+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Nord Stream 1 liefert doch kein Gas
Wegen eines angeblichen Defekts fließt durch die Pipeline Nord Stream 1 weiter kein Gas. Die Bundesregierung wird in Moskau durch einen Diplomaten auf Gorbatschows Beerdigung vertreten.
Gazprom nimmt Gastransport durch Nord Stream 1 nicht auf
Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 wird von diesem Samstag an anders als angekündigt weiterhin kein Gas fließen. Das teilte der Staatskonzern Gazprom am Freitag bei Telegram mit. Grund sei ein Ölaustritt in der Kompressorstation Portowaja, der bei Wartungsarbeiten gefunden wurde. Eine Gasturbine könne wegen des Schadens nicht sicher betrieben werden. Angaben über die Dauer des Stopps machte Gazprom nicht. Bis zur Beseitigung bleibe der Gasdurchfluss gestoppt. (dpa/rtr)
Geschäftsträger der deutschen Botschaft vertritt Botschafter
Die Bundesregierung wird durch den Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Moskau an der Beisetzung des früheren sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow am Samstag in Moskau vertreten sein. Das gibt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bekannt. Der deutscher Botschafter könne wegen eines positiven Corona-Tests nicht teilnehmen. (rtr)
Reaktor wieder ans ukrainische Stromnetz angeschlossen
Der kürzlich heruntergefahrene Reaktor des von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist nach ukrainischen Angaben wieder ans Stromnetz angeschlossen worden. „Zwei Reaktorblöcke in der Anlage sind nun in Betrieb und erzeugen Strom für den Bedarf der Ukraine“, schreibt das ukrainische Staatsunternehmen Energoatom auf Telegram. Am Donnerstag war einer der beiden noch betriebenen Reaktoren nach erneutem Beschuss an Europas größtem Atomkraftwerk abgeschaltet worden. (rtr)
IAEA-Chef: „Wir gehen nirgendwo hin“
Atomexperten der Vereinten Nationen haben am Donnerstag ungeachtet anhaltender Kämpfe im Süden der Ukraine das von Russland besetzte AKW Saporischschja erreicht. Der Chef der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Rafael Grossi, erklärte anschließend auf Twitter, seine Behörde werde nun vor Ort präsent bleiben. Russische Behörden hatten dagegen im Vorfeld angedeutet, der IAEA-Einsatz solle nur einen Tag dauern. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erklärte unterdessen, die Armee seines Landes greife russische Truppen an der gesamten Front an.
Grossi kündigte nach einem ersten mehrstündigen Aufenthalt an, seine Experten würden eine neutrale technische Begutachtung des Kraftwerkes vornehmen. „Wir gehen nirgendwo hin“, sagte er Reportern zum weiteren Vorgehen. „Die IAEA ist jetzt vor Ort, sie ist in der Anlage und wird nicht weggehen – sie wird dort bleiben.“
Der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Energoatom, Petro Kotin, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die IAEA-Mitglieder würden wohl bis Samstag bleiben. Kotin zufolge bemühen sich die ukrainischen Techniker, den fünften Reaktorblock von Saporischschja wieder in Gang zu bringen. Dieser war am Morgen nach einem Beschuss vom Netz genommen worden.
Das AKW wird seit März von russischen Truppen besetzt gehalten, jedoch weiter von ukrainischen Technikern betrieben. Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für den anhaltenden Beschuss von Europas größtem Atomkraftwerk verantwortlich. Wegen der Angriffe gibt es Befürchtungen, dass es nach Tschernobyl zu einer neuen Atomkatastrophe in der Ukraine kommt. (rtr/ap)
Olaf Scholz schließt Teilnahme an Beerdigung von Michail Gorbatschow aus
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in Essen, wo er am Donnerstag im Rahmen seiner Gesprächsreihe “Kanzlergespräch“ mit 150 Bürgerinnen und Bürgern den Austausch suchte, eine Teilnahme an der Beerdigung des verstorbenen früheren sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow de facto ausgeschlossen. “Es gibt keine Einladung zu dem Begräbnis, insofern stellt sich die Frage gar nicht“, sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Freitagsausgaben). Der Bundestag werde in der kommenden Woche eine Gedenkveranstaltung für Gorbatschow abhalten, “an der ich teilnehmen werde“, fügte Scholz hinzu.
