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23.04.2023 , 15:58 Uhr
Ich kann jedes Wort unterschreiben…Leider ist in meinen Augen nun auch Wolfgang Ullrich trotz gegenteiliger Beteuerungen in das Lager derjenigen hinübergewechselt, die die Kunst reglementieren wollen. Das wird besonders deutlich in einem ZEIT-Gespräch vom 29.1.23 mit Wolfgang Ullrich und dem Philosophieprofessor Markus Gabriel. Ullrich: „Weshalb sollte es daher falsch sein, von vornherein darauf zu achten, dass Kunst möglichst nicht als diskriminierend, rassistisch oder klassistisch wahrgenommen werden kann?...Umso wichtiger werden daher Regeln des Umgangs miteinander. Auch für Kunst gibt es also Grenzen.“
War es bis vor einiger Zeit noch konsensfähig zu sagen, dass die Freiheit der Kunst dort aufhört, wo das geltende Recht verletzt wird, soll es für die Einschränkung der Freiheit der Kunst jetzt schon reichen, dass ein Werk z.B. als rassistisch „wahrgenommen“ werden kann. Was aber ist „rassistisch“? Wenn jemand einen Farbigen fragt, woher er kommt? Das wird vor allem unter woken Weißen als rassistisch empfunden. Wohingegen Farbige wie Ijoma Mangold in dieser Frage Interesse für seine Person sehen. Wer richtet hier also? Wolfgang Ullrich?
Oder Markus Gabriel? Dieser behauptet in einem Gespräch mit dem Börsenblatt: „Es gibt moralische Tatsachen, die unbestreitbar sind und keiner weiteren Begründung bedürfen.“ Ich halte diese Selbstherrlichkeit, aus der heraus Gabriel und Ullrich der Kunst die „moralischen Tatsachen“ diktieren und ihr Regeln und Grenzen setzen wollen, für hochbedenklich.
Da freuen wir uns doch über Ijoma Mangold, der in der aktuellen Zeit schreibt: „Die Leute (er meint das woke Milieu) lassen sich wieder schocken. Liebe Künstler, nutzt diese Chance, das ist euer Job!“
zum Beitrag26.06.2022 , 00:25 Uhr
Ich glaube Taring Padi sogar, wenn sie erklären, dass sie in ihrem Bild keinen Antisemitismus entdeckt hätten. Vielleicht hat das mit dem grundlegenden Paradigma der Postkolonialisten zu tun, dass rassistisches Denken und Handeln per definitionem nur bei den "Weißen" zu finden ist. Man kommt als Linker aus dem "Globalen Süden" gar nicht auf die Idee, dass man selbst rassistisch oder antisemitisch sein könnte. Ich habe jedenfalls noch keinen Text von einem Tunesier oder Marokkaner gelesen, der darauf hinweist, dass es in diesen Ländern starke Ressentiments gegenüber Schwarzafrikanern gibt. Oder einen Text eines Postkolonialisten, der darauf eingeht, dass in fast jedem asiatischen Land rassistische Einstellungen gegenüber den jeweils anderen asiatischen Ländern vorhanden sind und in allen asiatischen Ländern zusammen ein ähnlicher Rassismus gegenüber den Schwarzafrikanern (ich habe da eigene Erfahrungen in Indonesien).
zum Beitrag26.06.2022 , 00:04 Uhr
"Kasseler Neo-Marxismus" - das kann ich angesichts des Kunstwerks "People's Justice" durchaus unterschreiben: ich finde es gnadenlos unterkomplex und eindimensional. Da ist ja wohl links der Diktator Suharto mit all seinen Schergen zu sehen, die meisten Figuren sind widerlich entstellt. Auf der rechten Seite ist dann das heroische Volk, das natürlich "im Kampf vereint" dem Diktator widersteht. Das ist einfältiger Revolutionskitsch, der an der komplexen Realität vorbeigeht. Diese besteht z.B. darin, dass 1965 offensichtlich auch Millionen von Zivilisten an den Pogromen gegen die Kommunistische Partei teilgenommen haben; dass Suharto von großen Teilen der indonesischen Bevölkerung als "Vater des Aufschwungs" angesehen war und z.T. noch wird; dass Suharto unter anderem auch wegen des Drucks aus dem Westen zum Rücktritt gezwungen wurde; dass der Aufstand gegen Suharto wohl im wesentlichen ein Werk von Teilen der indonesischen Eliten war und nicht aus dem gesamten Volk kam. Dieses Kunstwerk verzerrt/vereinfacht also in klassisch marxistischer Manier die Vorgänge grob und es fehlt ihm alles, was wir bisher in Deutschland an Kunst so schätzten: ihre Uneindeutigkeit, Offenheit, Ambivalenz, Differenziertheit, Originalität, Kreativität. Das alles wird nicht nur in diesem Kunstwerk, sondern weitgehend auf der gesamten Documenta 15 negiert.
