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100 Tage De Maizière im neuen AmtDer Anti-Guttenberg

100 Tage Schonfrist für Thomas de Maizière sind abgelaufen. Der Verteidigungsminister hört viel Lob, doch seine großen Bewährungsproben kommen noch.

Beliebt: Thomas de Maizère genießt parteiübergreifendes Vertrauen. Bild: dpa

BERLIN taz | Als Thomas de Maizière Ende Mai dem Bundeskabinett die Nachricht des ersten toten deutschen Soldaten seiner Amtszeit in Afghanistan überbringen musste, spürte man einen deutlichen Unterschied zu Vorgänger Guttenberg, berichten Teilnehmer. Der neue CDU-Verteidigungsminister blieb ruhig, sachlich, er wirkte aufrichtig berührt.

Er bat die Kabinettsmitglieder, die Nachricht intern zu halten, weil sein Haus die Angehörigen telefonisch noch nicht erreichen konnte. „Die sollen es nicht aus dem Radio erfahren“, sagte de Maizière. "Da war kein schleimiges Pathos zu spüren", heißt es aus Teilnehmerkreisen im Rückblick. "Guttenberg gab auch im Kabinett immer Pressestatements ab."

In dieser Woche ist Thomas de Maizière seit 100 Tagen Verteidigungsminister. Keine allzu leichte Aufgabe: CSU-Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg wurde respektiert im Ausland, gefeiert vom Boulevard, vergöttert von den Soldaten. Denn Guttenberg wusste mit großer Geste und glänzenden Fotos die Aufmerksamkeit auf Afghanistan und das Militär zu lenken. Das gefiel.

De Maizière arbeitet im Stillen

De Maizière ist anders. Er ist so, wie er im Kabinett die tragische Nachricht des toten Soldaten vermittelte: ruhig und bedacht. Die Zeit der großen Auftritte ist vorbei, er arbeitet im Stillen, seit er sein Amt nach der Plagiatsaffäre um Vorgänger Guttenberg im März angetreten hat. Er feiert die Verteidigungspolitik nicht, er organisiert sie.

Es sind große Aufgaben, die er übernommen hat. Die Bundeswehrreform kommt, die Wehrpflicht ist bereits ausgesetzt. Und aus Afghanistan sollen trotz schwieriger Sicherheitslage bis Ende des Jahres die ersten Soldaten abziehen. Bis dahin drohen weitere deutsche Opfer. Allein in den vergangenen Wochen starben vier Soldaten.

Bei der Bundeswehrreform muss de Maizière eine Reduzierung der Truppenstärke von 220.000 auf bis zu 185.000 Soldaten umsetzen und über die Zukunft der rund 400 Bundeswehrstandorte entscheiden. Bereits jetzt hat in den Bundesländern das Ringen begonnen, denn Kasernen sind echte Wirtschaftsfaktoren.

Gespanntes Warten auf die neuen Pläne zur Bundeswehrreform

Doch de Maizière muss bis 8,3 Milliarden Euro bis 2015 sparen, es wird Kürzungen bei den Standorten geben. Insbesondere in Bayern - dort gibt es bundesweit die meisten Kasernen - schaut man deshalb mit Skepsis auf die Pläne, die de Maizière im Herbst verkünden will. Trotzdem: "Wenn es einer schafft, dann er", heißt es aus Regierungskreisen. Der Minister profitiere schließlich von den Netzwerken aus seiner Zeit als Merkels Kanzleramtsminister der großen Koalition.

De Maizière ist ein Phänomen in der Bundesregierung. Es gab wohl kaum jemals einen Minister, dessen Arbeit von Regierungs- und Oppositionspolitikern gleichermaßen geschätzt wird. Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff lobt, der neue Minister habe sich „in kürzester Zeit eingearbeitet“. Er habe "Ruhe in die Bundeswehr gebracht", man arbeite "ganz ausgezeichnet zusammen". Hoff: "Ein Kontrastprogramm zu Guttenberg."

Und selbst SPD-Mann Hans-Peter Bartels findet viele positive Worte für den ehemaligen Innenminister: Sehr professionell sei er. Man spüre bei de Maizière zudem echtes Interesse an Themen und habe das Gefühl, dass er diese wirklich diskutieren wolle, statt es nur anzukündigen. "Wir vermissen den alten Minister nicht", sagt Bartels.

Dennoch: Das Amt des Verteidigungsministers ist auch für ihn persönlich risikoreich. Der Afghanistaneinsatz verliert zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung, mit jedem neuen Anschlag nimmt er weiter ab. 52 tote und 190 verwundete Soldaten sind die Zwischenbilanz seit Beginn des Einsatzes. Ende des Jahres sollen die ersten Soldaten das Land verlassen, bis 2014 sollen die Kampfhandlungen der Bundeswehr beendet sein.

