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taz FUTURZWEI

Der taz FUTURZWEI-Kommentar Der Kampf beginnt

Anders als beim ersten Mal hat Trumps zweite Präsidentschaft mit dem Cyberlibertarismus der Tech-Oligarchen ein ideologisches Fundament​. Europa muss darauf eine Antwort finden, meint Udo Knapp in seiner Kolumne für taz FUTURZWEI.

Taktloser Tanz zur Amtseinführung: Trump ist zurück Foto: dpa/AP | Evan Vucci

taz FUTURZWEI | Im Angesicht von Donald Trumps Amtseinführung an diesem Montag muss man erst einmal sagen: Sein Sieg bei der Präsidentschaftswahl war keine von einer korrupten republikanischen Elite organisierte Machtergreifung, kein nur von den Tech-Oligarchen gekaufter Wahlerfolg, auch nicht nur die Folge des bewussten Einsatzes der Sozialen Medien, von Fake News und Lügen.

Trumps zweite Wahl zum Präsidenten ist der freie Wille des amerikanischen Souveräns. Die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses, die Mehrheit beim Popular Vote und die Mehrheit sogar in allen Swing States sind ein eindeutiger Auftrag für Trump, zu regieren, wie es ihm beliebt.

Zeichen der Zeit

Sein Wahlsieg ist auch kein historischer Unfall. Er ist eine erste systemische Antwort auf den großen Wandel in dem sich die Weltgesellschaft nach dem Ende des Kalten Krieges, nach dem Zusammenbruch des russisch-kommunistischen Imperiums befindet.

Eine Reaktion auf den Beginn der nächsten großen industriellen Revolution hin zu einer globalisierten Ökonomie jenseits der Fossilen mittels Digitalisierung und KI. Eine Reaktion auf den Aufbruch der Weltgesellschaft in ein Jahrhundert der Bildung und des Wissens als zentrale Produktivkräfte. Einem Jahrhundert, das in seinen politischen Strukturen von der der Herrschaft über die Daten bestimmt sein wird.

Niemand weiß genau, wie nach dieser historischen Neuordnung der Zivilisation das Zusammenleben aller Menschen gestaltet sein wird. Es ist weder zwingend noch sicher, ob es eine lineare Fortschreibung der repräsentativen Demokratie sei wird, eine Herrschaft der Gesetze und der geregelten Verfahren, der Geltung der Menschenrechte und der Garantie individueller Freiheiten.

Silicon Castle

Die Tech-Eliten, vertreten durch Peter Thiel, Elon Musk, Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und andere, haben in den letzten Jahrzehnten durch die unbehinderte und bis heute unregulierte Entfaltung ihrer Macht über das Internet und heute auch die KI ein neues, unkontrolliertes, mächtiges Herrschaftszentrum in der westlichen Welt aufgebaut.

Sie empfinden die herkömmlichen Regeln politischer Ordnung als störend für die weitere Entfaltung ihrer Machtinteressen. Trump und sein Vize JD Vance und wohl auch die Republikanische Partei sehen sie als ihr politisches Werkzeug, mit dem sie die freien westlichen Gesellschaften in eine Monarchie-ähnliche Herrschaft der freien Tech-Unternehmer umbauen wollen.

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Cyberlibertarismus? Nein danke

Cyberlibertarismus nennen sie ihre Vorstellung der gesellschaftlichen Organisation. Demokratie und Nationalstaaten halten sie für überholt, ebenso Regierungen und Institutionen des Staates auf der Basis eines Mehrheitswillen; eine ausdifferenzierte Gewaltenteilung lehnen sie ab. Sie zielen auf die Freiheit jedes Einzelnen von jeder Einflussnahme der Organe des Staates. Sie träumen von der Freiheit des Kapitals von politischer Einhegung und Kontrolle.

Ist das nur eine neue Volte in der Geschichte der politischen Ideen, interessant, aber ohne jede Perspektive? Ich fürchte, es ist wohl eher der ernst zu nehmende Beginn des großen Ringens innerhalb des Westens um die Zukunft der freiheitlichen Demokratien. Anders als beim ersten Mal hat Donald Trumps zweite Präsidentschaft mit diesem Cyberlibertarismus der Tech-Oligarchen ein ideologisches Fundament mit einem weltweiten Dominanzanspruch.

Zunächst aber will Trump im Interesse seines „America first“ die Kriege im Nahen Osten und gegen die Ukraine beenden und gleichzeitig Russland eindämmen, um dann mit China auf Augenhöhe eine neue Machtbalance für die ganze Welt zu fixieren. Dann wird er versuchen, die Institutionen des US-amerikanischen Verfassungsstaates zu schleifen, die Spaltung in der Gesellschaft zu vertiefen, was zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen führen kann.

Trump wird viel Unruhe stiften und Chaos anrichten, aber es wird ihm nicht gelingen, die USA in eine illiberale Demokratie zu verwandeln. Grund: Zweidrittelmehrheiten im Kongress und unter den Bundesstaaten für signifikante Verfassungsänderungen zum Zwecke einer Destabilisierung der amerikanischen Demokratie wird er nicht zusammenbekommen.

Trump als Chance für die EU

Für Europa und seine Demokratien ist die kommende und zweite Präsidentschaft Trumps zwar unangenehm, aber auch eine große Chance. Trumps Politik bietet die Gelegenheit sich – ohne blinden Anti-Amerikanismus – darauf zu besinnen, dass die westlichen Freiheiten nicht allein von den amerikanischen Gründervätern erfunden wurden, sondern ihre jahrtausendealten Wurzeln in Europa haben.

Es gibt allen Grund, sich auf dieses Erbe zu beziehen, gegenüber Trump auf allen Feldern klare Kante zu zeigen, die in der EU verwirklichte Vertiefung von Demokratie und Freiheit in Europa auch gegen innere Herausforderungen durch Populisten voran zu bringen und durch eigene Verteidigungsfähigkeit auch vor amerikanischen Erpressungsversuchen im Kontext von militärischen Bedrohungen zu schützen. Die Antwort auf den mit Trump daherkommenden Cyberlibertarismus könnten Europa-Gesetze zur umfassenden Regulierung aller digitalen Anwendungen und der KI sein – und eigene, demokratisch kontrollierte Plattformen.

Donald Trump ist kein zweiter Hitler, und er hat nur vier Jahre. In dieser Zeit kann er einiges kaputtmachen, keine Frage. Aber in derselben Zeit kann auch Europa so stark werden, dass es sich mit gesetzlichen Maßstäben für ein demokratisch sicheres Leben in der digitalen Welt weltweit Geltung, Respekt und auch ökonomische Vorteile verschaffen kann. Mit europäischem Selbstbewusstsein, methodisch begründet, lassen sich auch jetzt verunsicherte Wähler für neue Anstrengungen gewinnen, die einer glücklichen Zukunft von Europas Kindern dienen. 🐾

■ UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für unser Magazin taz FUTURZWEI.