zum Beitrag24.06.2022 , 12:03 Uhr
Der gestrigen ZEIT kann man entnehmen, dass Taring Padi sich der antisemitischen Elemente nicht bewußt gewesen sei. Auch habe man die eine Figur nicht als orthodoxen Juden erkannt. Ich nehme das dem Kollektiv zu 100% ab, genauso wie die Aufrichtigkeit der Entschuldigung durch Ruangrupa. Bloß bekommt die ganze Konzeption der Documenta hierdurch eine ironische Wende: da macht die Documenta-Leitung einen Kotau vor dem "globalen Süden", übergibt ihm die Leitung, damit er zeigen kann, wie die korrekte postkoloniale Moral aussieht, und dann stellt sich heraus, dass wir ein weit niedrigschwelligeres Alarmsystem für z.B. Antisemitismus (also letzten Endes die Verletzung der Menschenwürde betreffend) in Deutschland haben. Man sollte sich vielleicht ebenfalls dazu durchringen anzuerkennen, dass es auch außerhalb der weißen Welt lupenreinen Rassismus gibt, stark in Asien inklusive Indonesien (eigene Erfahrungen), aber auch z.B. in Nordafrika den Schwarzafrikanern gegenüber usw. Ich will hier nicht alles reinwaschen, aber wir haben doch in Deutschland mittlerweile eine recht offene Gesellschaft. Man sollte nur den Furor der Selbstkasteiung etwas rausnehmen und dann aber auch den netten Leuten von Ruangrupa und Taring Padi die Hand reichen. Die letzteren haben den sympathischen Satz von sich gegeben: "Wenn man uns nicht mehr willkommen heißt, dann gehen wir. Leise (!!!!)." Ist doch richtig kuschelig.
zum Beitrag23.06.2022 , 12:00 Uhr
Man muss sich vergegenwärtigen, dass unter den 273 Millionen Indonesiern wohl nur 200 Juden leben und dass der Diktator Suharto, gegen den dieses Kunstwerk ja gerichtet sein soll, Israel nie anerkannt hat und viel engere Beziehungen zu den arabischen Ländern pflegte (wenn die Angaben in dem Buch "Indonesia's Foreign Policy under SUHARTO" stimmen). Es gibt daher wohl keinerlei Anknüpfungspunkte in Indonesien selbst, um z.B. auf eine vermeintliche Rolle der Juden während der Diktatur Suhartos anzuspielen. Die Behauptung, die Figuren bezögen sich auf den politischen Kontext Indonesiens, läßt sich aus meiner Sicht nicht aufrecht erhalten. Man muss vielmehr annehmen, dass die jüdischen Figuren im Banner der über 100 Jahre alten Verschwörungstheorie, dass die Juden die Drahtzieher der internationalen Finanzwelt und des Bösen im allgemeinen sind, angehören.
zum Beitrag23.06.2022 , 11:48 Uhr
Interessant auch die Aussage in einem aktuellen Interview von Sabine Schormann mit der Zeitung HNA: "Ruangrupa und die Künstler haben versichert, dass es keinen Antisemitismus geben wird. Das Problem ist, dass es aus ihrer Sicht keiner ist." Man könnte daraus schließen, dass der Antisemitismus in Indonesien so alltäglich und allgegenwärtig ist, dass er dort gar nicht mehr als solcher auffällt. Das würde auch durch die Angaben der "Anti-Defamation League" gestützt, nach deren Umfragen 47% der indonesischen Bevölkerung antisemitische Klischees oder Einstellungen hegen (laut Süddeutscher Zeitung).
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