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22.07.2020 , 15:02 Uhr
Als Soziologin würde ich widersprechen. Geschlechtsidentität wird nicht deterministisch "ansozialisiert", obwohl jede Person im aktullen System der institutionalisierten Zweigeschlechtlichkeit (die wissenschaftlich überhaupt nicht aufrechtzuerhalten ist, weder biologisch, noch soziologisch) sozialisiert wird und dadurch selbstverständlich tief geprägt wird. Manche Personen empfinden nicht so, wie es das System von ihnen verlangt, teils sagt die Medizin dazu, dass diese Personen eine Abweichung seien von dem, was richtig und normal sei. Das die MEdizin dabei selbst niemals unfrei von gesellschaftlichen Normativitätsansprüchen agiert, belegen feministisch-naturwissenschaftliche Studien seit der 70er Jahre (Fausto-STerling oder S.Schmitz als Bsp). Dies zu ignorieren bedeutet, nicht auf der Höhe der Wissenschaft zu argumentieren. Laut Biologie gibt es viele Geschlechsvariationen (auch innerhalb einer Person sind die als "männlich" oder "weiblich" geltenden Merkmale immer eine konkrete Mischung), laut Soziologie/Philosophie gibts keinen Zusammenhang zwischen körperlichen Merkmalen u.einer zwingenden sexuellen Orientierung o.Geschlechtsidentität, wobei auch die Frage ist, was das sein soll: "Geschlechtsidentität". Wissenschaftlich wird nicht davon ausgegangen, dass eine feste Kernidentität im Menschen sei, die nur "entdeckt" wird, sondern es findet eine permanente Identifizierung statt, die geschlechtlich auch gar nicht eindeutig oder dauerhaft sein muss. Das wir kulturell so stark wirkende Rollenvorstellungen haben (ziehen Sie sich mal ein Kleid an, wenn Sie als Mann gelesen werden und spüren Sie die Emotionen), wird von soziologischen Untersuchungen ebenfalls eher als gefährlich bewertet (vgl. toxische Männlichkeit).
Für Sie mag es einfach sein, zu behaupten, das Geschlecht einer Person werde, so komplex dieses Phänomen auch ist, ausschließlich über ihren Körper definiert.Für Betroffene ist das keine hypothetische Argumentation zum Spass, daher der Schutz ihrer Rechte.
zum Beitrag21.07.2020 , 17:55 Uhr
Hengameh Yaghoobifarah ist ja auch deutsche. Und sie beschreibt einen diskursiven, institutionalisiserten, strukturellen Rassismus, der sich im sich als "weiss" begreifenden Deutschland immer noch manifestiert. So ähnlich ist es, wenn gesagt wird, dass die Polizei ein Rassismusproblem hat - auch da sagen immer gleich welche: "Moment mal, ich soll ein Rassist und Nazi sein?" Cooler wäre es, wenn mal ein*e Polizist*in sagen würde: "ja, schlimmer noch als in der restlichen Gesellschaft reproduzieren sich innerhalb der Polizei rassistische und rechtsextreme Strukturen, das lässt sich nachweisen (möchte Seehofi aber natürlich nicht so gern, lieber mal prüfen, ob Polizei nicht Gewalt erfährt als bewaffnete Staatsmacht).Müssten wir mal an uns arbeiten."
Wenn Sie häufiger mit Menschen sprechen, die von RAssismus in Deutschland betroffen sind, dann erfahren Sie, wie scheiße das ist, permanent von "biodeutsch" und anderen Blut-und-Boden-Bezeichnungen zu lesen, ohne, dass es einen allgemeinen Aufschrei gibt. Ich begreife die Überspitzung weiss=deutsch eher als Kritik an der Mainstreamkultur, die genau das postuliert. Da fühle ich mich deshalb nicht angegriffen, ich lebe ja selbst in dieser Kultur, wo kolonialrassistische Kinderbücher immer noch die Normalität sind. Ich kann auch verstehen, dass marginalisierte Gruppen irgendwann keine Lust mehr haben, ohne Provokationen immer nur nett zu sein, wie die Mehrheitsgesellschaft es erwartet, damit es für sie angenehm bleibt und bloß nicht auch mal wehtut. Rassismuskritik als "rassistische Hetze" zu bezeichnen ist so ähnlich, wie jüdischen Personen Antisemitismus vorzuwerfen, wenn sie auf den grassierenden Antisemitismus eigentlich nur hinweisen. Rassismus bedeutet nicht, dass egal welche Person andere nach vermeintlicher Hautfarbe anspricht und vermeintlich beleidigt - sondern hat mit gesellschaftlichen Machtstrukturen zu tun.
zum Beitrag21.07.2020 , 17:30 Uhr
Ich höre vielleicht lieber auf, die Kommentarapalten zu überfliegen. Es ist ja echt ultra anstrengend, dass taz-Leser*innen, die sich für links halten, der Meinung sind, wer auf Rassismus hinweist, der betreibe "Segragation". Wer immer wieder sehr wütend wird, wenn er*sie Hengameh Yaghoobifarahs Texte liest, der sollte sich vielleicht fragen, warum Rassismuskritik und die Kritik an Gewalt und Ausgrenzung gegenüber Minderheiten so aufwühlend für ihn*sie ist.
Ich jedenfalls habe heute gelernt, dass als Blackfacing auch verstanden wird, dass weisse Personen Antwortmemes mit Schwarzen Personen posten. Darüber werde ich nachdenken, anstatt auszuflippen, weil ich das irgendwie Pro-Vielfalt und "nicht-nur-weisse-abbilden-mäßig" meinte und deshalb der Meinung bin, dann könne es nicht rassistisch sein.
