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200 Millionen Euro für ProfivereineWer klappert, bei dem klingelt’s

Kommentar von Markus Völker

Im großen Corona-Umverteilungsspiel reklamiert auch der kleine Vereinssport seinen Anteil – zurecht.

Tristesse an der Basis: Schild an einem Sportplatz im nordrhein-westfälischen Kalkheck Foto: dpa

D ie Pandemie, so scheint es, hat den Prozess der Viktimisierung in der Gesellschaft beschleunigt. Das Virus schafft Opfer, deren bemitleidenswerter Zustand in erster Linie vom Staat kuriert werden muss. Die Dringlichkeit ist immens, der Handlungsdruck, Geld von oben nach unten zu verteilen, anscheinend auch. Die Bundesregierung fühlt sich nach Jahren des Sparens und der Schwarzen Null berufen, für alle kurz- und mittelfristigen Folgen der Pandemie aufzukommen.

Der Staat springt ein, wenn Umsätze einbrechen und Kunden nicht mehr kommen. Er gebärdet sich dabei teilweise wie eine überfürsorgliche Nanny, die ihre Schutzbefohlenen nicht aus den Augen lassen kann. Täte sie es doch, würden die lieben Kleinen Unfug anstellen oder schlichtweg untergehen.

Die Nothilfen offenbaren ein merkwürdiges Staatsverständnis, das auf dem Humus eines identitätspolitischen Opferdiskurses gediehen ist. Ohne die prekären Lagen vieler Menschen zu verharmlosen, aber in Zeiten der lockeren Staatsknete kommt es natürlich darauf an, wer die schrillsten Klagelaute von sich gibt oder besonders drastische Schilderungen vom Verfall zeichnet. Wer klappert, bei dem klingelt’s.

Dusche unterm Füllhorn

Der Sport, vor allem der Fußball, hat sich schon immer gut als Opfer der Umstände inszenieren und ebenso gut seine Systemrelevanz behaupten können. Die Kicker, aber nicht nur die, stehen seit Jahrzehnten unter einem Füllhorn der öffentlichen Querfinanzierung. Bereits in der Vergangenheit flossen ungezählte Mittel vom Bund und von den Kommunen in Stadien und Vereine. Die Umverteilung von Steuergeldern lief eh schon wie geschmiert, Corona hat diesen Prozess noch einmal beschleunigt.

Da verwundert es kaum, dass der Präsident des Deutschen Olympischen Sport-Bundes, Alfons Hörmann, den Finanzbedarf von Sportvereinen jetzt bei einer Milliarde Euro ansetzt. Das ist in diesen Wochen des Helikoptergeldes gar nicht mal zu hoch gegriffen, denn warum sollte der Sport zurückhaltend sein, wenn die Schatullen in Berlin geöffnet werden und sich der Finanzminister in Retterpose wirft. Die kleinen Vereine befänden sich im „Wachkoma“, heißt es von der Basis: „Wenn der reguläre Spielbetrieb nicht wieder anläuft, wackelt das ganze System. Dann werden die Mitglieder den Vereinen untreu werden.“

Geld muss her, und das klingt logisch, füllt es doch nicht nur leere Kassen, sondern auch, nun ja, leere Herzen. Sozialer Kitt muss wieder angerührt werden. Vereine, die in der letzten Dekade einen krassen Mitgliederschwund zu verzeichnen hatten, sollen nicht weiter leiden. Das ist verständlich. Allerdings: Warum steht der kleine Vereinssport in Deutschland in der Opferhierarchie nur auf Platz drei?

Zuerst musste der Bundesliga-Fußball hierzulande unbedingt gerettet werden. Die Politik begleitete das Konzept der aseptischen Geisterspiele besonders wohlwollend. In dieser Woche hat die Bundesregierung nun 200 Millionen Euro für Profivereine bereitgestellt. Bedacht werden Sportklubs der ersten und zweiten Ligen im Basketball, Eishockey, Volleyball oder Handball, aber auch Vereine der dritten Fußball-Liga dürfen sich über Corona-Hilfen aus Berlin freuen. Die meisten Klubs ächzen unter der Last der Zwangsruhe.

Diese 200 Millionen Euro kommen spät und entsprechen gerade mal der vierfachen Transfersumme eines Leroy Sané, der von Manchester City zu Bayern München wechselt. Sie sind ein Symbol der Unwucht im deutschen Sportsystem. Oben werden schon wieder ganz gute Geschäfte gemacht, unten wartet man darauf, dass der Wachkoma-Patient irgendwann wieder mit der Wimper zuckt. Der Lockdown hat zu einem Locked-in-Syndrom geführt – mit unklarer Prognose für Patienten an der Basis.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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