piwik no script img

Archiv-Artikel

„Sie spritzen Mäusen Botox“

TIERVERSUCHE In der Grundlagenforschung gibt es mehr Experimente, bemängelt ein Ärzte-Verein

Katharina Feuerlein

■ 66, ist Ärztin im Ruhestand, engagiert sich als Mitglied beim Verein Ärzte gegen Tierversuche in Hamburg.

taz: Frau Feuerlein, Sie sagen, medizinischer Fortschritt sei wichtig – Tierversuche seien aber der falsche Weg. Was wäre der richtige?

Katharina Feuerlein: Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten. Zum Beispiel gezüchtete Organzellen, die schon den menschlichen Organismus simulieren können. Das ist wesentlich aussagekräftiger, als an Tieren zu forschen.

Die Alternativen sollen laut Kritikern eine deutlich geringere Erfolgsquote haben.

Das stimmt nicht. Wenn man an gezüchteten Zellen forscht, dann ist das sehr viel aussagekräftiger als an Mäusezellen. Tiere haben einen ganz anderen Stoffwechsel als der Mensch. Wir verlassen uns auf eine Methode, die nicht auf den Menschen übertragbar ist. Wir sind eben keine 70 Kilogramm schweren Mäuse.

Weshalb werden Tierversuche dann überhaupt noch gemacht?

Die Tierversuchsindustrie hat eine enorme Lobby. Sie erwirtschaftet einen Umsatz in Milliardenhöhe. Die wollen sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Jährlich sollen 3,1 Millionen Tiere in Deutschland bei solchen Tests sterben. Was ist die besondere Situation in Hamburg?

In Neugraben gibt es ein großes Auftragslabor. Dort spritzen sie Mäusen Botox in die Bauchhöhle. Sie sterben dann an Lähmungen oder ersticken. Vorher haben sie schreckliche Schmerzen und Krämpfe.

In den 90er-Jahren gab es eine große Welle an Demos gegen Tierversuche. Liegt das Thema den Leuten heute weniger am Herzen?

Habe ich nicht das Gefühl. Es muss auch noch viel getan werden. Zwar geht man im Bereich der Arzneimittelforschung neue Wege, aber in der Grundlagenforschung steigt die Zahl der Versuche wieder an. Man muss endlich aus dem alten verkrusteten Denken, dass nur Tierversuche der richtige Weg sind, rauskommen.

Gibt es Ausnahmen, bei denen Sie Tierversuche für sinnvoll halten?

Nein.  INTERVIEW: STEFANIE DIEMAND

Filmvorführung „Was soll man denn sonst testen?“ mit anschließender Diskussion: 18 Uhr, Centro Sociale, Sternstraße 2