30-Punkte-Klimaprogramm: Klimaschützer wollen Nachbesserung
Mit dem vorliegenden Gesetzespaket wird die Bundesregierung ihr CO2-Reduktions-Ziel nicht erreichen, so die Deutsche Umwelthilfe. Dabei fordern zwei Drittel der Deutschen mehr Klimaschutz.
So langsam werden die Wähler ungeduldig. Zwei Drittel der Deutschen wollen, dass die Politiker die Erderwärmung stärker bekämpfen. Das hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa jetzt ermittelt. Auf seiner Klausur in Meseberg will das Bundeskabinett am Freitag ein 30-Punkte-Klimaprogramm verabschieden. Wochenlang haben die Ministerien darüber gestritten. Kann die schwarz-rote Koalition jetzt die Erwartungen erfüllen?
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagt, in Meseberg gehe es um das "größte Klima- und Energiepaket, das jemals in der Bundesrepublik verabschiedet wurde". Die Deutsche Umwelthilfe hat den 55-seitigen Plan studiert. Das Fazit von Geschäftsführer Rainer Baake hört sich weniger optimistisch an: Die schwarz-rote Koalition muss "nachbessern". Die Planungen seien weniger revolutionär als die Ankündigungen.
Zum Beispiel beim Energiesparen. Erst im April hat Gabriel erklärt, dass künftig 11 Prozent weniger Strom verbraucht werden soll. Das klappe aber nicht, meint Baake, da die Regierung ein "sehr großes Einsparpotenzial" vergebe. Sie kann sich nicht dazu durchringen, Nachtstromspeicheröfen zu verbieten - der Wirtschaftsminister stemmt sich dagegen. Dabei verbrauchen diese Heizungen in Deutschland pro Jahr 36 Terawattstunden Strom. Das entspricht der jährlichen Stromproduktion von fünf großen Braunkohlekraftwerken.
Ebenfalls mal angedacht, aber schon verworfen ist das Recht für Mieter, ihre Heizkosten zu kürzen, wenn Vermieter die Häuser nicht vernünftig sanieren. Dabei hätte das "Schwung in die klimafreundliche Sanierung" bringen können, so Baake. Und für Elektrogeräte sollte es ursprünglich eine Pflicht geben, auf Stromkosten hinzuweisen. Geblieben ist "eine freiwillige Vereinbarung über eine konsumentenfreundliche Kennzeichnung".
Anderes Beispiel Verkehr: Die Ausweitung der Lkw-Maut auf kleinere Lastwagen ab 7,5 Tonnen überlebte die Kompromisssuche der Ministerien nicht. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe ärgert allerdings noch viel mehr, dass die Koalition die Steuerprivilegien für Firmenwagen nicht kippt. Schuld sei wieder das Wirtschaftsministerium. Resch: "Ein dienstlich zugelassener Porsche Cayenne Turbo wird mit 53.200 Euro gefördert" - bis das spritfressende Auto nach sechs Jahren abgeschrieben ist. Der CO2-Ausstoß spiele keine Rolle. Noch ein Problem: Der Anteil von Strom aus umweltfreundlicher Kraft-Wärme-Kopplung sollte bis 2020 auf 25 Prozent verdoppelt werden. Der Umweltminister kann sich mit dieser Idee aber nicht durchsetzen.
Für die Deutsche Umwelthilfe steht fest: Deutschland wird so nicht das selbst gesteckte Ziel erreichen, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Was die Politiker hindert, das Nötige zu tun? "Die strukturkonservative Traditionswirtschaft", meint Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe - zu ihrem eigenen Schaden. Denn klimafreundliche Innovationen zahlten sich später im Export aus. Rosenkranz: "Die Wirtschaft hat noch ein paar Tage Zeit, das zu verstehen."
Auch optisch machten Klimaschützer gestern ihren Unmut über die Klimapolitik der Bundesregierung deutlich. Etwa 30 Aktivisten von Attac, der BUND-Jugend, der Grünen Jugend und Robin Wood wickelten am Montag ein 1,3 km langes Spruchband mit über 3.000 Klimaforderungen um das Kanzleramt in Berlin. Die Aktion sollte auf den "grotesken Widerspruch" zwischen Klimaversprechen und konkreten Taten der Bundesregierung aufmerksam machen.
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