20.000 Schulplätze fehlen: Stuhl an Stuhl
Berlin fehlen über 20.000 Schulplätzen. Dennoch sei für jedes Kind ein Platz gefunden, sagt Bildungssenatorin Busse (SPD). Eltern organisieren Protest.
Durch „schulorganisatorische Maßnahmen“ sei jetzt aber für jeden ein Stuhl gefunden worden, so Busse. Für aktuell 1.000 ukrainische Kinder, die noch auf einer Warteliste stehen, sei man indes noch „in intensiven Bemühungen“.
Schulorganisatorische Maßnahmen, das wusste auch die Senatorin, sei natürlich ein „etwas nüchterner Begriff“. Ein Abgeordneter übersetzte es schlicht mit: Da habe man die Kinder eben noch in die Klassen „reingequetscht“.
Tatsächlich hatte am Mittwoch ein Monitoringbericht der Bildungsverwaltung zur Schülerzahlentwicklung die Misere offenbar gemacht: Rein rechnerisch fehlen in Berlin demnach 20.600 Schulplätze, davon 11.000 an Grundschulen. 10 Bezirke – alle außer Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg – seien „defizitär“, sagte Busse. Allerdings betonte sie: „Wenn Plätze rechnerisch fehlen, bedeutet das nicht, dass Kinder ohne einen Schulplatz auf der Straße stehen.“
Der Monitoringbericht, hieß es aus Busses Verwaltung, bilde in der Koalition beschlossene und über den Status quo hinausgehende „Standards zu Ganztag, Inklusion und Barrierefreiheit oder auch Klimaschutz und Denkmalschutz ab“. Das führe „zu erhöhten Raumbedarfen“. Man gehe aber, nicht zuletzt durch die zahlreichen Baustellen im Rahmen der 2016 gestarteten Schulbauoffensive, davon aus, das „rechnerische Defizit“ bis 2026 „sehr deutlich reduzieren“ zu können.
Eltern starten Petition
Elternvertreter, die Gewerkschaft GEW und die Bildungsinitiative „Schule muss anders“ befürchten das Gegenteil: Sie warnen, die rot-grün-rote Koalition könnte die Mittel für den Schulbau in der Investitionsplanung für die kommenden Jahre empfindlich kürzen. „Auch mittelfristig müssten sich Kinder in zu kleine Klassenzimmer, Speisesäle und Schulhöfe drängen“, heißt es etwa seitens des Landeselternausschusses. Der Bezirkselternausschuss Steglitz-Zehlendorf hat am Donnerstag eine Onlinepetition „Schulbauoffensive retten“ gestartet.
Die Sorge dürfte nicht unbegründet sein: Auch die Bezirke hatten bereits protestiert, als sie vor der Sommerpause einen ersten Entwurf der Finanzplanung sahen. Mittes Schulstadträtin Stefanie Remlinger (Grüne) sprach in der taz von Hunderten Schulplätzen im Bezirk, deren Realisierung sich verzögern könnte. Nicht zuletzt angesichts des Ukrainekriegs und der Energiekrise lasten viele Begehrlichkeiten auf dem Landeshaushalt. Am 13. September will der Senat voraussichtlich die Investitionsplanung für 2022–2026 beschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag