: Große Zahlen – auf dem Papier
FINANZEN Vor dem G-7-Gipfel drängen Entwicklungsorganisationen auf verbindliche Zusagen zur Armutsbekämpfung. Heiligendamm-Versprechen wurden nicht gehalten
■ Der Plan: Nachdem die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen das einzige geplante Camp zum G-7-Gipfel verboten hat (taz von gestern) will das Bündnis „Stop G7 Elmau“ vor Gericht ziehen. „Auch wenn sich die Gerichte von dem Hochwasser-Argument wahrscheinlich beeindrucken lassen, werden wir klagen“, sagte Wuck Linhardt vom Bündnis.
■ Der Verdacht: Die Gipfel-Gegner halten das Hochwasserargument für einen Vorwand, um die Zahl der G-7-Gegner während des Spitzentreffens am 7. und 8. Juni auf Schloss Elmau zu minimieren. Die Camp-Vorbereitungen laufen weiter. (epd/taz)
VON MALTE KREUTZFELDT
BERLIN taz | Es war eine gewaltige Zahl, die die Regierungschefs der G8 im Ostseebad Heiligendamm in ihre Abschlusserklärung schrieben: 60 Milliarden Dollar wollten die Staaten aufbringen, um den allgemeinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung und den Kampf gegen Aids zu unterstützen, hieß es im Jahr 2007 nach dem letzten Gipfeltreffen in Deutschland.
Überprüfen ließ sich diese Ankündigung allerdings nicht – denn wer konkret wie viel bezahlen soll, blieb ebenso offen wie die Frage, auf welchen Zeitraum und welche Programme sich die Zusage beziehen sollte, kritisiert etwa die Organisation ONE, die regelmäßig die entwicklungspolitischen Zahlungen der Industriestaaten analysiert.
Beim G-8-Gipfel im italienischen L’Aquila waren die Ergebnisse zwar schon deutlicher: Die damalige Zusage, innerhalb von drei Jahren insgesamt 22 Milliarden Dollar zur Armutsbekämpfung auszugeben, wurde weitgehend eingehalten – doch die Fortschritte waren nicht von Dauer. Die jährlichen Gesamtausgaben der G-7-Staaten für Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung stiegen nach Angaben der Welthungerhilfe zwar von 6,3 Milliarden Dollar im Jahr 2007 auf 11,3 Milliarden in 2010. Doch 2013 waren sie schon wieder auf 8,6 Milliarden Dollar gesunken. „Die G-7-Regierungen müssen eine deutliche Trendwende einleiten“, fordert darum die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann.
Ob es dafür beim bevorstehenden Gipfel am 7. und 8. Juni im bayerischen Schloss Elmau klare Zusagen geben wird, ist derzeit offen. Die Entwicklungsorganisationen schwanken zwischen Skepsis und verhaltenem Optimismus. Zwar steht das Thema Ernährungssicherheit auf dem Programm, doch ob sich konkrete Aussagen in der Erklärung finden werden, ist noch unklar. „Wenn die G7 sich dazu verpflichtet, einen spürbaren und messbaren Fortschritt bei der Beendigung des Hungers bis 2030 zu machen, wäre das sehr zu begrüßen“, sagt Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam. Als positives Zeichen wird gewertet, dass die EU-Entwicklungsminister am Dienstagabend die Zusage erneuerten, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Das Ziel sollte eigentlich schon 2015 erreicht sein, doch derzeit liegt die Quote nur bei 0,4 Prozent. Einen konkreten Zeitpunkt nannten die Minister nicht, der Text verweist allerdings auf eine UN-Agenda, die einen Zeitrahmen bis 2030 hat.
BÄRBEL DIECKMANN, WELTHUNGERHILFE
Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, wie die Entwicklungshilfe verteilt wird. Mindestens 50 Prozent davon sollten in die am wenigsten entwickelten Länder fließen, fordert ONE-Direktor Tobias Kahler: „Wir müssen die Armut dort bekämpfen, wo sie am größten ist.“ Derzeit fließen weniger als 25 Prozent der Hilfsgelder in die ärmsten Länder. Für ihre Forderung demonstrierte die Organisation auch zum Auftakt des G-7-Finanzministertreffens, das am Mittwoch in Dresden begann. Die Finanzminister wollen unter anderem über Maßnahmen gegen Steuerflucht und die Regulierung von Finanzmärkten beraten. Beide Themen sind auch für die Entwicklungsländer relevant: Durch Steuerflucht entgehen ihnen jedes Jahr Einnahmen von rund 20 Milliarden Euro, sagte Kahler.
Das entwicklungspolitische Bündnis erlassjahr.de appellierte zudem an die G7, die Entwicklung eines fairen Entschuldungsverfahrens für arme Staaten nicht länger zu blockieren. Durch die Politik des billigen Geldes verschuldeten sich immer mehr Länder am internationalen Kapitalmarkt, erklärte das Bündnis am Mittwoch in Düsseldorf.