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200 Euro bei ArbeitsaufnahmeJobcenter wirbt mit Prämie

Das Jobcenter Dortmund verspricht Erwerbslosen 200 Euro Belohnung, wenn sie einen Job aufnehmen. Dies sei gesetzlich gedeckt.

Neuartiges Marketing für Hartz-IV-Empfänger: Jobcenter Dortmund. Bild: dapd

BERLIN taz | Das Jobcenter Dortmund genießt einen guten Ruf, insbesondere bei den Arbeitslosen. „Beim Fußball spielt Dortmund ganz oben mit. Bei der Beurteilung des Jobcenters durch seine Kunden auch“, hieß es unlängst in einer Presseinformation der Behörde, die stolz darauf verweist, dass sie in einer bundesweiten Umfrage unter den „Kunden“ zur Beliebtheit immerhin den fünften Platz errang.

Doch jetzt wird dem Jobcenter vorgeworfen, in der Kundenfreundlichkeit etwas zu weit gegangen zu sein. „Hartz-IV-Irsinn“, wetterte die Bild-Zeitung, „Job-Center zahlt Geldprämie fürs Arbeiten“. Ein sogenannter Leserreporter hatte das Blatt auf Aushänge und Flyer hingewiesen, die seit September im Jobcenter Dortmund ausliegen und eine Art Guerilla-Marketing betreiben, damit Hartz-IV-Empfänger einen Job annehmen.

„Arbeit aufnehmen und zusätzliches Geld bekommen!“, werben die Handzettel. Das Jobcenter bietet an, den Hartz-IV-Empfängern jede „Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“ mit 200 Euro zu „belohnen“. Außerdem versprechen die Flyer ein „Einstiegsgeld“ von 280,50 Euro bei Aufnahme einer „ungelernten Tätigkeit“. Auch die Reparatur eines Autos soll, wenn dieses für den Job benötigt wird, „mit bis zu 2000 Euro“ bezuschusst werden.

Kosten müssen belegt werden

Die Zahlung von zusätzlichen Aufwandsentschädigungen bei einer Jobaufnahme sei zwar „gesetzlich gedeckt“, sagte dazu eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit der taz. Dies betreffe jedoch Kosten, die nachweisbar im Zusammenhang mit der Arbeit stehen müßten wie etwa Arbeitskleidung, Arbeitsmaterial oder Fahrtkosten. Die Formulierungen im Flyer bezeichnete die Sprecherin als „unglücklich“, weil hier der Eindruck erweckt werde, die Behörde zahle grundsätzlich eine Art Motivationsprämie bei der Jobaufnahme.

Im Paragraphen 44 des SGB III heißt es, Arbeitslose können aus dem „Vermittlungsbudget“ der Agentur für Arbeit bei der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung „gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist“. Die Förderung umfasse die „Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird“. Die Höhe der Förderung ist danach eine Ermessensentscheidung der Sachbearbeiter.

Die Flyer und den Aushang habe man nach dem Artikel in der Bild am Freitag aus dem Verkehr gezogen, sagte Christian Scherney, Sprecher des Jobcenters Dortmund, der taz. Es habe aber bei den Erwerbslosen „verstärkte Resonanz“ auf die Flyer gegeben. Die auf den Handzetteln angegebenen Leistungen würden von den Fallmanagern nach wie vor gewährt, schließlich seien dies gesetzlich gedeckte Leistungen aus dem Vermittlungsbudget. Man prüfe „in der Mehrzahl der Fälle“ auch nach, inwieweit bei der Jobaufnahme tatsächlich konkrete Kosten entstanden seien. Empfänger von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) müssen laut Gesetz in der Regel jeden ihnen angebotenen Job annehmen.

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6 Kommentare

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  • H
    Hans

    Nur noch grotesk!

  • JK
    Juergen K.

    Aus geheimen Quellen habe ich erfahren:

     

    Seit Morgen gibt es keine Arbeitslosen mehr.

     

    Jedenfalls nicht in Dortmund.

     

    Lest Zeitung - dann Wisst Ihr es.

    Morgen

  • RB
    Rainer B.

    Ja gibt's denn plötzlich in Dortmund soviele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, von denen man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann?

     

    Wer mit seinem Arbeitseinkommen bei der Steuererklärung über dem Grundfreibetrag liegt, für den wird Einkommensteuer fällig. Die Kosten für die Arbeitsaufnahme kann er sich bei der Steuer aber anrechnen lassen, sofern der Betrag über der Werbungskostenpauschale liegt. Wer aber nicht das ganze Jahr gearbeitet hat und z.B. Arbeitslosengeld bezogen hat, der kommt in den Progressionsvorbehalt. Dh. das eigentlich steuerfreie Arbeitslosengeld wird bei der Berechnung des individuellen Steuersatzes hinzugerechnet. Nicht selten werden dann Steuernachzahlungen fällig.

     

    Diese "Belohnungen" sind für die Kommune kurzfristig ein Nullsummenspiel. Langfristig wären sie ein Gewinn, sofern die Arbeitsplätze von Dauer sind, was in der Praxis leider selten genug der Fall ist. Für das Jobcenter ist es nur ein Vorwand zur Daseinsberechtigung, denn ein Arbeitsloser, der einen auskömmlichen Job finden würde, bräuchte diese "Belohnung" nicht.

     

    Ich kann es gar nicht oft genug wiederholen - die Jobcenter sind überflüssig, kontraproduktiv und gesellschaftsschädigend. Schafft sie endlich ab!

  • W
    Wolfgang

    Es geht um auskömmlich bezahlte und menschenwürdige Arbeit und nicht um Frau von Leyens (Erbschafts-Millionärin): "hauptsache Arbeit" für jeden Niedriglohn bzw. 'um jeden Preis'.

     

    "Aufstocken", Erwerbsarmut und Altersarmut (Sozialhilfe bzw. Grundsicherung im Alter) ist keine Lösung.

     

    Auch müssten in einer menschenwürdigen Gesellschaftsordnung leistungslose Erbschafts-Millionen und Milliardenvermögen vergesellschaftet werden! Allerdings ist auch die Parlamentsmehrheit ideologisch-gesellschaftspolitisch korrumpiert und materiell gekauft (auch durch wechselseitige Erwartungshaltung zwischen Wirtschaft und Politik)!

     

    Trotz alledem, deutscher Michel, aufwachen!

  • JK
    Juergen K.

    Wenn die Dortmunder jetzt alle bei Opel in Bochum anfangen bekommen die vielleicht auch noch Rabatt.

     

    Und wenn das Konkursbericht bereits die Pfändungsgrenze "eingerichtet" hat,

    erschliesst sich auch niemandem der Sinn.

  • W
    WhiskeyBernd

    Nichts neues eigentlich. Als ich vor 2 Jahren mal arbeitslos war wurde mir genau das selbe vorgeschlagen. Der Witz dabei war nur das der Arbeitgeber auch noch mehrere Hundert Euro Belohnung erhalten hätte.