Nach dem Tod Gorbatschwos sagte Bundeskanzler über den Friedensnobelträger: „Er war ein mutiger Reformer, ein Staatsmann, der vieles gewagt hat.“ Deutschland werde nicht vergessen, dass durch Gorbatschow „Demokratie und Freiheit in Europa möglich geworden“ seien, „dass Deutschland vereint werden konnte und der Eiserne Vorhang verschwunden ist.“ Gorbatschow sei in einer Zeit gestorben, „in der nicht nur die Demokratie in Russland gescheitert ist“, sondern auch Russlands Präsident Wladimir Putin „neue Gräben in Europa“ ziehe und „einen furchtbaren Krieg gegen ein Nachbarland, die Ukraine, begonnen“ habe. (waz/afp)
Schwere Kämpfe in der Südukraine
Im Süden der Ukraine gehen Großbritannien zufolge die schweren Kämpfe weiter – auch in dem Bezirk Enerhodar. Dort liegt das unter russischer Kontrolle stehende Atomkraftwerk Saporischschja. Das teilt das britische Verteidigungsministerium mit. Bei der am Donnerstag von Russland begonnenen Militärübung Wostok im Osten des Landes nehmen den Angaben zufolge nicht mehr als 15.000 Soldaten teil. Russland hatte von 50.000 Teilnehmern gesprochen. (rtr)
Selenski: Russland lässt internationale Journalisten nicht zum AKW
Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski hat Russland verhindert, dass internationale Medienvertreter die Experten der Atomenergiebehörde IAEA zum Atomkraftwerk Saporischschja begleiten. Mit IAEA-Chef Rafael Grossi sei vereinbart worden, dass ukrainische und internationale Journalisten bei der Mission zu dem von Russland besetzten Kraftwerk in der Südukraine dabei sein dürften, sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstagabend in seiner täglichen Videoansprache. „Unabhängige Journalisten. Damit die Welt die Wahrheit sieht.“ Leider hätten die „Besatzer“ keine Journalisten hineingelassen.
Die Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde erreichten das seit Wochen unter Beschuss stehende Kraftwerk am Donnerstagmittag, um es etwa auf Schäden zu untersuchen. Bei einem Statement Grossis vor dem AKW waren im russischen Staatsfernsehen lediglich Mikrofone russischer Medien zu sehen gewesen. Der IAEA-Chef hatte später im Kurznachrichtendienst Twitter ein eigenes Video veröffentlicht.
Er hoffe, dass die Mission dennoch objektive Schlüsse zur Lage zulasse, sagte Selenski. Er forderte einmal mehr die Entmilitarisierung des Geländes. „Dies ist das Ziel der ukrainischen und internationalen Bemühungen.“ Entsprechende Aussagen der Inspekteure habe er bislang vermisst. Erst wenn russische Truppen das AKW verlassen hätten und der Beschuss der Kraftwerksstadt Enerhodar und anderer naher Gebiete aufhöre, könne das AKW sicher arbeiten. (dpa)
Getreidefrachter aus Ukraine im Bosporus wieder frei
In der türkischen Meerenge Bosporus ist ein auf Grund gelaufener Frachter mit Getreide aus der Ukraine wieder frei. Der Frachter sei von der Küstenwache mit Schleppschiffen wieder in Besetzung gesetzt worden, berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag. Das Schiff war in der Nacht bei Istanbul wegen einer Störung am Ruder in der Meerenge auf Grund gelaufen und lag vor dem Stadtteil Bebek vor Anker. Der Bosporus wurde vorübergehend für den Schiffsverkehr gesperrt.
Das rund 170 Meter lange Schiff „Lady Zehma“ hat 3000 Tonnen Mais geladen und ist auf dem Weg nach Italien, teilte das in Istanbul eingerichtete Kontrollzentrums für die ukrainischen Getreideexporte mit. Dem Schiffsinformationsdienst Marine Traffic zufolge ankerte der Frachter am Freitagmorgen vor der Küste Istanbuls im Marmarameer.
Der Bosporus und die Dardanellen sind wichtige Durchfahrtsstraßen, die Schwarzes Meer und Mittelmeer verbinden. Allein der Bosporus wird Behördenangaben zufolge jährlich von mehr als 40 000 Schiffen passiert. Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskriegs monatelang blockiert.
Die Kriegsgegner Ukraine und Russland unterzeichneten dann am 22. Juli unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen, um von drei Häfen Getreideausfuhren aus der Ukraine zu ermöglichen. Nach Schätzungen lagern noch mehr als 20 Millionen Tonnen Getreideerzeugnisse in der Ukraine. (dpa)
Scholz: Verzicht auf russisches Gas wäre „nicht so verantwortlich“
Bundeskanzler Olaf Scholz will trotz des Ukraine-Kriegs und unzuverlässiger Lieferungen nicht vollständig auf russisches Gas verzichten. „Das machen wir nicht von uns aus, das halte ich für nicht so verantwortlich“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei einem Bürgerdialog in Essen. Aber Deutschland sei so gut vorbereitet, dass man mit jeder Gegenreaktion umgehen könne, falls Russland selbst den Hahn zudrehe. „Selbst wenn es ganz eng wird, kommen wir wahrscheinlich durch den Winter“, sagte Scholz.
Ein Verzicht auf den letzten Rest an Gas aus Russland würde die Situation in Deutschland nach Scholz' Ansicht aber unnötig schwer machen. Dennoch müsse die Bundesregierung konsequent Alternativen ausbauen. Dazu gehöre etwa der Import von Flüssiggas über Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch die Zusammenarbeit mit Ländern im Süden Europas wie Spanien, Portugal und Frankreich. (dpa)
Finnland vergibt nur noch wenige Touristenvisa an Russen
Finnland hat wegen verschärfter Vergaberegeln am Donnerstag nur noch ein Zehntel der bislang üblichen Zahl von Touristenvisa an Russen ausgestellt. Diese dürfen seit 1. September nur noch ein Touristenvisum pro Woche beantragen, und zwar in nur vier russischen Städten – Moskau, Sankt Petersburg, Murmansk und Petrosawodsk an der finnischen Grenze. Darüber hinaus erwäge man, regierungskritischen Russen mit Hilfe eines humanitären Visums die Einreise nach Finnland zu ermöglichen, erklärte das Außenministerium.
Finnland hatte die Einschränkungen im August angekündigt. Am Mittwoch entschieden die EU-Außenminister, die Reiseregeln für Russinnen und Russen zu verschärfen. Sie konnten sich aber nicht auf ein Verbot von Touristenvisa einigen. „Es ist wichtig, dass wir zeigen, dass der normale Tourismus nicht wie üblich weitergehen kann, während die Ukrainer leiden“, sagte der finnische Außenminister Pekka Haavisto. Er sei besonders besorgt wegen einer Art russischer Touristenroute über den Flughafen Helsinki. Dieser war vor Beginn der russischen Invasion in die Ukraine im Februar ein wichtiger Umsteigepunkt für Tausende Russen. Jetzt fahren sie nach Finnland, um von dort in andere EU-Staaten weiter zu fliegen und das nach der Invasion verhängte Flugverbot zu umgehen. (ap)
Putin besucht russische Exklave Kaliningrad
Russlands Präsident Wladimir Putin hat die stark militarisierte russische Exklave Kaliningrad besucht, die zwischen den Nato-Staaten Litauen und Polen liegt. Dort beantwortete der Präsident am Donnerstag Fragen von Schülern zu den Themen Wirtschaft, Raumfahrt und zu der russischen Offensive in der Ukraine, wie im russischen Fernsehen übertragene Bilder zeigten.
Putin sagte unter anderem, die Aufgabe der russischen Soldaten sei es, „diesen Krieg, den Kiew im Donbass führt, zu beenden, die Menschen zu schützen und, natürlich, Russland zu verteidigen“. Er hob hervor, dass im Donbass in der Ostukraine viele russischsprachige Menschen lebten und diese sich „als Teil des russischen (…) Kultur- und Sprachraums betrachten“.
Litauen hatte im Rahmen der EU-Sanktionen, die als Reaktion auf die russische Offensive in der Ukraine beschlossen worden waren, im Juni den Transit einiger Güter durch sein Staatsgebiet in Richtung Kaliningrad verboten. Mitte Juli stellte die EU-Kommission dann jedoch klar, dass es kein allgemeines Verbot von Gütertransporten nach Kaliningrad per Zug gebe, sondern nur der Transit von Militärausrüstung untersagt sei.
Im vergangenen Monat verlegte Russland dann drei mit Hyperschallraketen bestückte Kampfjets nach Kaliningrad. Die hochmodernen Raketen gehörten zu einer Kampfeinheit, die „rund um die Uhr einsatzbereit“ sei, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Kaliningrad – das frühere ostpreußische Königsberg – hat keine direkte Landverbindung nach Russland. (afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?