+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Frankreich für mehr Militärhilfe
Heftige Kämpfe bei Charkiw. Wegen der russischen Angriffe wird in der Ukraine der Treibstoff knapp. Russland will seinen Handel mit China ausweiten.
Berichte: Merz will am Montag nach Kiew reisen
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will Berichten zufolge am Montag in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen. Zuerst hatte die Bild am Samstag berichtet, eine Quelle nannte die Zeitung nicht. Der Berliner Tagesspiegel meldete unter Berufung auf Partei- und Sicherheitskreise ebenfalls, dass Merz nach Kiew reisen werde. Eine CDU-Sprecherin bestätigte auf Anfrage die Reisepläne nicht.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar sind nur wenige deutsche Spitzenpolitiker in das Land gereist. Mitte April waren die Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa – Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) – in der westukrainischen Stadt Lwiw. Einen Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Kiew hatte die ukrainische Regierung abgelehnt und zugleich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eingeladen. (dpa)
Macron telefoniert mit ukrainischem Staatschef Selenskyj
Frankreich will seine militärische und humanitäre Hilfe für die Ukraine weiter verstärken. Das sagte Staatschef Emmanuel Macron am Samstag dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat zu, wie der Elysée-Palast mitteilte. Demnach unterstrich der vor einer Woche wiedergewählte Macron, dass er sich in seiner zweiten Amtszeit für „die Wiederherstellung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine“ einsetzen wolle.
Selenskyj dankte Macron den Angaben zufolge für die „großangelegten“ französischen Lieferungen, die „zum ukrainischen Widerstand“ gegen die russischen Invasionstruppen beitrügen.
Macron sagte laut Elysée-Palast dem ukrainischen Präsidenten auch zu, dass französische Experten „im Kampf gegen Straflosigkeit“ ihre Mission zur Sammlung von Beweisen für Kriegsverbrechen „im Kontext der russischen Aggression“ fortsetzen würden. Die Situation in der von der russischen Armee eingekesselten Hafenstadt Mariupol in der Südukraine nannte Macron „unerträglich“.
Frankreich, die USA, Tschechien und weitere westliche Länder unterstützen die Ukraine im Kampf gegen die russische Offensive im Donbass inzwischen auch mit schwerer Artillerie. Aus Frankreich kommen unter anderem Caesar-Haubitzen.
Die bisherige humanitäre Hilfe Frankreichs für die Ukraine umfasst nach Angaben des Elysée-Palasts mehr als 615 Tonnen an Sachleistungen, darunter medizinische Ausrüstung, Generatoren für Krankenhäuser, Nahrung, Rettungsfahrzeuge und Material für Schutzunterkünfte. (afp)
Drei weitere Leichen mit gefesselten Hände nahe Butscha entdeckt
In der Nähe des Kiewer Vororts Butscha sind nach Polizeiangaben weitere drei Leichen mit gefesselten Händen entdeckt worden. Die Leichen der drei Männer seien in einer Grube des Dorfs Myrozke gefunden worden, teilte der Polizeichef der ukrainischen Hauptstadt, Andrij Nebytow, am Samstag mit. Sie wiesen demnach Schussverletzungen an verschiedenen Körperteilen auf.
Die Augen der drei Männer waren laut Nebytow verbunden, auch seien „einige“ geknebelt gewesen. Die Leichen tragen nach Angaben des Polizeichefs die Spuren von langer Folter. Jeder der Männer sei schließlich mit einem Schuss in die Schläfe getötet worden.
„Nach den bisherigen Erkenntnissen haben die Besatzer versucht, die Spuren ihrer Gewalttaten zu verbergen“, erklärte Nebytow. Deshalb hätten sie die Leichen in eine Grube geworfen und mit Erde bedeckt.
