35. Todestag von Roque Dalton: Der Mord am Dichter bleibt ungesühnt
Vor 35 Jahren wurde der salvadorianische Dichter Roque Dalton von seinen Genossen ermordet. Einer der Täter steht im Dienst des Staates. Doch entlassen wird er nicht.
SAN SALVADOR taz | 35 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod ist der salvadorianische Dichter, Essayist und Schriftsteller Roque Dalton noch immer ein Ärgernis für die Linke. Der wohl bedeutendste zeitgenössische Literat des zentralamerikanischen Landes hatte sich Anfang der Siebzigerjahre der Guerilla-Organisation "Revolutionäres Volksheer" (ERP) angeschlossen und war am 10. Mai 1975 von seinen eigenen Genossen ermordet worden, weil sie ihn fälschlicherweise für einen Agenten des US-Geheimdienstes CIA hielten. Seine Leiche ist bis heute nicht aufgetaucht. Nun fordern seine Söhne von der Regierung die Aufklärung des Mordes. Und sie verlangen, dass Jorge Meléndez, einer seiner Mörder, aus der Regierung entlassen wird. Der war im Bürgerkrieg als "Comandante Jonás" bekannt und ist heute Chef des Zivilschutzes.
Wer Dalton damals umgebracht hat, ist längst bekannt. Joaquín Villalobos, Chef des ERP, hat bereits 1993 in einem Interview gestanden, dass er und Meléndez an der Ermordung beteiligt waren. Villalobos nannte das eine "Jugendsünde". Meléndez dagegen ist heute noch "stolz darauf, an diesem politischen Prozess beteiligt gewesen" zu sein. Daltons Söhne Juan José und Jorge wollen nun endlich Aufklärung. "Wir tragen diesen Schmerz nun schon 35 Jahre mit uns herum", sagt Juan José. Und Jorge: "Wir hatten die Hoffnung, dass diese Regierung endlich die Tür zu Gerechtigkeit und Wahrheit öffnet, so wie es in Chile und Argentinien geschehen ist." Seit einem Jahr regiert in El Salvador die ehemalige Guerilla FMLN, zu der sich das ERP und vier weitere Organisationen 1980 zusammengeschlossen hatten.
Das Pikante an der Konstellation: Juan José Dalton war selbst in der Guerilla und von Sicherheitskräften verhaftet und gefoltert worden. Seine Frau ist in der Regierung von Präsident Mauricio Funes stellvertretende Umweltministerin. Jorge Dalton ist Funktionär im Kulturministerium. Doch Funes denkt nicht daran, Meléndez aus der Regierung zu entlassen. Der Mann sei bis zum gerichtlichen Beweis des Gegenteils unschuldig, sagte der Präsident. Zu einem Verfahren aber wird es nicht kommen. Das damals rechtsdominierte Parlament hat 1993 eine Generalamnestie für alle Kriegsverbrechen erlassen. Damit sollten vor allem die rechten Schergen geschützt werden. Von Funes war erwartet worden, dass er das Amnestiegesetz aufhebt. Aber auch daran denkt der Präsident nicht.
Die Ernennung von Meléndez zum Regierungsfunktionär bewerten die Daltons als "größte Beleidigung des Andenkens an den Literaten". Sie entzogen dem Staatsverlag das Recht, das Werk des Schriftstellers zu publizieren, untersagten Funes, den Namen des Dichters für staatliche Einrichtungen zu verwenden, und baten ihn darum, in Reden keine Zitate aus seinen Gedichten mehr zu verwenden. Doch auch das ficht Funes nicht an. Er will das neue Pressezentrum im Regierungspalast nach Roque Dalton benennen und weiterhin aus seinen Schriften zitieren. "Sein Werk gehört nicht einer Familie", entschied der Präsident. "Es gehört dem salvadorianischen Volk."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!