36. Asterix-Band „Der Papyrus des Cäsar“: Gastauftritt von Julian Assange
Polemix, der Rom-Korrespondent der „Gallischen Revue“, ist im Besitz eines unterdrückten Kapitels aus Cäsars Überlegungen zum Gallischen Krieg.
Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr., in einem Dorf an der Küste der heutigen Bretagne. Es ist das einzige Dorf in Gallien, das die Römer noch nicht eingenommen haben. Das liegt vor allem an einem Zaubertrank, der den DorfbewohnerInnen übermenschliche Kräfte verleiht und alle Legionäre in die Flucht schlagen lässt.
Als sie über einen Bericht in der Zeitung Gallische Revue erfahren, dass Cäsar ein Buch mit dem Titel „Kommentare zum Gallischen Krieg“ geschrieben hat, interessiert das zunächst keinen. Rom ist weit weg. „Die spinnen, die Römer!“, kommentiert der Schmied nur. Sie stürzen sich lieber auf die Horoskope. Obelix, der Freund des Helden Asterix, ist entsetzt, als es ihm rät, Konflikte zu meiden und weniger Wildschwein zu essen. Dabei liebt er doch Schweinefleisch und Raufereien!
Als kurze Zeit später Polemix, der Rom-Korrespondent der Gallischen Revue, in ihr Dorf flieht, ändert sich die Situation. Polemix ist in Besitz eines geheimen Dokuments. Es handelt sich um ein Buchkapitel, in dem Cäsar von den Rückschlägen im Kampf gegen die unbeugsamen Gallier erzählt. Doch sein Berater Rufer Syndicus empfahl ihm, das Kapitel wieder zu streichen: „So glaubt der Senat, dass du ganz Gallien erobert hast.“ Bevor der Papyrus vernichtet werden konnte, steckte ein Schreiber Polemix ein Exemplar des Buchkapitels zu.
So beginnt der neue Asterix-Comic, und es ist großartig, wie sich die Geschichte entwickelt. „Der Papyrus des Cäsar“ ist bereits der 36. Band der meistverkauften Comicreihe der Welt, doch erst der zweite, den der Autor Jean-Yves Ferri gemeinsam mit dem Zeichner Didier Conrad herausbringt. Auf ihren ersten – „Asterix bei den Pikten“, der vor zwei Jahren erschien – reagierte die Presse weitgehend positiv. Viele KritikerInnen sahen darin ein solides Werk. Einigen fehlte es allerdings an politischer Schärfe und sie wünschten sich mehr Eigenleistung. Das ist den neuen Asterix-Machern mit ihrem zweiten Band gelungen, weshalb es ein großer Genuss ist, ihn zu lesen.
Information als Machtinstrument
Allgemein geht es im neuen Band um Information und Kommunikation als Machtinstrumente. Fast übertreiben sie es damit. Whistleblowing, Abhörskandal, Datensammeln – teilweise überladen sie den Comic mit Bezügen zur Gegenwart. Insgesamt finden sie allerdings die Balance: Sie erkunden neue Ideen ohne die altbekannte Welt des Asterix zu verlassen. Auch mit der Qualität der früheren Zeichnungen kann der Band mithalten. Vor allem die Mimik der Charaktere ist ausdrucksstark.
Der Autor René Goscinny und der Zeichner Albert Uderzo erfanden die Comicserie im Jahr 1959 und veröffentlichten 24 Bände zusammen. Goscinny starb 1977, Uderzo brachte danach noch mehrere Bände heraus, die er zeichnete und textete. Doch ohne Goscinny war es nicht dasselbe. Manche KritikerInnen bemängelten, den Geschichten sei der Sprachwitz verloren gegangen. Seit dem letzten Band berät Uderzo die Nachfolger nur noch.
„Der Papyrus des Cäsar“ bewegt sich auf verschiedenen Levels, sodass er für alle Lesergruppen unterhaltsam ist. Kinder mögen Situationskomik, zum Beispiel, als sich Asterix und Obelix über ihren Druiden amüsieren, der als Lehrling ein Lausbub gewesen sein soll. Für Asterix-Experten sind die Running Gags interessant. Obelix reagiert wie immer empfindlich, als ihn jemand als dick bezeichnet. Andere Dauerbrenner werden bewusst gebrochen: Der Troubadour vergrault zwar wie immer alle mit seiner Musik, niemand bringt ihn dieses Mal jedoch mit Gewalt zum Schweigen.
Die Wortspiele, die auf aktuelle Themen verweisen, sind auch für Neueinsteiger witzig. Die Figur des Polemix ist an den Whistleblower Julian Assange angelehnt. Er trägt sogar dieselbe Frisur wie der Enthüllungsjournalist. Die von Assange gegründete Plattform Wikileaks veröffentlichte in den vergangenen Jahren immer wieder geheime US-Dokumente. Polemix möchte mit dem von Cäsar vertuschten Kapitel an die Öffentlichkeit. Dabei fokussiert der Rebell zu sehr auf mögliche Schlagzeilen: „Wenn das bekannt wird, verursacht das einen Skandal, der das gesamte Reich erschüttert!“ Sein Gegenspieler, Cäsars Berater Syndicus, stellt eine Karikatur von Jacques Séguéla dar.
Kurznachrichten per Brieftaube
Séguéla ist einer der größten PR- und Werbemänner Frankreichs. Er beriet unter anderem den Präsidenten François Mitterrand. Im Comic spielt Syndicus den bemitleidenswerten Bösewicht, der zum Scheitern verurteilt ist. Sein Elitekommando beschattet die Gallier, um das abhanden gekommene Buchkapitel zu finden – ein Verweis auf den NSA-Abhörskandal. Die Römer benutzen Brieftauben, um Kurznachrichten zu verschicken. Mal vergessen die Soldaten wie bei einer E-Mail den Anhang oder müssen sich wie bei einem Tweet kurz halten. Doch auch die gallische „Mund-zu-Ohr“-Übermittlung läuft häufig schief, denn nicht jeder kann sich Namen wie Miraculix merken.
„Der Papyrus des Cäsar“ von Jean-Yves Ferri (Autor), Didier Conrad (Zeichner) und Klaus Jöken (Übersetzer). Egmont/Ehapa Verlag 2015, 50 Seiten, 12 Euro
Der Band überzeugt zuletzt mit starken Nebenfiguren und ihren Geschichten, von denen viele aus den Empfehlungen der Horoskope entstehen. Gutemine, die Ehefrau des Häuptlings Majestix, erhielt den Ratschlag: „Wecken Sie endlich den Chef, der in Ihnen schlummert.“ Fortan behauptet sie sich gegen ihren Mann, kommandiert ihn rum und lacht ihn aus. Dadurch kommt es ständig zum Streit, wer von ihnen bestimmen darf. Oftmals behält sie mit ihren Einschätzungen recht und setzt sich durch. „Deinetwegen lernen demnächst alle Kinder, dass Cäsar ganz Gallien besetzt hat! Ist es das, was du willst?“, schreit sie ihn an. Er gibt nach und läuft mitten in der Nacht zu Asterix, Obelix und Polemix, um mit ihnen zu beratschlagen, wie sie mit den geheimen Informationen umgehen sollen.
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