100 Tage Grün-Rot in Baden-Württemberg: Aus Liebe wird Alltag

Die baden-württembergischen Regierungschefs von Grünen und SPD ziehen ein positives 100-Tage-Fazit. Doch der Dauerstreit über Stuttgart 21 verhagelt die Bilanz.

Eitel Sonnenschein - wenn da Stuttgart 21 nicht wäre. Bild: reuters

STUTTGART taz | Es wirkt wie eine standesamtliche Trauung im Freien: Zu ihrem Auftritt knapp hundert Tage nach Amtsantritt ließen sich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Nils Schmid (SPD) an einem weiß gedeckten Tisch nieder und zogen eine positive Bilanz des Starts der ersten grün-roten Regierung. So als wollten die beiden Regierungschefs noch einmal an ihre Worte zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen erinnern: Es sei eine Liebesheirat. Doch längst schon hat es die ersten Ehekräche gegeben.

Darüber redeten Kretschmann und Schmid allerdings nur spärlich. Während sie das große Streitthema Stuttgart 21 nur am Rande erwähnten, betonten sie lieber die "wichtigen Akzente", die zu Beginn der Koalitionszeit gesetzt worden seien. Sie wiesen auf den Erfolg des Nachtragshaushalts hin, das neu geschaffene Integrationsministerium, darauf, dass es mehr Windräder gebe und mehr Bürgerbeteiligung, und schließlich natürlich auf die gute Stimmung innerhalb der Koalition. "Ich bin der Überzeugung, dass wir gezeigt haben, dass wir einen Politikwechsel einleiten", sagte Kretschmann.

Die Schlagzeilen aus den ersten 100 Tagen vermittelten allerdings ein anderes Bild. Statt von "wichtigen Akzenten" und "guter Stimmung" war da die Rede von "Dauerstreit" und "Gefährdung der Koalition" - und damit war fast immer Stuttgart 21 gemeint. Die Auseinandersetzungen über den geplanten Tiefbahnhof in der Landeshauptstadt hat alles, was Kretschmann und Schmid gern in den Vordergrund rücken wollten, überschattet.

Der Preis direkter Demokratie

"Sicherlich belastet so etwas eine Koalition", sagte Ministerpräsident Kretschmann. "Aber das wussten wir vorher." Eine endgültige Befriedung der Situation soll die geplante Volksabstimmung Ende des Jahres bringen. Diese wolle beide Parteien in jedem Fall akzeptieren. "Das Volk hat bei einer Volksabstimmung das letzte Wort - und daran muss man sich dann halten", so Kretschmann. Das sei eben der Preis der direkten Demokratie.

Die Opposition wirft der Landesregierung vor, sich in den ersten hundert Tagen vor allem mit sich selbst beschäftigt zu haben. "Grün-Rot ist gelähmt vom internen Streit über Stuttgart 21, und deshalb steht die gesamte Regierung Kretschmann für Stillstand", sagte der CDU-Landeschef Thomas Strobl.

Zufrieden zeigt sich hingegen der Naturschutzbund (NABU). "Kretschmanns Mannschaft hat sich ordentlich warm gespielt und gute Szenen gezeigt, jetzt müssen Tore fallen", sagte der Landesvorsitzende Andre Baumann. Alles in allem könne sich die Bilanz in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit nach 100 Tagen sehen lassen. "Vor allem wenn man sie mit den vergangenen 20.000 schwarzen Tagen unter einer CDU-Regierung vergleicht."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.