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1. FC Köln in der KritikGanz ohne Deckung

Der Fußballprofi Kevin Pezzoni wurde von den eigenen Fans gemobbt. Sein Klub, der 1. FC Köln, hat ihn nicht geschützt – und wurde so Mittäter.

Kevin Pezzoni wurde zum Buhmann und Sündenbock. Bild: dapd

Kevin Pezzoni war als Cowboy unterwegs, als ihm ein Mann im Bodybuilderkostüm in einem Festsaal in Köln-Hürth gegenüber trat und eins auf die Nase gab. Der Cowboy fiel um. Die Nase war gebrochen, die Stimmung am Karnevalssonntag dahin.

Was jetzt allerorten als Beginn der Causa Pezzoni gedeutet wird, war wohl ein simpler Beziehungsstreit: Ein Kumpel des Exfreundes von Pezzonis Begleiterin soll den Profi des 1. FC Köln umgehauen haben. Aber auch so war der zu diesem Zeitpunkt ziemlich formschwache Pezzoni ins Fadenkreuz der FC-Fans geraten.

Er wollte in der Winterpause weg vom Chaosklub, hin zu einem seriösen Verein. Doch der Wechsel scheiterte. Pezzoni war aber nicht nur wegen seiner absolut legitimen Wechselabsichten nicht wohlgelitten bei den Fans, sie hielten ihn generell für einen schlechten Verteidiger.

„Kevin ist halt Kevin. Solange die Trainer nicht begreifen, dass er für Fußball nicht geschaffen ist, werden wir ihn weiterhin bewundern dürfen, wie er uns Punkte kostet“, lautet ein Eintrag in einem Fan-Forum.

Übliche Geschäfte und Problemchen

Halten wir also fest: Ein Spieler möchte zu einem anderen Verein gehen, und er zeigt nicht die Leistungen, die Fans von ihm erwarten. Das ist nicht ungewöhnlich. Das passiert in der Bundesliga dutzendfach. Es handelt sich um übliche Geschäfte und Problemchen.

Aber warum wurde Kevin Pezzoni, ein 23-jähriger Kicker, der mit 15 zu den Blackburn Rovers in deren Jugendakademie gegangen war, zum Buhmann und Sündenbock? Warum wollten ihn Fans auf Facebook „platt machen“? Warum wurde sein Auto beschmiert, warum wurde er konsequent ausgepfiffen, und warum besuchte ihn ein Sturmtrupp zu Hause?

Es hat wohl sehr viel mit dem maroden Klub 1. FC Köln zu tun, der nicht nur sportlich in die Zweitklassigkeit abgerutscht ist. Präsidium und Vereinsführung – und wohl auch der damalige Trainer Stale Solbakken – hatten derart an Autorität eingebüßt, dass sich nicht nur Spieler Eskapaden sonder Zahl erlaubten.

Auch radikale Fans, die für sich reklamieren, den Verein besser zu vertreten als die Anzugträger, stießen in ein gefühltes Machtvakuum hinein und maßten sich unglaubliche Dinge an. Zum „Wohle“ ihres Vereins, wie es nicht selten heißt, waren sie bereit, die Grenze zum strafrechtlich relevanten Bereich zu überschreiten.

Die Vereinsführung schaute dem Treiben merkwürdig passiv zu. Sie war wohl trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht unfroh, dass Pezzoni von sich aus das Handtuch warf und seinen Vertrag vor Ende der Transferperiode beendete. Er ist jetzt arbeitslos.

Lawine des Hasses

Pezzoni ist ein Opfer. Über ihn ist eine Lawine des Hasses niedergegangen, die ihn psychisch erstickt hat. Kein 23-Jähriger kann damit umgehen, auch wenn er Wochenende für Wochenende vor 40.000 Menschen spielt und in gewissem Sinne medienerfahren ist. Doch auf dem Täterbild, das derzeit in den Medien gezeichnet wird, fehlen oftmals die Grauschattierungen.