Dass bis dahin gerade die USA volles Engagement von de Maizière erwarten, machte der oberste US-Militär am Donnerstag in Berlin deutlich: "Deutschland ist einer der bedeutendsten Alliierten der USA", sagte Admiral Mike Mullen, "ich danke für die kontinuierliche Unterstützung in Afghanistan." Das konnte man als bloßen Dank verstehen. Oder aber als Aufforderung, dies nicht so schnell zu ändern.

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6 Kommentare

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  • N
    Nils

    Der Mann macht seriöse und im Rahmen seines Amtes vernünftige Arbeit.

     

    Guttenberg war ein schmieriger Selbstinszenierer, der Fleiß, Anstand und Ehre - also Werte, für die er und seine Partei immer so gerne stehen wollen - mit Füßen getreten hat, der sich mit Hilfe der Soldaten am Hindukush als Kämpfertyp und Macher inszenieren konnte, der die Bundeswehrreform als einen Trümmerhaufen hinterlassen hat, und um seines eigenen Kopfes willen mehrere seiner Untergegeben als Sündenböcke hat hinrichten lassen.

     

    Für die Bundeswehr ist der Abgang Guttenbergs eine Erlösung, und die Arbeit de Maizieres ein Gewinn.

     

    Wer die Bundeswehr ablehnt, der darf gerne auf demokratischem Wege versuchen, die politischen Verhältnisse hier und weltweit so zu verändern, dass Militär überflüssig wird. Und bis es soweit ist und die Verhältnisse nicht geschaffen wurden, solange finden wir uns bitte mit der Realität ab und unterstützen die Soldaten darin, den Auftrag zu erfüllen, den ihr unsere designierten Häupter auferlegt haben. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Soldaten nicht gerne in Afghanistan sind, aber sie machen ihren Job genauso pflichtbewußt, wie alle anderen Staatsdiener auch. Dafür bezahlen wir sie. Wer gegen unsere designierte Regierung ist, sollte nicht den Fehler machen, dafür Polizisten und Soldaten zu beschimpfen. Dann schon eher diejenigen, die die Parteien wählen, die Polizisten und Soldaten für unlautere Zwecke missbrauchen.

     

    Sollte dann die Abschaffung der Bundeswehr tatsächlich mal breiter Konsens sein, gebe ich zu bedenken: Auch sozialistische Staaten sollten wehrhaft sein.... gerade die, denn die haben von der Weltpolitik am meisten zu befürchten.

  • V
    vic

    Ich finde das muss jetzt mal genügen. Genug gelobt.

    Dieser Mann ist gefährlich, wo Guttenberg nur armselig und lächerlich war.

    Aber bitte, lasst euch überraschen.

  • D
    dielendieb

    Eines der folgenden Zitate ist nicht von Thomas. Weißt Du, welches?

     

    "Streitkräfte müssen sich auf diese veränderte Wirklichkeit einstellen. Sie müssen vielseitiger sein, schneller verlegbar und in der Lage, einen militärisch wirksamen Beitrag zu leisten, der unserem, Deutschlands politischem Gewicht angemessen entspricht."

     

    "Unsere Interessen und unser Platz in der Welt werden wesentlich von unserer Rolle als Exportnation und Hochtechnologieland in der Mitte Europas bestimmt. Daraus folgt: Wir haben ein nationales Interesse am Zugang zu Wasser, zu Lande und in der Luft."

     

    "Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften."

     

    "Streitkräfte sind ein unentbehrliches Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes. Streitkräfte bilden das Rückgrat für die Sicherheit und den Schutz Deutschlands und seiner Bürger. Nur mit Streitkräften kann die Androhung und Durchsetzung militärischer Gewalt im Rahmen des geltenden Völkerrechts überhaupt erfolgen."

     

    "Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unsern Platz an der Sonne."

  • V
    vic

    Guttenberg ging im Maßanzug zu Bett, de Maiziere mit dem Stahlhelm. Schwer zu sagen, welchen der Beiden man sich als Kriegsminister wünscht.

    Ich denke, Guttenberg war nicht ganz der Extrem-Militarist wie de Maiziere, aber das ist nun nicht mehr so schnell zu ändern.

  • DL
    Daniel Lücking

    "Denn Guttenberg wusste mit großer Geste und glänzenden Fotos die Aufmerksamkeit auf Afghanistan und das Militär zu lenken. Das gefiel."

     

    Herr Repinski, nun aber bitte nicht die Folgefragen vergessen. Warum kam Guttenberg so gut bei den Soldaten an?

  • BD
    bernd d brot

    "töten und sterben" gehören dazu sagte er .... dafür Lob? Ist das wirklich Neu?

     

    das Nichtprofil der Taz finde ich traurig