§ 129a: Ein Jahr ohne Bewährung

Hamburger Lehrer Storim verurteilt / Haftstrafe ohne Bewährung wegen „Unterstützung der RAF“  ■  Von Wieding und v. Appen

Hamburg (taz) - Der Hamburger Physiklehrer Fritz Storim ist gestern vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Ohne Bewährung. Die Begründung des Staatsschutzsenats: Storim soll durch die Dokumentation zweier Redebeiträge einer Solidaritätsveranstaltung für die Hafenstraße in der Hamburger Infosammlung Sabot für die Ziele der Roten Armee Fraktion (RAF) geworben haben. Gleichzeitig verbot das Gericht dem 49jährigen für drei Jahre, öffentliche Ämter zu bekleiden. In einem Nebenpunkt der Anklage, dem Abdruck einer Anklageschrift, verurteilten die Richter Storim außerdem zu einer Geldstrafe von 1.950 Mark.

In seiner Urteilsbegründung widersprach der Staatsschutzsenat der Auffassung der Deutschen Journalisten -Union, die das Verfahren als „eklatanten Eingriff in die Pressefreiheit“ gerügt hatte. Der Vorsitzende Richter Kurt Bürrig: „Die Beiträge aus der Hafenstraße sollten eine geistige und organisatorische Solidarisierung mit der RAF propagieren.“ In dem vorliegenden Fall könne auch nicht von einer „bloßen Dokumentation“ geredet werden, weil es sich bei Sabot um eine „Untergrundkampfschrift“ handele. Bürrig: „Blätter, die die Revolution anstreben, dürften nicht salonfähig gemacht werden. So weit geht die Pressefreiheit nicht.“ Für das Gericht ging es bei dem Schuldspruch auch nicht mehr um die Frage, ob Storim - wie in der Anklage behauptet - „maßgeblich an der Herstellung“ von Sabot und dem Abdruck der inkriminierten Beiträge beteiligt war. Dem Gericht reichte aus, daß er aufgrund der Durchsuchungsfunde in seiner Wohnung (Nummern von Sabot und Lay-out-Material) in der Einschätzung der Richter einem „Herstellungskollektiv angehört haben muß. Bürrig: „Er war zwar nicht für das äußerliche Erscheinen unmit Fortsetzung auf Seite 2

telbar veranwortlich, hat aber eine wesentliche Rolle beim Vertrieb des Heftes eingenommen.“ Die Verteidigung kündigte gegen das Urteil Revision an. „Dieser Prozeß hat deutlich gemacht, worum es beim § 129a geht: Die Kriminalisierung der Hafenstraße und der Forderung nach Zusammenlegung der politischen Gefangenen.“ Durch dieses „Gesinnungsurteil“ solle erreicht werden, daß über „Themen der radikalen Linken nicht mehr geschrieben werden darf.“