Die Hetze der Fans ist unerträglich, klar, aber warum ließ die Vereinsführung des 1. FC Köln die Sache eskalieren? Warum setzte man nicht früh ein Zeichen und bekannte sich offensiv zu seinem Spieler? Man hätte Kevin Pezzoni früher schützen können, wenn nötig Anzeige erstatten und juristische Mittel ausschöpfen. Oder wollte man sich in Köln doch nicht gegen die geballte Fanmasse stellen, die ihn für eine Lusche hielt? War man gar zu der Überzeugung gekommen, Pezzoni sei verzichtbar für den FC und könne entsorgt werden?

Mit Befindlichkeitsrhetorik, die jetzt auch von Vereinsseite gepflegt wird, ist jedenfalls nicht viel gewonnen. Wichtiger ist vielmehr, dass der Vereinsvorstand klar macht, was den Fans erlaubt ist und was nicht. Das ist wie in der Schule. Steht ein überforderter Lehrer vor den Schülern, werden Grenzen ausgetestet. Dann wird gemobbt und gelärmt – und der Lehrer nicht mehr ernst genommen. So gesehen ist Kevin Pezzoni das mehr oder weniger zufällige Opfer eines zerrütteten Verhältnisses zwischen Verein und Fans geworden.

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7 Kommentare

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  • TW
    the whole truth

    @Malte ( oder Thorben?)

    Dass die Fangewalt, wie ich es schon beschrieben habe, in letzter Zeit mehrheitlich von den sognannten FC-Fans ausging, kann doch nicht bestritten werden, das wäre lächerlich. Ist auch nicht dem Spieler Kadlec aus Leverkusen zusammengetreten werden - von Kölner Fans. Jetzt sich noch rausreden wollen, dass anderswo auch mal was passiert sei, das ist wiederum dilletantische Kölner Verteidigungstatik..

    Klüngel bei Themen wie Müllverbrennung und Kölner Sparkasse usw. usf. , verfehlte Verkehrspolitik (Nord-Süd), usw. usf. in Köln "wollen" sie eben was Besonderes sein und sind es auch: feministische Homohauptstadt mit verfehlter Integrationspolitik, wenn überhaupt - dann ausschliesslich zum Feiern geeignet..

     

    Köln wird deutschlandweit belächelt und es kann einem schon leid tun.

  • M
    Malte

    @Möp: Na, Sie behaupten aber ziemlich viel. Ist ja ein Wunder, dass ich bislang unbeschadet in Köln wohnen konnte. Und das auch noch in Ehrenfeld.

     

    Wie darf ich mir denn Ihr Karnevalserlebnis vorstellen? Sind Sie "Ich-hasse-den-Kölner-Karneval"-schreiend an Weiberfastnacht durch die Altstadt gelaufen? Oder haben Sie mit einem besoffenen Pandabären über den Mangel an Anspruch dieses Festes diskutiert?

     

    Aber mal zum Thema:

     

    Dass die Vorfälle und Straftaten im FC-Umfeld verfolgt werden müssen, und dass sich in der Fanszene einiges tun muss, ist unbestritten. Dass der Vorstand versagt hat, sehe ich nicht so. Er hat dem Wunsch des Spielers entsprochen, er hat Anzeigen gegen die Facebook-Nutzer gestellt, die dort rumgehetzt haben und er steht Pezzoni anscheinend auch jetzt juristisch zur Seite. Das hätte vielleicht alles etwas transparenter kommuniziert werden können oder sollen - daraus aber direkt ein Versagen zu machen, wie es viele Zeitungen kommentieren, halte ich für Quatsch. Was hätte der Vorstand tun sollen? Pezzonis Vertrag gegen seinen Willen aufrechterhalten oder Bodyguards vor seine Haustür beordern?

     

    Übrigens: Ist das eine Tatsache, dass FC-Schläger Pezzoni an Karneval die Nase gebrochen haben? Hatte was von Beziehungs-Prügelei gelesen.

     

    Was mich generell stört: Auf einmal wird aus dieser Fangewalt- eine FC-Gewalt-Debatte. Dass die FC-Schläger anscheinend zu den besonders aktiven Idioten gehören, muss ich wohl so hinnehmen. Aber Vorfälle gab es (gerade in der vergangenen Saison) genug. (Frankfurt, Hertha/Düsseldorf, Karlsruhe etc.)

