DVDESK : Sterbfritz heißt das Kaff
„Achtzehn“ (D 2014, Regie: Cornelia Grünberg), ab ca. 17 Euro im Handel
Fabienne und Laura und Lisa und Steffi haben eines gemeinsam: Sie waren gerade vierzehn, da wurden sie schwanger, ungewollt, aber sie entschieden sich dafür, das Kind zu behalten. Über die Zeit der Schwangerschaft bis zur Geburt hat Cornelia Grünberg vor ein paar Jahren einen Dokumentarfilm gedreht, der Titel ist einfach, sehr viel einfacher als das, was sich dahinter verbirgt: „Vierzehn“. Aber nicht nur die vier Mädchen haben mit ihren Kindern ein Langzeitprojekt, auch Cornelia Grünberg hat eins. Sie will die vier und ihre Kinder filmisch begleiten, in vier Teilen, das ist schon, anders als das Leben, genau geplant: „Achtzehn“ liegt vor, „28“ soll folgen, daneben noch ein Film, der nicht die Mütter, sondern die heranwachsenden Kinder in den Mittelpunkt stellt.
Das Interesse Grünbergs ist nicht primär soziologisch. Das ist anders als in der berühmtesten – und noch laufenden – filmischen Langzeitdokumentation, der britischen Serie „Up“, für die Michael Apted seit 1964 alle sieben Jahre bei seinen Protagonisten vorbeischaut: Die dreizehn Kinder wurden damals nach sozialer Diversität ausgewählt, ihre Lebenswege verliefen und verlaufen entsprechend ziemlich verschieden. (Einer stieg früh aus, eine starb vor zwei Jahren.) Und ebenso wenig vergleichbar ist das Ganze mit den „Kindern von Golzow“, dem 1961 in der DDR begonnenen, 2007 in einem anderen Deutschland beendeten und gerade in den Voice-over-Kommentaren des Regisseurs Winfried Junge – wenngleich mit abnehmender Tendenz – volkspädagogischen Projekt.
Voice-over-Kommentare gibt es bei Grünberg nicht. Sie beobachtet aus großer Nähe, aber mit ebenso großer Unaufdringlichkeit. Die Nähe, das spürbare Vertrauen der Mädchen (jetzt jungen Frauen) zur Regisseurin ist einerseits schön. Es ist sogar mehr als nur Nähe, es ist eine tiefe und unverbrüchliche Solidarität; spätestens die Website zu den Filmen macht deutlich, dass das alles auf höchst sympathische Weise auch als Empowerment-Projekt für Frauen in vergleichbarer Lage angelegt ist. Weil sie auf diese Solidarität bauen, entziehen sich die Protagonistinnen dem Blick der Kamera auch in Momenten tiefer Verzweiflung nicht, und an solchen Momenten herrscht kein Mangel.
Steffi leidet an der ereignislosen hessischen Provinz, Sterbfritz heißt das Kaff, in dem sie lebt: „Sterbfritz ist Sterbfritz. Tot. Was gibt’s denn hier schon, einen Penny und einen Rewe.“ Der Sorgerechtsstreit mit dem Vater des Kindes (und mit der Mutter des Vaters) treibt wiederum Laura an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Hier durfte die Regisseurin sogar mit ins Gericht. Der Kamerablick fällt auf die geschlossenen Türen, auf der Tonspur ist die Diskussion jedoch als eine Art Hörspielcollage montiert. Lisa lebt inzwischen auf Hawaii, mit mittlerweile drei Kindern, wird von ihrer Mutter immerhin sehr unterstützt. Fabienne hat einen neuen, fürsorglichen Partner gefunden, es wird aber schwierig, als sich der Vater des Kindes nach langer Funkstille plötzlich meldet.
Andererseits hat die Nähe, für den Zuschauer jedenfalls, ihren Preis. Fokus und Ausschnitt der Beobachtung bleiben recht eng. Um soziale Hintergründe geht es wenig. In der Machart sind die Filme, von WDR und SWR koproduziert, mitunter zu fernsehhaft smooth. Etwas zu elegant gleitet der Blick von der einen zur andern, zu ähnlich sind auch die Probleme. Die wiederkehrende Musikunterlegung rückt das ganze ästhetisch durchaus in die Nähe einer Fernseh-Reality-Show. Klar: Die Kardashians sind das nicht. Trotzdem ist das ein Projekt, bei dem man größeren ästhetischen oder sonstigen Eigensinn manchmal schmerzlich vermisst. EKKEHARD KNÖRER