20.000 demonstrieren in Tel Aviv: "Die Demokratie ruft um Hilfe"
Rund 20.000 Israelis demonstrieren in Tel Aviv gegen die Überwachung der NGOs, die Schwächung der Demokratie und den Rechtsruck in Regierung und Gesellschaft.
![](https://taz.de/picture/283305/14/israel_25.20110116-16.jpg)
Eine Serie von umstrittenen Gesetzentwürfen hat die Überreste der israelischen Linken am Samstagabend auf die Straße getrieben. Etwa 20.000 Menschen versammelten sich in Tel Aviv aus Sorge um die Demokratie in ihrem Land. Auslöser war der jüngste Entwurf für einen Untersuchungsausschuss über das Finanzgebaren der NGOs und linker Menschenrechtsorganisationen. Ein weiterer Anlass war der Haftantritt des Friedensaktivisten Jonathan Pollack, der vergangene Woche für drei Monate ins Gefängnis ging.
Die Schilder der Demonstranten in Tel Aviv trugen Aufschriften wie: "Die Demokratie ruft um Hilfe", "Gegen die Regierung der Dunkelheit" und "Juden und Araber weigern sich, Feinde zu sein". Viele Demonstranten führten im Protestzug auch blau-weiße Nationalflaggen mit sich.
Der Rechtsruck der Regierung nach den Wahlen vor zwei Jahren hinterlässt immer deutlichere Spuren. Besonders fleißig ist die rechtsnationale Partei Israel Beteinu von Avigdor Lieberman. Von ihr stammen zahlreiche heftig umstrittene Gesetzentwürfe wie der Treueschwur, den Antragsteller auf israelische Staatsangehörigkeit künftig auf den "demokratischen und jüdischen Staat Israel" leisten sollen.
Dabei ist es nicht nur die Arbeit der Politiker, die es den linken Liberalen und der palästinensischen Minderheit in Israel immer schwerer macht. Der sogenannte Brief der Rabbiner rief unverhüllt dazu auf, keine Wohnungen an Nichtjuden zu verkaufen, ja nicht einmal zu vermieten. Einer Umfrage zufolge, die das Israelische Institut für Demokratie jüngst in Auftrag gab, wünschen sich 60 Prozent der israelischen Bevölkerung "eine starke Führung anstelle demokratischer Debatten". Eine Mehrheit von immerhin 53 Prozent ist außerdem der Meinung, dass die Abwanderung arabischer Staatsangehöriger ermutigt werden sollte.
In der Hoffnung, die Wogen zu glätten, erwägt Premierminister Benjamin Netanjahu offenbar, nicht nur linke Organisationen zur parlamentarischen Untersuchung vorzuladen, sondern auch die Finanzierungsquellen rechter Initiativen unter die Lupe zu nehmen. Der Premier erklärte auch, dass Zahlungen von privaten Vereinen im Ausland oder von ausländischen Regierungen an die NGOs besonders unter die Lupe genommen werden sollen. Der Abgeordnete Meir Shitrit (Kadima), ehemals Justizminister, machte im Verlauf der Protestveranstaltung darauf aufmerksam, dass die Knesset (Parlament) rechtlich keine Befugnis hat, Privatpersonen oder Gruppen zu untersuchen.
Initiativen wie die Menschenrechtsorganisation Betselem, die Soldaten von "Das Schweigen brechen" und das Anti-Folter-Komitee, die vorgeladen werden sollen, lehnen eine Kooperation ab. "Unsere Finanzen sind im Internet einsehbar", sagt Seew Samir vom Anti-Folter-Komitee. "Wir haben nicht vor, unsere Bücher zur Knesset zu tragen."
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