Panter Preisträgerin zu Gast in der taz : „Eine echte Hilfe“
Die brasilianische Aktivistin Alessandra Korap von den indigenen Munduruku in der Amazonasregion über die Wirkung des Panter Preises 2020.
Interview PETRA BORNHÖFT
taz Panter Preis, 08.09.22 | Vor knapp zwei Jahren wurden Sie mit dem Preis der taz Panter Stiftung ausgezeichnet für Ihr jahrelanges Engagement zum Schutz der indigenen Territorien in der Amazonasregion. Welchen Nutzen hatte der Preis für Ihre Aktivitäten?
Alessandra Korap: Wir bekamen den Preis auf dem Höhepunkt der Pandemie. Damals waren wir völlig isoliert, die Regierung hat uns keinerlei Unterstützung gegeben. Manche indigene Gemeinschaften gerieten in Not, hatten kaum Lebensmittel, weil sie ihr Gebiet nicht verließen. Zugleich nutzten die illegalen Goldsucher die Situation und drangen vermehrt in unsere Territorien ein.
Da beschlossen die Kaziken¹ und die Frauen etwas zu unternehmen. Aber es gab ein großes Problem: In Amazonien müssen wir oft weite Strecken per Boot zurücklegen, wenn wir uns treffen und vernetzen wollen. Da kam der Preis gerade recht: Von dem Preisgeld konnten wir Diesel für unsere Boote kaufen. So konnten Lebensmittelpakete transportieren und uns treffen um politische Aktivitäten zu besprechen. Der Preis war eine echte Hilfe für unsere Gemeinschaft.
Sie werden persönlich massiv bedroht, online wie auch offline. Zugleich gibt es gerade unter der Präsidentschaft Bolsonaros mehr Niederlagen als sichtbare Erfolge im Kampf um Erhalt und Schutz der auch klimatisch so wichtigen indigenen Territorien. Warum machen Sie trotzdem weiter?
(Lacht) Stimmt, wir haben keine großen Fortschritte gemacht. Aber wir glauben an unsere Kinder, unsere Kaziken, unsere Frauen. Wir werden angegriffen, Fremde dringen auf unser Land vor, überfallen unsere Häuser. Deshalb müssen wir unser Territorium Tag und Nacht bewachen.
Derzeit besuchen Sie viele Orte in Deutschland, was ist das Ziel Ihrer Reise?
Viele Leute hier wissen nicht, was Amazonien ist, was der Klimawandel real bedeutet. Viele Menschen sind blind und taub. Natürlich spüren sie die steigenden Temperaturen, aber begreifen nicht, woher das kommt und wen es hart trifft. Viele hier reden von Nachhaltigkeit, aber sie sprechen dabei nicht über uns Indigene. Deshalb müssen wir hier her reisen, selbst sprechen und klarmachen, dass wir indigenen Völker die Leidtragenden des Klimawandels sind.
Was erwarten Sie von den Präsidentschaftswahlen im kommenden Oktober?
Viele von uns Indigenen haben mit dem früheren Präsidenten Lula gesprochen, der jetzt wieder kandiert. Damals hat er zu wenig auf unsere Meinungen, Wünsche und Interessen gehört. wir hoffen, dass er dazugelernt hat. Wenn Bolsonaro gewinnt, dann müssen wir wirklich in den Krieg ziehen. Und ich hoffe, dass im Falle eines Sieges von Bolsonaro kein Land, keine Firma aus Europa etwas von Brasilien kauft, denn alles was von dort kommt, enthält indigenes Blut.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Korap.
¹ indigene Anführer