     

    Achja: Und die Sache mit den besseren Fleckchen Erde. Was haben Sie denn dagegen, Möp, dass es Menschen gibt, die gerne in ihrer Stadt leben? Fragen Sie mal Münchner oder Berliner, die finden ihre Städte meiner Erfahrung nach auch nicht so ganz verkehrt. Und Leverkusen...also, nee. Wenn Sie Köln schon für eine Pseudomillionenstadt halten...

  • TW
    the whole truth

    Im Trainingslager in Österreich werden Leute von "Kölner Fans" grundlos krankenhausreif geschlagen, eine Autobahnraststä­tte wird überfallen, Gladbachfans werden auf der Autobahn verfolgt und attackiert, Kanonenschläge werden auf Polizisten in Freiburg geworfen, Polizisten werden nach einem Sieg gegen Bayern vor dem Station halbtot geschlagen, sind das die echten Kölner Fans? Da darf man sich doch über die Angelegeheit mit Herrn Pezzoni doch gar nicht mehr wundern.

     

    Nicht nur der FC ist wegen seiner Fans - sondern Köln insgesamt zu bemitleiden.

  • SA
    Sascha Adolph

    In den letzten Tagen hat man ja bereits eine Menge unqualifizierten und nicht minder reißerischen Unsinn zum Thema Pezzoni lesen können...

     

    Was sich Ihr Redakteur, Herr Völker hier allerdings erlaubt hat, spottet jeder Beschreibung.

     

    Den Verein als tatenlos zusehenden Hauptschuldigen an den Pranger zu stellen und ihm obendrein eine Mittäterschaft zu unterstellen, sprengt nicht nur alle Grenzen des guten Geschmacks, sondern erfüllt bereits den Tatbestand einer Verleumdung.

     

    Es mag ja sein, dass die taz mittlerweile immer weniger Leser findet, die sich von Ihrem einst romantisch-verklärten Blick auf die Welt hinterm Ofen hervorlocken lassen......aber die Lösung darf doch nicht die sein, Ihren journalistischen Klassenfeind von einst, mit Hupen und Fanfaren auf der linken Spur überholen zu wollen.

  • UJ
    Uwe John

    Was für ein Zeichen soll man setzen, wenn man von nichts weiß? Viele Spieler werden kritisiert und auch mal verbal angegangen. Vor allem wenn es schlecht läuft. Entgegen anders lautender Pressemeldungen, fuhr die Polizei auch nie gesondert Streife vor Kevin Pezzonis Haus. Der Spieler wollte unbedingt weg, unabhängig von irgendwelchen Idioten die ihn vor seinem Haus beleidigt haben.

    Nur weil der Herr Fussballprofi ist, ist er noch lange kein Heiliger. Trotz Arbeitslosigkeit hat er nun mehr Geld bekommen, als so mancher in seinem Leben verdient. Dumm ist die Familie Pezzoni jedenfalls nicht.

  • T
    Taz

    man mag vom FC halten was man will - ich selber finde die Darstellung gewisser Personen aus dem vermeintlichen FC-Umfeld auch unerträglich - aber das FC bashing nervt auch nur noch. Der Fall Pezzoni ist eine Katastrophe, aber es ist nicht neu. Solche Anfeindungen hat es auch schon früher gegeben, bei anderen Vereinen. Das macht es nicht besser, aber es ist auch kein Sonderfall, sondern ein allgemeines Problem der Gesellschaft, nicht das eines einzelnen Fußballvereins.

  • M
    Möp

    Dieses Exempel ist symptomatisch für die ach so tolerante Stadt Köln, in der man schon fast verprügelt wird, wenn man mit dem Karneval in der kölschen Version nichts anfangen kann, wobei das noch Abends um 22Uhr war.

     

    In dieser Stadt leben Menschen, die ernsthaft glauben das dieser Fleckchen Erde wirklich irgendwas besseres wäre und dementsprechend nichtmal bis Leverkusen gucken können.

     

    Würde eher behaupten das diese Episode schon früher mit Sicherheit in ähnlicher Form gelaufen ist, ohne das es medial einen Aufschrei gegeben hätte. Damit soll übrigens nicht das Versagen der Vereinsführung beschönigt werden. Die Pseudo-Millionenstadt hat eben die Einwohner, die sie verdient.