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Archiv-Artikel

Kita-Eltern am Limit

STREIK Im Netz und auf den Straßen formieren sich Elternproteste gegen den Kita-Streik. Verdi will weiter Druck auf die Arbeitgeber ausüben. Doch die stellen sich taub

„Die Eltern sind wütend, weil sie nicht mehr können“

VANESSA MOHNKE, ELTERNVERTRETERIN

VON ANNA LEHMANN UND TOBIAS MAIER

BERLIN taz | Patricia Pyrkas Geduld ist erschöpft. Ihr Sohn, ein Zweitklässler, sollte in den Pfingstferien eigentlich das städtische Tagesheim besuchen. Doch die Einrichtung ist geschlossen – die ErzieherInnen streiken. Die Mutter aus München teilt sich die Ferien-Betreuung des Sohnes nun mit dem Kindsvater, von dem sie getrennt lebt. Für sie als Selbständige heißt das: weniger Arbeit, weniger Einkommen.

Als ihr das Tagesheim in der vergangenen Woche Musterbriefe des Münchener Verdi-Sekretärs weiterleitete, mit der Bitte, die Kommune anzuschreiben und unter Druck zu setzten, sandte Pyrka die Retoure stattdessen an Verdi: „Ihren Streik halte ich für ineffektiv, gesellschaftlich schwächend und nicht mehr zeitgemäß“, heißt es in dem Brief, den sie auch als Petition ins Netz stellte. Sie sei für die Forderungen der Erzieher – aber diese müssten am Verhandlungstisch und nicht auf der Straße ausdiskutiert werden. Bis gestern Nachmittag unterschrieben 760 Unterstützer die Petition „Kita-Streik beenden – respektvoll weiterverhandeln!“.

Seit zweieinhalb Wochen streiken ErzieherInnen und Sozialpädagogen für bessere Gehälter. Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände, VKA, beeindruckt das bisher nicht. Bei den Eltern kommen die Arbeitsniederlegungen aber zunehmend schlechter an. Per Facebook riefen Eltern am Mittwochnachmittag zur Demonstration auf dem Münchner Marienplatz auf. Von der Internetseite „mir-reichts“ konnte man sich passende Plakate herunterladen, etwa: „Kita-Streik 2015 nimmt Kinder & Eltern in Geiselhaft. AAARG!“

Auch in Hamburg waren Mütter und Väter am Tag zuvor vor das Gewerkschaftshaus gezogen. „Die Eltern sind am Anschlag und wütend, weil sie nicht mehr können“, sagt Vanessa Mohnke vom Landeselternbeirat. Zwar hätten viele Eltern Verständnis für die Forderungen der ErzieherInnen, jedoch: „Nicht alle haben die Ressourcen und können sich leisten, solidarisch zu sein.“

Es wäre schon hilfreich, wenn nicht immer dieselben Einrichtungen streikten, meint Karsten Bucksch vom Elternbeirat in Sachsen-Anhalt. Die Kitas in Dessau seien seit über zwei Wochen geschlossen. Zusätzlich erzürnt die Eltern, dass die sachsen-anhaltischen Kommunen weiterhin Kita-Beiträge kassieren.

Der Arbeitskampf treffe Alleinerziehende sowie Doppelverdiener-Paare besonders hart, meint Marcel Preukschat vom Landeselternbeirat der Kitas in Nordrhein-Westfalen. Der Elternbeirat forderte daher am Mittwoch, „dass dieser vollkommen unsinnige Streik ein Ende findet“.

Danach sieht es derzeit nicht aus. Am Donnerstag trifft sich die VKA zu ihrer regulären Mitgliederversammlung in Frankfurt am Main. Allerdings an einem außergewöhnlichen Ort. Aus dem Rathaus wurde das Treffen kurzfristig in den Flughafen verlegt. Die Gewerkschaft, die vor dem Römer eine Großdemonstration angemeldet hat, dürfte buchstäblich gegen Wände reden.

Man habe zwar Verständnis dafür, dass der Streik für viele Eltern ein Problem sei, meint Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. „Allerdings streiken die KollegInnen ja nicht leichtfertig.“ Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, den typischen Frauenberuf „Erzieherin“ endlich aufzuwerten. Schmitz verweist darauf, dass viele Kommunen Notbetreuungen eingerichtet hätten. Es könnte sich lohnen, das Kind nach einer kurzen Eingewöhnung für die nächste Zeit in einer solchen unterzubringen. „Wir streiken so lange, bis ein annehmbares Angebot vorliegt.“