Butscha ist zum Synonym für mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in ihrem Angriffskrieg gegen die Ukraine geworden. Der Vorort stand rund vier Wochen lang unter Kontrolle russischer Truppen, bevor sie Ende März wieder abzogen. Danach wurden nach Polizei-Angaben in Butscha und Umgebung etwa 400 Leichen entdeckt, unter anderem in zwei Massengräbern. Während internationale Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen laufen, bestreitet Moskau jede Verantwortung für diese Tötungen. (afp)
Finnischer Präsident will Nato-Position bis zum 12. Mai verkünden
Der finnische Präsident Sauli Niinistö will schon bald seinen eigenen Standpunkt in der Frage nach einer möglichen Nato-Mitgliedschaft seines Landes bekanntgeben. Er habe vor, seine Nato-Position spätestens am 12. Mai zu präsentieren, sagte Niinistö in einem am Samstag veröffentlichten Interview der Zeitung Ilta-Sanomat. An dem Tag tagen die finnischen Parlamentsfraktionen. Zwei Tage danach beabsichtigt auch die sozialdemokratische Partei von Ministerpräsidentin Sanna Marin, ihren Standpunkt darzulegen. Einen Entschluss zu einem möglichen finnischen Nato-Antrag treffen der Präsident und die Regierung letztlich gemeinsam.
Sowohl Niinistö als auch Marin haben ihre Position in der durch den Ukraine-Krieg neu entfachten Nato-Debatte noch nicht offengelegt. Vieles deutet aber darauf hin, dass Finnland in den kommenden Wochen eine Aufnahme in das Verteidigungsbündnis beantragen könnte. Dabei stimmt sich das nordische EU-Land eng mit seinem Nachbarn Schweden ab, der ebenfalls bislang zwar Nato-Partner, nicht aber Mitglied der Allianz ist. Außenminister Pekka Haavisto hatte zuletzt am Freitag bei einem Besuch seiner schwedischen Kollegin Ann Linde in Helsinki gesagt, es sei sehr wichtig, dass die beiden Länder Entscheidungen „in die gleiche Richtung und im gleichen Zeitrahmen“ treffen. (dpa)
Russland verstärkt Angriffe auf Stadt Charkiw
Die russische Armee hat ihre Offensive im Osten und Süden der Ukraine mit unverminderter Härte fortgesetzt und dabei ihre Angriffe insbesondere auf die Großstadt Charkiw konzentriert. Bei nächtlichem Artilleriebeschuss wurden in der zweitgrößten Stadt der Ukraine ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt, wie die regionale Militärverwaltung am Samstag im Onlinedienst Telegram mitteilte. Eine von ukrainischer Seite angekündigte Evakuierungsaktion von Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol fand nicht statt.
„Die Lage in der Region Charkiw ist schwierig“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Fernsehansprache. „Aber unser Militär und unser Geheimdienst haben wichtige taktische Erfolge erzielt.“ Die ukrainischen Streitkräfte eroberten nach eigenen Angaben nördlich von Charkiw das „strategisch wichtige“ Dorf Ruska Losowa zurück. Dem Verteidigungsministerium in Kiew zufolge brachten die Soldaten mehr als 600 Einwohner in Sicherheit.
„Es waren zwei Monate schrecklicher Angst“, sagte die aus Ruska Losowa geflohene 28-jährige Natalia der Nachrichtenagentur AFP. „Wir waren zwei Monate lang in den Kellern ohne Essen“, erzählte der 40-jährige Swjatoslaw. Ein Bewohner der nahe gelegenen Ortschaft Slatyne, die ebenfalls von ukrainischen Truppen zurückerobert wurde, berichtete, dass 15 Menschen aus seinem Dorf getötet worden seien. (afp)
Russland will Handel mit China ausweiten
Das von westlichen Sanktionen belastete Russland will nach Angaben seines Außenministeriums den Handel mit China stark ausweiten. Die Liefermengen an Rohstoffen und Waren sollten deutlich wachsen, bis 2024 solle das Handelsvolumen 200 Milliarden Dollar erreichen, erklärte das Ministerium nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax. Obwohl die chinesischen Firmen wegen möglicher Folgesanktionen auf der Hut sein müssten, sei Peking bereit, die Kooperation mit Moskau deutlich auszubauen, so der Bericht. (rtr)
389 Ziele in der Ukraine angegriffen
Russland hat nach eigenen Angaben in der Nacht mit seiner Artillerie 389 Ziele in der Ukraine angegriffen, darunter 35 Kontrollpunkte, 15 Waffen- oder Munitionslager und mehrere Orte, an denen sich ukrainische Truppen oder Ausrüstung befunden hätten. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, vier Munitions- und Treibstofflager seien von russischen Raketen getroffen worden.