Blackfacing kannte ich als das Vorgehen, dass z.B. weisse Schauspieler*innen gecastet werden, die sich dann schwarz anmalen, meist, um Stereotype über schwarze Personen zu performen, und das beleidigend ist.
Ist es immer rassistisch, wenn weisse Personen Memes mit Schwarzen Personen als Antwort posten. Denn ich würde es z.B. auch nicht als unsensibel einordnen, wenn Hetero-Freund*innen von mir ein Ellen DeGeneres-Meme nutzen, weil sie darin so cool die Hände vor den Kopf schlägt (o.Ä.) - oder gibt es auch gar keine "cultural apropriation" bezüglich lgbtq*-Themen? Anfangs dachte ich, cultural apropriation setze einen essentialistischen Kulturbegriff voraus (hatte ich so aufgeschnappt), tatsächlich setzt das Konzepet sich im Gegenteil kritisch mit weisser Mehrheitskultur und dem Zugang dazu auseinander, weshalb ich das ernstnehme, wenn Menschen mit Rassismuserfahrungen mir sagen, dass manche SAchen kacke und rassistisch sind, egal, wie sie gemeint sind.
Sobald nicht mehr alle ausrasten, die auf Rassismus hingewiesen werden, kann es m.E. nur besser werden.
zum Beitrag21.07.2020 , 16:55 Uhr
Hengameh hat niemandem "das Rederecht" entzogen, sondern gesagt, dass die bürgerlich-anbiedernde, nichtssagende Art erstens nichts bringt, außer, dass jemand bei RAssimus doch über sich reden kann, auch wenn es ihn nicht betrifft - außerdem, dass Eidinger rüberkommt, als gehe es ihm gar nicht um das Thema, sondern um sich. yaghoobifarah erklärt doch klar und deutlich, dass weisse Perspektiven der Analyse und Kritik im öffentlichen Diskurs notwendig und gewinnbringend sind - aber da bpoc-Perspektiven eben häufig ungehört bleiben, verstehe ich nicht, wieso für Viele so problematisch ist, wenn man darauf hinweist, dass manche Gruppen systematisch ausgeschlossen werden und unhörbar bleiben.
Identitätspolitik wird dauernd betrieben, nur wird es so nicht benannt. Die CDU und FDP machen auch Identitätspolitik. Aber sobald jemand wagt, zu erklären, dass es notwendig wäre, mehr Perspektiven zu hören von Personen, die im gesellschaftlichen DIskurs meist nicht als Individuen, sondern nur in ihrer Gruppenzugehörigkeit gesehen und systematisch unterdrückt werden, dann heißt es "moment mal, das geht jetzt aber nicht, dass wir immer nur noch nach Gruppenzugehörigkeit gehen". Hengamehs Kritik ist, dass es immer nur nach Gruppenzugehörigkeit geht! Der strategische Weg, damit umzugehen ist, wenigstens emanzipativ selbst zu sprechen, anstatt das immer nur über einen gesprochen wird.
Auch soziologisch lässt sich erklären, dass linke, antirassistische Identitätspolitik nichts damit zu tun hat, auszuschließen, sondern im Gegenteil, für mehr Teilhabe und Demokratie zu streiten, da die neoliberale, konservative und rechte Identitätspolitik ausschließend ist und das seit Jahrhunderten. Der Hinweis auf diese Herrschaftsbeziehungen und die ab und zu satirische Umkehr der Verhältnisse wird dann ständig missverstanden und delegitimiert. Mich nervt das, sowas ständig von "Linken" zu lesen..
zum Beitrag21.07.2020 , 16:30 Uhr
ich frag mich immer, ob das weisse alte Männer sind, die am Erwähnenswertesten finden, mitzuteilen, dass sie diesmal die Kolumne gut fänden, weil sie darin keine als "unflätige Beleidigungen" missverstandene satirische Kritik an Rassismus/Sexismus/Gewalt gelesen hätten.
zum Beitrag21.07.2020 , 16:00 Uhr
Interessant, dass Hengamehs Kolumne eigentlich in den Kommentaren dadurch bestätigt wird, dass Leute direkt anfangen, zu rechtfertigen, warum Dicke gesellschaftlich geächtet werden können, warum sie "selbst schuld" seien und ihre Körper direkt pathologisiert werden, anscheinend haben die meisten die Kolumne (wieder) gar nicht verstanden. Hengameh schreibt ja richtigerweise, dass der gesellschaftliche Aufruf zum Schlanksein gesundheitliche (körperliche und psychische) Risiken mitbringen kann, aber Pathologisierung trotzdem mit "Dicksein" fast immer und überall verknüpft wird, mit gesellschaftlich genormten Idealvorstellungen aber nicht, auch wenn sie nicht weniger gesundheitsschädlich sein können. Niemand scheint in der Kommentarspalte anzuerkennen, dass Dickenfeindlichkeit schädlich ist, sondern stattdessen wird von allen Seiten belehrend erklärt, dass Dicksein (das ist ja auch eine Definitionsfrage) pathologisch und kein Grund zu positivem Selbstwert sei. Traurig, wie ich immer wieder denke, Hengameh macht teils satirische, teils unsatirische Punkte, um auf Probleme hinzuweisen u.erreicht damit vielleicht etwas - und dann lese ich die Kommentare und bemerke, dass die Kolumne nicht reflektiert wird, sondern einfach nur die angelernten Reflexe aufgefahren werden, die Hengamehs Kritik bestätigen.
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