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50 Jahre IsraelPhysische Präsenz

■ Rafael Seligmann las und diskutierte in der Stadtbibliothek Neustadt

Wer ist Rafael Seligmann? Wie wär's mit: Ein „jüngerer jüdischer Schriftsteller“? Als einen solchen habe ihn gestern eine jüngere Bremer Journalistin in ihrer Live-Sendung bezeichnet, schmunzelt der 47jährige deutsche Schriftsteller Rafael Seligmann. Anekdoten wie diese sammelt er gern und spricht in seinen Büchern dann von „Nebbich“. Sein kleiner Held, sein Samylein im Roman „Die jiddische Mamme“ dreht aus solchen schönen polnisch-hebräisch-deutschen, will sagen westjiddischen Wörtern wiederum Adjektive und nennt seinen Psychofritzen nur noch „den meschuggenen Rosenfeld.“

Also: Rafael Seligmann ist Jude. Ein Deutscher, der uns schöne Wörter in grammatische Zusammenhängen knüpft – eben ein Schriftsteller. Aber vielleicht ist er auch ein bißchen Israeli? „50 Jahre Israel“ zumindest heißt die Veranstaltungsreihe, in der Rafael Seligmann am Donnerstag mit einer Lesung in der Stadtbibliothek Neustadt zu Gast war. Da war von vielem die Rede. Von manchem auch nicht: Zum Beispiel von der Geschichte des Staates Israel. Der Politologe und Schriftsteller Seligmann nämlich hat eindeutig mehr Spaß an seinem Münchner Hier und Heute. Sein Produkt, das Samylein, übrigens auch. Der steht auf die „Schickse“ Karin, Christin und Nazitochter. Aber nicht nur auf die, sondern noch auf viele andere Bräute. Das aber, sagt der meschuggene Rosenfeld, liegt nur an der Mamme, die dem Kleinen – grad mal dreijährig – ein fieses Trauma unterschob. Man hat's nicht leicht mit dem Hier & Jetzt.

Das fand auch eine Zuhörerin der Lesung in der Neustädter Stadtbibliothek und fragte nach der psychischen Präsenz des Holocaust. „Die psychische Präsenz der Juden in Deutschland“, lächelte Seligmann sie an, die sei heute wahrhaftig größer als ihre physische. Letztere aber interessiert ihn noch ein bißchenmehr.

Darüber hat er auch sein letztes Buch geschrieben, die Geschichte des „Musterjuden“ der den lieben langen Tag „fette Ärsche in Jeans zwängt“ – bis er plötzlich entdeckt wird, weil ein berühmtes deutsches Politmagazin einen Juden braucht, den man einmal „Holocaust!“ rufen lassen kann.

So sei das mit den Deutschen und den toten Juden, sagt Seligmann: Wie das Verhältnis von Schmetterlingssammlern zu ihren Objekten. Mit den lebenden Exemplaren aber könnten sie nichts anfangen. ritz

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