In seiner abendlichen Videoansprache schätzte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag die Lage im Osten des Landes ein: „Wir schlagen die Besatzer in alle Richtungen, in die sie vorzudringen versuchen. Die Lage in der Region Charkiw ist schwierig, aber unser Militär und unser Geheimdienst haben wichtige taktische Erfolge erzielt.“ Genauere Einzelheiten nannte er nicht. (rtr)
Britisches Militär: russische Armee zeigt weiter Schwächen
Russland ist nach Ansicht des britischen Militärs nach gescheiterten Vorstößen in der Nordostukraine gezwungen, seine Truppen zu sammeln und neu aufzustellen. „Die Mängel bei der taktischen Koordination bestehen weiter“, twitterte das britische Militär. Wegen der Schwäche der Einheiten und unzureichender Luftunterstützung könne Russland seine Kampfkraft nicht voll ausschöpfen. (rtr)
Wüst: NRW-Industrie bei Gasembargo besonders sensibel
Der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fordert die besondere Berücksichtigung von Schlüsselindustrien im Falle eines russischen Gasembargos. „Wir haben in Nordrhein-Westfalen viel Grundstoff-Industrie und Grundstoff-Chemie. Die brauchen Erdgas, und sie stehen am Beginn vieler Wertschöpfungsketten, die für ganz Deutschland und Europa wichtig sind“, sagt er der Welt am Sonntag. Der Bund müsse Maßnahmen zur Sicherung der Energie- und Gasversorgung der Schlüsselindustrien ergreifen. Andernfalls könnten viele Wertschöpfungsketten abreißen und irreparable Schäden an Produktionsanlagen entstehen. (rtr)
Ukraine will Treibstoff importieren
Die Ukraine will die derzeit vorherrschende Treibstoffknappheit mit Hilfe von verschiedenen europäischen Lieferanten beheben. Wie die Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko mitteilt, sollen die Engpässe innerhalb einer Woche beseitigt werden, da die ukrainischen Betreiber Verträge mit Lieferanten aus Europa abgeschlossen haben. „Warteschlangen und steigende Preise an den Tankstellen sind in vielen Regionen unseres Landes zu beobachten“, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache. Die Besatzer zerstörten absichtlich die Infrastruktur für die Produktion, Lieferung und Lagerung von Treibstoff. In dieser Woche habe Russland auch den wichtigsten ukrainischen Treibstoffproduzenten, die Ölraffinerie Krementschuk, sowie mehrere andere große Lagerhäuser angegriffen. (rtr)
Lawrow: Russland in täglichen Verhandlungen mit der Ukraine
Dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zufolge ist die Aufhebung der gegen Russland verhängten Sanktionen der schwierigste Teil der Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew. „Derzeit diskutieren die russische und die ukrainische Delegation täglich per Videokonferenz über den Entwurf eines möglichen Abkommens“, sagt Lawrow in einem Kommentar gegenüber der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, der auch auf der Website des russischen Außenministeriums veröffentlicht ist. „Auf der Tagesordnung der Gespräche stehen unter anderem die Entnazifizierung, die Anerkennung der neuen geopolitischen Realitäten, die Aufhebung der Sanktionen und der Status der russischen Sprache“, so Lawrow. Russland sei für die Fortsetzung der Verhandlungen, auch wenn diese schwierig seien. Kiew hatte zuletzt davor gewarnt, dass die Gespräche zu Scheitern drohen. (rtr)
Mehr als 1 Million Ukrainer:innen nach Russland „evakuiert“
Rund 1,02 Millionen Menschen sind seit dem 24. Februar nach Einschätzungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow aus der Ukraine nach Russland „in Sicherheit“ gebracht worden. Wie Lawrow in einer am frühen Samstag veröffentlichten Erklärung mitteilt, stammen davon allein 120.000 Menschen aus den Regionen Donezk und Luhansk. Der Minister erklärt außerdem gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua und auf der Website des russischen Außenministeriums, dass die lautstarke Unterstützung der NATO für die Ukraine einer politischen Einigung zur Beendigung des Konflikts im Wege stehe. (rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!