16,9 Prozent: In Hamburg ist man ärmer

Die Armutsquote steigt in Hamburg stärker als in allen anderen Ländern. Betroffen sind davon vor allem Alleinerziehende, Kinder und Menschen über 50.

Wird immer wichtiger: Mittagstisch im Cafee mit Herz auf St. Pauli. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das ist kein gutes Zeugnis für die SPD-Sozialpolitik: Die Quote der von Armut bedrohten Hamburger stieg 2013 um 2,1 Punkte auf 16,9 Prozent. Sie liegt damit auf dem höchsten Stand für Hamburg seit Erhebung dieser Quote im Jahr 2005 und über dem Bundesschnitt von 15,5. Das brachte jetzt der nationale „Armutsatlas“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zu Tage. „Soziale Gerechtigkeit war im Wahlkampf kein Thema, muss aber in den Koalitionsverhandlungen ganz oben auf der Agenda stehen“, fordert der Hamburger Geschäftsführer Joachim Speicher.

Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hatte noch vor Jahresfrist in einem „Sozialbericht“ für die Stadt ein rosigeres Bild gezeichnet. „Das Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung Hamburgs blieb im Zeitraum 2000 bis 2010 weitgehend unverändert“, heißt es dort. Es habe zwischen 13 und 14 Prozent geschwankt. Während sich im Bundesgebiet eine „leicht steigende Tendenz“ auf 15 Prozent beobachten lasse, habe die Hansestadt „über Jahre hinweg“ eine günstigere Entwicklung zu konstatieren. Allerdings hatte Scheele nur Werte aus 2010 verwandt, obwohl bei Vorstellung des Berichts im Januar 2014 auch schon die Werte für 2011 (14,7 Prozent) und 2012 (14,8 Prozent) bekannt waren.

Mit dem neuen Armutsatlas lässt sich die positive Deutung nicht mehr halten. Am meisten vom Anstieg betroffen sind ältere Menschen zwischen 50 und 65, Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern, niedrig Qualifizierte und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Auch der Anteil der von Armut bedrohten Kinder ist nach einem leichten Rückgang in den vergangenen Jahren mit 23,2 Prozent wieder auf dem hohen Ausgangswert von 2005.

Dazu befragt, wie die Sozialbehörde diese Entwicklung bewertet, erklärt Sprecher Oliver Klessmann, es gebe verschiedene Trends. So sei die Zahl der Hartz-IV-Empfänger 2013 gesunken – von 13,1 auf 12,6 Prozent. Dass bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders betroffen sind, sei „nicht neu“. Doch habe der Senat sich für den Mindestlohn eingesetzt und mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, Integrationsmaßnahmen für Migranten und Unterstützung beim Übergang von der Schule in die Ausbildung „entsprechend gehandelt“.

Als gefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat. 2013 war das für Singles unter 892 Euro der Fall, bei Paaren mit zwei Kindern unter 1.873 Euro.

Erwerbslose sind mit 58,8 Prozent die gefährdetste Gruppe.

Von den Alleinerziehenden sind 39,8 Prozent armutsgefährdet.

Bei den Familien haben Paare mit drei oder mehr Kindern das höchste Risiko (40,7 Prozent), mit einem Kind das geringste (7,8).

Joachim Speicher reicht das nicht. Denn die Armutsquote liege trotz sinkender Arbeitslosigkeit „auf diesem neuen Höchststand“. 39.000 Menschen seien seit zehn Jahren ohne Arbeit und bezögen durchgehend Leistungen nach Hartz IV. „Der neue Senat muss sich auch daran messen lassen, ob er die steigende Armut wieder verringert.“ Die Stadt brauche einen „Masterplan“ dagegen. Dafür solle eine „unabhängige Enquetekommission“ Strategien entwickeln.

Dieselbe Idee findet sich im Programm der Grünen. Spitzenfrau Katharina Fegebank sieht sich durch den Armutsatlas bestätigt. „Armut breitet sich aus, ganz unabhängig von der Konjunktur“, kritisiert sie und verspricht: „Wir wollen, dass sich die Politik in der neuen Legislatur um dieses Thema kümmert.“

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