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26.03.2022 , 12:18 Uhr
Nur zur Verständnisfrage: Wenn man jemandem etwas nur aufgrund seiner Hautfarbe verbietet, das ist doch Rassismus; oder habe ich da irgendein Memo nicht bekommen?
Das Narrativ der kulturellen Aneignung können wir auch gern weiterspinnen: Pizza ist ursprünglich ein Resteessen der armen Bevölkerung Italiens, welches sich durch italienische Migranten in der Welt ausbreitete. Bist du kein armer Italiener und auch kein unterdrückter italienischer Migrant? Dann ist Pizza essen kulturelle Aneignung, die dir nicht zusteht! Kakao als Lebensmittel stammt von der indigenen Bevölkerung Amerikas ab, die von den Weißen beinahe ausgerottet wurde. Bist du kein indigener Amerikaner? Dann steht dir Kakaokonsum nicht zu! Barbecue hat seine Ursprünge bei den afrikanischen Sklaven in den USA...
Wie ist das mit dem Erlernen und Sprechen von Fremdsprachen eigentlich? Darf ich als Weißer kein Suaheli lernen, weil ich aufgrund meiner Hautfarbe das Leid der Afrikaner nicht nachvollziehen kann? Ist es „kulturelle Aneignung“, wenn ich mit einem Japaner in seiner Muttersprache spreche, die mir nicht zusteht, weil ich kein Japaner bin und daher nicht deren Leid nachvollziehen kann, das durch den immensen gesellschaftlichen Konformitätsdruck, die strengen und mitunter sinnlosen Verhaltensregeln und die oft knechtschaftähnlichen Arbeitsbedingungen entsteht? Mir ist zumindest noch kein Japaner begegnet, der das so empfunden hätte; die freuen sich immer, wenn sich ein Weißer wie ich die Mühe macht, ihre nicht ganz einfache Sprache zu lernen.
Und wie ist es beim umgekehrten Szenario? Dürfen Japaner dann auch kein Deutsch lernen, weil sie nicht nachvollziehen können, welche Diskriminierungserfahrungen man als Weißer in Japan macht? Wenn ein chinesischer Pianist Bach spielt, ist das dann „kulturelle Aneignung“, die man ihm verbieten muss? Oder wäre es rassistisch/nationalistisch, ihm das zu verbieten, nur weil er Chinese und kein Deutscher ist?
Ich dachte immer, Austausch sei etwas Wünschenswertes.
zum Beitrag28.09.2021 , 13:20 Uhr
Petra Pau hat nicht „gepatzt“, sondern die CDU hat in ihrem Wahlkreis massiv Geld in die Hand genommen, Volksfeste organisiert (die Linken haben mangels Unternehmensspenden nicht mal ansatzweise so viel Geld) und gezielt die Falschbehauptung verbreitet, bei der Volksabstimmung, welche von den Linken initiiert wurde, ginge es um die Enteignung der Wohnungsgenossenschaften, was im Stadtteil zu enorm steigenden Mieten führen würde. Die Wohnungsgenossenschaften sahen sich im Anschluss sogar genötigt, ihren Mieterinnen und Mietern schriftlich mitzuteilen, dass die Enteignung, über die abgestimmt werden sollte, ausschließlich private Wohnungsunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrifft.
Kommentar gekürzt. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen.
Die Moderation
zum Beitrag27.09.2021 , 13:51 Uhr
Um auf die äußeren Faktoren zu sprechen zu kommen, sehe ich aber auch eine Diskrepanz zwischen dem, was die Wählerinnen und Wähler wollen, und dem, was sie am Ende tun. Gysi und andere Linken-Veteranen touren seit 30 Jahren durch die Republik und räumen mit den Vorurteilen gegenüber der politischen Linken auf. Die Leute können es sogar schwarz auf weiß vom ZEW präsentiert bekommen, dass die Politik der Linken finanziell für alle unterhalb eines Jahreseinkommens von 100.000 € und damit die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung finanziell am stärksten profitieren würden, und halten trotzdem an dem Märchen fest, dass die Linken ihnen alles wegnehmen würden. Das ZEW kann ebenso feststellen, dass die Linken das größte Plus für den Staatshaushalt hervorbrächten und Union und FDP die größten Löcher hineinrissen, und trotzdem halten die Leute Union und FDP für wirtschaftlich am kompetentesten.
