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3.000 Anschläge auf die Koalition (17): Joachim Barloschky fordert mehr bezahlbaren WohnraumEin Ruck für das Menschenrecht auf Wohnen!

Verhandlungssachen

Die Nachwahlrangeleien haben die Programme verflüssigt: Es tauchen Pläne auf, Ideen werden konkretisiert und Vorhaben benannt, von denen vor dem 10. Mai noch gar nicht so recht die Rede war. So wollen die designierten Koalitionäre ihre Profile schärfen. Die Gastkommentar-Serie der taz hilft Grünen und SPD dabei: Hier bündeln AkteurInnen der Zivilgesellschaft ihre Forderungen in Texten von je 3.000 Anschlägen.

Heute: Joachim Barloschky, vom „Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen“.

Bremens künftiger Bürgermeister Carsten Sieling will einen Aufbruch, einen Ruck für Bremen. Da könnte er sich ein Beispiel nehmen an der kanadischen Stadt Medicine Hat. Dort ist es gelungen, die Obdachlosigkeit zu überwinden. Nach dem Prinzip „Housing first“ gilt: Nach maximal zehn Tagen in Notquartieren erhält jede/r ein eigenes Dach überm Kopf. Ruck-zuck!

Aber Wohnungsnot ist nicht nur ein Drama für die Obdachlosen in unserer Stadt. Es fehlt an Wohnungen in Bremen im Allgemeinen und an bezahlbarem Wohnraum im Besonderen. Und da die Wohnungseigentümer die aktuelle Wohnungsnot ausnutzen durch Mietsteigerungen, sind Zehntausende MieterInnen betroffen.

Die Wohnungsnot ist nicht vom Himmel gefallen, sondern gesellschaftlich und politisch gemacht durch das Herunterfahren des sozialen Wohnungsbaus, Verscherbeln von kommunalem Wohnungseigentum z.B. durch den Verkauf der „Bremischen“, die jetzt, nachdem sich Finanzinvestoren dumm und dämlich dran verdient haben, der Deutschen Annington gehören. Die glänzt in Bremen mit schlechtem Service und Mietsteigerungen.

Wir fordern die Rekommunalisierung von Wohnungen, damit die Stadt wirklich Einfluss nehmen kann auf die Wohnungsfrage sowie Quartiersentwicklung zum Beispiel im Bereich Grohner Düne. Unser Aktionsbündnis hat einen wichtigen Beitrag geleistet, so dass die Wohnungsnot zum Thema wurde und Änderungen in der Politik erfolgt sind.

Das ist gut, aber reicht nicht. Wir stoßen immer wieder auf den Widerspruch, dass Wohnen ein Menschenrecht ist, aber auch eine Ware, mit der Profit gemacht wird.

Ein Ruck für das Menschenrecht auf Wohnen erfordert ein zusätzliches kommunales Neubauprogramm von 5.000 Wohnungen mit gedeckelten Mieten, das über die Gewoba organisiert wird und damit im städtischen Besitz bleibt – bezahlt zum Beispiel über eine Vermögensabgabe der 10.000 Bremer Vermögensmillionäre.

Er erfordert die Einhaltung der 25-Prozent-Quote bei Sozialwohnungen (ohne Anrechnung von Baugemeinschaften!) und der 20-Prozent-Quote davon für Wohnungsnotstandsfälle, die Nutzung von Leerständen bis hin zur Beschlagnahmung – das wird in einigen Städten Frankreichs umgesetzt.

Wir sind empört, dass der Neubau der letzten Jahre überwiegend den einkommensstarken Schichten zugute kam. Wir erwarten die Förderung von Modellversuchen zu kostengünstigem Bauen. Wir erwarten die Nutzung des Bettenhauses auf dem neuen Hulsberg-Gelände zu Wohnzwecken.

Joachim Barloschky

63, ist Sprecher des "Bremer Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen". Von 1990 bis 2011 war er Quartiersmanager in Tenever.

Schluss muss sein mit dem Verkauf städtischer Flächen – eine Alternative könnte hier das Erbbaurecht sein, damit der Einfluss der demokratischen Öffentlichkeit gewährleistet bleibt. Statt der geplanten Erhöhung der Grundsteuer, die auf MieterInnen abgewälzt wird, fordern wir eine Grunderwerbssteuer-Erhöhung.

Schluss muss außerdem sein mit Strom- und Wassersperren! Schluss mit dem Ärger in den Jobcentern zu den Kosten der Unterkunft! Wir fordern eine wertschätzende Umgehensweise mit „Kunden“!

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