: ... UND NICHT VERGESSEN
■ „Teatro Nucleo“ zeigt „Sogno di una cosa“ in der UFA-Fabrik
Wer ist Rosa Luxemburg? So verschiedene Bilder wurden uns schon je nach dem Geist der Zeit und der Bewegung von ihr vorgestellt, daß man glauben könnnte, es handele sich nicht um ein und dieselbe Person. Wußten die Linksradikalen in ihrer „spontaneistisch“ rätekommunistischen Theorie noch das eigentlich radikale Gegenkonzept zum „demokratischen“ Kapitalismus, hinderte das den Parteikadaver so wenig, sie (bzw. ihr Bild) in seiner Ahnengalerie aufzuhängen, wie den Reformer, den von ihr geforderten „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ mit seiner humanen Behandlung des Kapitalismus zu verwechseln; schließlich kam Rosa, die Frau und Revolutionärin, und - medienwirksam - die Frau, die, obwohl Revolutionärin, so seltsam sensibel und - wiederum menschlich war. Als äußerte sich die Sensibilität der Revolutionärin nicht gerade in ihrer Forderung, ein System, das den Menschen entfremdet und erniedrigt, abzuschaffen.
Ein Theater, das sein Spiel ernst nimmt, muß sich darin mit dem ganzen Menschen auseinandersetzen. So zeigt das Ferraser „Teatro Nucleo“ in seinem Stück „Sogno di una rosa“ (Traum von einer Sache) Rosa Luxemburg die Theoretikerin, die Agitatorin, die Liebende. Ein historischer Augenblick, der alle Vorgeschichte in sich wieder aufleben läßt: die fehlgegangene Novemberrevolution, der Spartakusaufstand, die letzten Momente vor Rosa Luxemburgs Verhaftung und Ermordung. Die Zeit verdichtet sich in den Raum oder die Räume, in denen sich die Verfolgte verborgen hält, umgeben von ihren Genossen: der Freundin Mathilde, dem Lebengefährten Leo Jogiches, dem jugendlichen Verehrer Kostja, schließlich Radek. Soll sie fliehen oder sich der Gefahr stellen: Persönliche Probleme werden politisch, politische persönlich. Erinnerungen an die tiefsten Liebesaugenblicke, wie an die Qual des Gefängnisses scheinen auf, drohende Resignation fordert Ermutigung, der bewaffnete Straßenkampf Entscheidung. Diese Frage entzweit die Gefährte, läßt sie isoliert voneinander scheiden.
Das Stück tritt aus der realistischen Darstellung heraus. Die enge, zwischen uns gelegene Bühne, auf der das Spiel stets von allen Akteuren getragen wird, ist nicht nur der Aufenthaltsort der Flüchtenden, sondern auch der Raum, in dem ihre Erinnerungen und Gedanken sichtbar werden. So verkörpert Kostja eine vergangene, nur erinnerte Liebe, Radek eine konträre politische Position (hier wäre man allerdings gerne informiert worden, ob Radek wirklich etwas von der Intrigantenrolle hatte, die ihm im Stück zukommt, oder ob sie ihm bloß angedichtet wurde). Deutliche Metaphern: die Idee Rosa Luxemburgs ein Buch, das darüberfließende Blei der Sieg der Waffen der Reaktion. Gefühle werden körperlich dargestellt oder äußern sich in einem eindringlichen Lied.
Ein subjektiv interpretierendes, gefühlsgeladenes Schauspiel, das jedoch gerade in seiner Subjektivität seinen Inhalt erkennbar und fühlbar werden läßt und uns hilft, diesen „Traum von einer Sache“ nicht zu vergessen.
glagla
„Teatro Nucleo“ tritt am 25./26.6., 20Uhr, in der UFA-Fabrik auf.
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