas enttäuscht gewesen und beklagte, dass Humanisten wie Rupert Neudeck in Deutschland nicht ausreichend gefeiert werden würden. Elke Naters bestand darauf, dass alle Menschen gleich sind vor Gott, und hoffte auf eine Revolution der Werte. Saraya Gomis erinnerte daran, dass ihre schwarzen Schüler tagtäglich mit Rassismus konfrontiert sind.
Einige ihrer Schüler („die Jugendlichen sind prima!!“) führten eine kleine Antidiskriminierungsperformance auf. 68er-Zuschauer erinnerten an Petra Kelly und wie ihr Kampf gegen Atomkraftwerke und Nachrüstung von Martin Luther King jr. inspiriert worden war.
Am Rande gab es eine Ausstellung, es wurden Filme gezeigt über den Martin-Luther-King-Workshop von Saraya Gomis und seinen Besuch damals in Berlin. Der Abend endete mit einem von Martin Luther Kings „I have a dream“-Rede inspirierten Konzert des Londoner Saxofonisten Denys Baptiste und seinem Orchester, das zugleich das Auftaktkonzert des Jazzfest Berlin war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr