piwik no script img

106. Tag Kongo-KriegsverbrecherprozessMurwanashyaka ist der Chef

Beim Stuttgarter Kriegsverbrecherprozess belastet Human Rights Watch den FDLR-Milizpräsident Ignace Murwanashyaka schwer.

Schwer belastet: Rebellenchef Ignace Murwanashyaka soll für Kriegsverbrechen im Ost-Kongo verantwortlich sein. Bild: reuters

STUTTGART taz | Der Ruander Ignace Murwanashyaka, der wegen Kriegsverbrechen seiner im Kongo kämpfenden Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in Stuttgart vor Gericht steht, hat kurz vor seiner Festnahme in Deutschland 2009 zugegeben, die Kommandoverantwortlichkeit für die FDLR-Truppen zu haben.

„Ignace Murwanashyaka bestätigte, dass er die Befehle erteilte“, sagte die leitende Kongo-Expertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), Anneke van Woudenberg, am Montag bei ihrer Einvernahme durch den 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart. Sie berichtete von einem vierstündigen Gespräch, dass sie 2009 mit Murwanashyaka als Präsident der FDLR führte.

Human Rights Watch untersuchte damals die Verbrechen, die die FDLR in den Monaten zuvor im Osten der Demokratischen Republik Kongo verübt hatte. Der im Dezember 2009 veröffentlichte HRW-Bericht „You Will Be Punished“ ist die ausführlichste veröffentlichte Darstellung des Rachefeldzuges, mit dem die ruandische Hutu-Miliz im Frühjahr und Sommer 2009 die Zivilbevölkerung in ihren Herrschaftsgebieten überzog, nachdem sie durch eine Armeeoffensive aus zahlreichen Stellungen vertrieben worden war.

Die Anklage in Stuttgart macht FDLR-Präsident Murwanashyaka als „Rädelsführer“ für diese Verbrechen verantwortlich. Murwanashyaka wurde ebenso wie sein ebenfalls in Deutschland lebender Vize Straton Musoni im November 2009 verhaftet. Die beiden stehen seit Mai 2011 vor Gericht.

Murwanashyaka erteilte die Befehle

„Ignace Murwanashyaka sagte sehr klar, dass er oberster Befehlsgeber war“, erinnert sich Van Woudenberg an ihr Treffen mit Murwanashyaka in einem Mannheimer Café am 10. August 2009. Sie fragte nach seinem Verhältnis zum obersten Militärführer der FDLR im Kongo, General Sylvestre Mudacumura – die Verteidigung in Stuttgart geht davon aus, dass dieser unabhängig vom FDLR-Präsidenten Murwanashyaka agierte.

„Mudacumura war militärischer Kommandeur und am nächsten an den Verbrechen; ich fragte nach der Hierarchie zwischen Murwanashyaka und Mudacumura“, erinnert sich die Menschenrechtsaktivistin. „Murwanashyaka sagte, dass er Mudacumura Befehle erteilte, und nicht umgekehrt“.

In bisherigen Zeugenaussagen war offen geblieben, worüber die beiden genau sprachen, wenn sie per Satellitentelefon kommunizierten – FDLR-Präsident Murwanashyaka in Mannheim, FDLR-Militärchef Mudacumura in den ostkongolesischen Bergen.

Zuletzt hatte Ende September ein ehemaliger Kommandeur der FDLR-Militärpolizei ausgesagt, Befehle an die Truppen im Kongo seien von Mudacumura gekommen. Der habe aber Murwanashyaka telefonisch Bericht erstattet. Von diesem seien lediglich „politische Botschaften“ gekommen.

Drohungen mit Massakern und Vergewaltigungen

Anneke van Woudenberg sagte weiter aus, sie habe in Mannheim Murwanashyaka eine Reihe von Drohbriefen der FDLR an die Bewohner einzelner kongolesischer Dörfer vorgelegt, die HRW im Kriegsgebiet gesammelt hatte. „Es waren Drohbriefe nach dem Motto: Wenn die Zivilisten nicht taten, was ihnen gesagt wurde, würden sie bestraft.“ Zu den „Strafen“ gehörten Massaker und Vergewaltigungen.

„Nach der Diskussion über die Massaker und Briefe fragte ich ihn erneut, ob er Befehlshaber sei“, so van Woudenberg. „Ich fragte Murwanashyaka, ob er die Befehle dazu gab. Murwanashyaka versuchte nun, seine Rolle zu minimieren, und sagte, dass für Feldoperationen Mudacumura zuständig sei.“ Der FDLR-Präsident habe einen erschütterten Eindruck gemacht. Ob er über die Briefe erschüttert war oder ob er nun ahnte, was ihm juristisch blühte, blieb offen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!