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01.05.2016 , 21:56 Uhr
(Teil 2 des Kommentars wg.Überlänge)
Wenn sie nach Motiven suchen, um die Massenmorde nicht nur an sowjetischen (und polnischen) Juden sondern auch Zivilisten durch Einsatzgruppen zu erklären, sollten Sie Brownings These "Ganz normale Männer" in ihre Überlegungen mit einfließen lassen.
Er untersuchte am Beispiel des Polizeibatallions 101 aus Hamburg, welches 1942 ca. 1200 Jüdische Polen ermordete, die Motive der Männer. Browning besagt, dass trotz fehlenden Zwangs bei Massenerschießungen sich 80-90% eines Batallions daran beteiligt hätten, und auch das trotz Ekel und Überwindung. Als Grund führt er Konformitätsdruck an- die Angst davor, in der Gruppe als „Schwächling“ zu gelten, sich nicht die „Hände schmutzig“ machen zu wollen, und im Falle einer Verletzung von den Kameraden verkannt zu werden, weil man sich nicht an den Massenexekutionen beteiligte.
Nennenswerte weitere Motive der einzelnen Täter in den Nationalsozialistischen Verbrechen auf dem Schlachtfeld sowie in den Konzentrationslagern und auch in Deutschland waren Autoritätshörigkeit (siehe auch „der deutsche Sonderweg“), Angst vor Befehlsverweigerung und somit dem Tod, Antisemitismus und ideologische Indoktrinierung, Führergläubigkeit, Angst, Bereicherung und Nutzen in der Kooperation mit dem NS-Regime sowie dem „Willen dem Führer entgegenzuarbeiten“ (Kershaw), ein Interpretationsansatz um die aktive Beteiligung der Parteieliten wie Göring und vor allem Heydrich an der Radikalisierung der NS-Judenpolitik zur Vernichtung der Juden zu beschreiben.
Wie sie sehen, ist Antisemitismus nur eins von vielen Motiven welches zum Handeln oder auch gerade Nicht-Handeln veranlasste. Der monokausale Erklärungsansatz von Goldhagen ist in der heutigen NS-Forschung nicht haltbar und stark kritisiert worden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
zum Beitrag01.05.2016 , 21:54 Uhr
Lieber Günter,
Goldhagens These, dass der "eliminatorische Antisemitismus" tief in der gesamten deutschen Bevölkerung und Kultur verankert war, und nur dieser Antisemitismus das Motiv für die Massenverbrechen der Nationalsozialisten war, wurde in der NS- Forschung widerlegt und als "nicht wertvoll" eingestuft wegen der willkürlichen Quellenarbeit Goldhagens.
Zu behaupten, dass der Holocaust nur funktionieren konnte, "weil alle Teile der deutsch christlichen Kultur antisemitische Ressentiments über Generationen hinweg entwickelt und an künftige Generationen weitergegeben haben" ist eine banale Pauschalisierung.
Ganz sicher nicht teilte die gesamte deutsche Bevölkerung den Antisemitismus ihrer Führung, vielmehr führten die gewaltvollen Aktionen gegen Juden, wie z.B. der nationale Judenboykott vom 1. April 1933 oder die Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 in großen Bevölkerungsteilen zu Mitleid mit den Juden und Verachtung gegenüber dem Regime, die man so nicht offen zeigen durfte und sich deshalb als passiver "Bystander" verhielt.
Angst war hier oft das Motiv, nicht einzugreifen, und nicht Antisemitismus per se.
Dabei möchte ich auch nicht ausschließen, dass vor allem durch Goebbels effektive Propaganda der Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung einen höheren Stellenwert erhielt, jedoch bestreite ich, dass Antisemitismus allein für die Durchführung der Judenvernichtung verantwortlich war.
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