Boykott oder Schnäppchen : Soll man noch Tesla fahren?
Die Eigenverantwortung von Konsumenten ist längst als Mythos entlarvt. Das ändert nichts daran, dass der Besitz eines Teslas ein soziales Zeichen setzt, meint Chefreporter Peter Unfried.
taz FUTURZWEI | Da Leute sich die Frage ernsthaft stellen, ob man noch Tesla fahren dürfe, hier die ernsthafte Antwort: Ja. Der Tesla ist ein benzinfreies, schönes und sehr gutes Auto und wer bereits eines gekauft hat, als das noch zur richtigen Haltung aufgeklärter Bildungsbürger zu gehören schien, der kann damit weiterfahren und wenn er ganz stark ist, sich sogar den Aufkleber sparen: „I bought this before Elon went crazy.“ (Ich habe diesen Tesla gekauft, bevor Elon Musk durchgedreht ist.)
Zum einen war Musk doch wohl schon „verrückt“, bevor er finanzieller und politischer Unterstützer von Donald Trump wurde und nun den amerikanischen Staat von innen angreift. Zum anderen ist so ein Aufkleber superlahm und selbstbezogen, weil er letztlich nichts bringt, außer das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen (und in Kreuzberg das Auto eventuell vor dem Angezündetwerden zu bewahren).
Peter Unfried ist Chefreporter der taz und Chefredakteur von taz FUTURZWEI, Magazin für Zukunft und Politik. Außerdem Kolumnist und Autor. Spezialinteresse: Die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen ernsthafte Klimapolitik möglich wird. Unfried lebt in Berlin-Kreuzberg und wuchs in Stimpfach, Baden-Württemberg, auf.
Anders verhält es sich, wenn die Frage lautet: Soll ich mir jetzt einen neuen Tesla kaufen? Nein. Bei allem Wissen um die eingeschränkte politische Kraft des Konsums besteht hier doch die Möglichkeit, Einfluss durch Verweigerung des Kaufs von Neuwagen zu nehmen, wenn das tatsächlich massenhaft passierte und die Aktien dann stark fielen.
Allerdings ist die politische Konsumverweigerung nur ein Faktor des Rückgangs der globalen Verkaufszahlen von Tesla (minus 13 Prozent im ersten Quartal 2025). Die großen Verluste auf dem chinesischen Markt sind weniger auf liberaldemokratischen Protest gegen Musks Broligarchentum als auf die hochwertige chinesische Konkurrenz und niedrigere Preise zurückzuführen.
taz FUTURZWEI, das Magazin für Zukunft – Ausgabe N°33: Wer bin ich?
Der Epochenbruch ist nicht mehr auszublenden. Mit ihm stehen die Aufrüstung Deutschlands und Europas im Raum, Kriege, Wohlstandverluste, ausbleibender Klimaschutz. Muss ich jetzt für Dinge sein, gegen die ich immer war?
Mit Aladin El-Mafaalani, Maja Göpel, Wolf Lotter, Natalya Nepomnyashcha, Jette Nietzard, Richard David Precht, Inna Skliarska, Peter Unfried, Daniel-Pascal Zorn und Harald Welzer.
Und damit zur moralisch schwierigsten Frage: Soll ich mir jetzt einen gebrauchten Tesla kaufen? Diesen Tesla gibt es schon, Musk verdient nichts mehr daran, und die Preise in Deutschland sind tief wie nie, auch wegen seiner Unterstützung der AfD.
Wenn man zuschlägt, ist man ein Profiteur von Musks Zerstörungsversuch der liberalen Demokratie. Allerdings gibt es keine vollständige Konsistenz des eigenen Konsums, das Böse (Kinder- und Sklavenarbeit, Lieferketten, Zerstörung des Planeten) lauert überall.
Kein Tesla ist da nur ein symbolisch derzeit hochgehandelter Gewinn. Fazit: In der Marktlogik ist man mit dem Kauf eines gebrauchen Tesla supersmart. In bestimmten Peergroups allerdings nichtsdestotrotz unten durch.
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