Hinzu kommt eine unsägliche Doppelmoral im Umgang mit Skandalen und teilweise Verbrechen. 50 CDU-Skandale wiegen bei der Wahlentscheidung gefühlt nicht so schwer wie ein einziger Linken- oder Grünen-Skandal. Die CDU kann uns allen Massenüberwachung mit Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojanern, Hintertüren bei verschlüsselten Chats etc. einbrocken – als Stasi-Partei gilt Die Linke, die stets dagegen gestimmt hat. Für die Anzahl an Grenztoten in 40 Jahren DDR braucht die EU dank konservativ-nationalistischer Abschottungspolitik keine drei Monate, aber die Linken sind nach wie vor die „alte SED“, die „Mauerschützenpartei“. Die CDU drückt uns Uploadfilter für die Content-Industrie rein, aber Linke und Grüne sind ja die „Verbotsparteien“... Die Leute erleben das Hin und Her der Union mit Laschet, Söder, Merz, Maaßen, betrachten aber nur die Linken als „zerstritten“...
Möglicherweise haben die Misserfolge der Linken am Ende auch etwas damit zu tun haben, dass eine Wahl und Erfolge der Linken für viele damit verbunden wären, sich selbst jahrelange Irrtümer eingestehen zu müssen.
zum Beitrag27.09.2021 , 10:13 Uhr
Wir erleben hier ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren sowohl inner- als auch außerhalb der Partei, welche sich hier auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben.
Zu den internen Faktoren gehören die bereits beschriebenen Konflikte zwischen den verschiedenen Flügeln der Partei sowie ein Mangel an Fähigkeit beim lokalen wie bundesweiten Spitzenpersonal, die Inhalte rüberzubringen und sich von den anderen Parteien abzuheben und deren Attacken dabei noch geschickt zu kontern. Gysi, Bartsch und Wissler in Ehren, aber Henning-Wellsow war eine ähnliche Fehlbesetzung wie bei den Grünen Frau Baerbock, das hat man bei ihren katastrophalen Auftritte bei Tilo Jung (dem vorher immer linke Parteilichkeit vorgeworfen wurde) und Markus Lanz gemerkt.
Auch der Umgang mit Sahra Wagenknecht war alles andere als geschickt. In dem Zusammenhang wäre es vielleicht mal gut, zu erwähnen, dass die Wählerwanderung von Linken zu AfD gerade im Osten nur auf den ersten Anblick widersprüchlich scheint. Wenn man ein Dorf in Ostsachsen oder Mecklenburg-Vorpommern hat, wo alle Menschen weiß sind, in der DDR sozialisiert wurden und seitdem nie mit Ausländern zusammengelebt haben, und die haben vorher überwiegend Linkspartei gewählt, sollte klar sein, dass die nie „links“ waren im Sinne von „internationalistisch, weltoffen, tolerant, ausländerfreundlich“, sondern dass „Linkssein“ für sie hieß: „Wir sehen die Globalisierung kritisch, wir wurden bei der Einheit vom Westen übergangen, wir wollen Umverteilung von oben nach unten, hin zu uns.“ Diese Wählerinnen und Wähler wurden von Personen wie Wagenknecht repräsentiert, und die Linken haben sich keinen Gefallen damit getan, Wagenknecht auf die Art, wie es geschah, kaltzustellen. Und dann kommt die AfD, die diesen Leuten verspricht, sie könnten all das Genannte mit ihr genauso haben, ohne diese Kröte schlucken zu müssen, eine eigentlich ausländerfreundliche Partei zu wählen. Natürlich werden sich da viele denken: „Ja, geil.“
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