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Bremen und Niedersachsen heben Residenzpflicht aufDer Schritt über die Landesgrenze

Bremen und Niedersachsen wollen eine Vereinbarung treffen, die Flüchtlingen länderübergreifende Reisen ermöglicht. Hamburg möchte sich nicht anschließen.

Als Flüchtling in Bremen oder Niedersachsen wäre dieser Mann einen Schritt weiter. Bild: dpa

HAMBURG taz | Flüchtlinge aus Bremen und Niedersachsen werden wohl bald ins jeweils andere Bundesland reisen dürfen. Dies geht aus einer Vorlage für eine geplante Kabinettssitzung beider Länder am 21. Februar hervor. Damit würde die sogenannte Residenzpflicht, die Flüchtlinge bisher in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkt, entscheidend gelockert. "Die Erweiterung", heißt es in dem Beschlussvorschlag, ermögliche "Asylbewerbern vor allem in sozialer und familiärer, aber auch wirtschaftlicher Hinsicht eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben". Menschen, die schwerwiegende Straftaten begangen haben, sollen von dieser Regelung ausgenommen werden.

Bremen und Niedersachsen sind die zwei ersten Bundesländer im Norden, die eine solche Vereinbarung miteinander treffen. Brandenburg und Berlin, ebenfalls Flächenland und Stadtstaat, trafen diese Regelung bereits im Juli 2010 - allerdings unter anderen gesetzlichen Voraussetzungen.

Das niedersächsische Innenministerium bestätigte am Donnerstag lediglich, dass Gespräche geführt würden. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) spricht da offener: "Die genannte Vorlage wurde von beiden Ländern vorbereitet", sagte er der taz. "Es ist davon auszugehen, dass sie auf der gemeinsamen Sitzung auch verabschiedet wird."

Residenzpflicht

Sie verbot ursprünglich Asylbewerbern und Geduldeten, ihren Landkreis zu verlassen.

Viele Bundesländer (und alle im Norden) haben die Residenzpflicht mittlerweile auf ihr Land ausgedehnt.

Der erstmalige Verstoß wird als Ordnungswidrigkeit geahndet, jeder weitere als Straftat.

Ein gemeinsamer Änderungsantrag der Länder Bremen, Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel, die Residenzpflicht abzuschaffen und nur in Ausnahmefällen einzuschränken, scheiterte Ende 2010 im Bundesrat.

Auch die Vereinten Nationen fordern die komplette Abschaffung der Residenzpflicht. Sie sei eines der schweren Mängel deutscher Asylpolitik.

Möglich ist dieser Vorstoß vor allem, weil im Juli 2011 das Asylverfahrensgesetz geändert wurde: Es berechtigt die Bundesländer, untereinander Vereinbarungen zu schließen, um Flüchtlingen die Reisefreiheit zu erleichtern. Bereits im September vorigen Jahres hatte in Bremen die Linkspartei einen Antrag gestellt, mit Niedersachsen zu kooperieren. "Wir erleben aber häufig, dass unsere Anträge von der Koalition abgelehnt werden", sagt die Fraktionsvorsitzende Kristina Vogt, "sich dann aber in großen Teilen in späteren Vereinbarungen wiederfinden."

Brandenburg und Berlin waren bezüglich der Residenzpflicht Vorreiter: Sie schlossen ihre Vereinbarung schon im Juli 2010 ab. Da zu diesem Zeitpunkt das Gesetz noch nicht geändert war, braucht jeder Flüchtling vor Reiseantritt aber eine Erlaubnis der Ausländerbehörde. Die gilt dann zwar dauerhaft, trotzdem nennt der Flüchtlingsrat Brandenburg das Papier ein massives Sanktionsinstrument.

Auch wer einmal eine falsche Angabe bei der Behörde gemacht habe, könne von dieser bestraft werden. "Straftaten, egal welcher Art, sanktioniert aber das Strafrecht", sagt Beate Selders, Sprecherin des Brandenburgischen Flüchtlingsrates. Sie warnt deshalb davor, Straftäter grundsätzlich von einer solchen Regel auszunehmen.

Ihr niedersächsischer Kollege Kai Weber will erst den konkreten Beschluss abwarten, bevor er mögliche Ausnahmeregelungen beurteilt. "Ich muss schon sagen: Hier können wir mal das niedersächsische Innenministerium uneingeschränkt loben", so Weber. Er geht davon aus, dass die Neuerung vor allem niedersächsische Flüchtlinge nach Bremen ziehen wird - vom Land in die Stadt. Der Wohnsitz ändert sich durch diese Regelung übrigens nicht.

Bremen soll auch in Hamburg angefragt haben, ob man dort der Vereinbarung beitreten wolle. Das bestätigt Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. Man sei da aber "eher zurückhaltend", sagt er. "Eine generelle Freigabe der Residenzpflicht befürworten wir nicht." Allerdings würden in Hamburg "in begründeten Einzelfällen" seit langem und regelmäßig Ausnahmen gemacht. Bislang vor allem für Schüler und Auszubildende, die im Umland wohnen und in Hamburg einen Ausbildungsplatz haben. "Da sind wir großzügig."

Das Thema stehe nicht auf der Tagesordnung, wenn Hamburg und Schleswig-Holstein am 28. Februar in Kiel eine gemeinsame Kabinettsitzung abhalten. Nach Informationen der taz gibt es im Hamburger Senat die Befürchtung, dass die hohe Attraktivität Hamburgs zu einem Flüchtlingsstrom aus der Provinz in die Metropole führen könnte.

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2 Kommentare

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  • B
    Boiteltoifel

    Bevor nun der ganz große Jubel startet, fragt doch bitte mal beim Niedersächsischen Innenministerium, ob die Regelung auch für Geduldete gilt (was ja die Mehrzahl der Betroffenen ausmacht, also Personen, deren Asylverfahren negativ beendet ist und die zur Ausreise verpflichtet sind). So wie ich das verstanden habe, dürfen nur Asylbewerber von der neuen Regelung profitieren. Damit guckt dann die Mehrheit der von der Gebietsbeschränkung betroffenen Personen weiter in die Röhre und Ausländerbehörden, Polizei und Gerichte beschäftigen sich (durch den Gesetzgeber weiterhin dazu gezwungen) weiter mit den Verstößen, als hätten sie nichts besseres zu tun.

  • B
    Boiteltoifel

    Bevor nun der ganz große Jubel startet, fragt doch bitte mal beim Niedersächsischen Innenministerium, ob die Regelung auch für Geduldete gilt (was ja die Mehrzahl der Betroffenen ausmacht, also Personen, deren Asylverfahren negativ beendet ist und die zur Ausreise verpflichtet sind). So wie ich das verstanden habe, dürfen nur Asylbewerber von der neuen Regelung profitieren. Damit guckt dann die Mehrheit der von der Gebietsbeschränkung betroffenen Personen weiter in die Röhre und Ausländerbehörden, Polizei und Gerichte beschäftigen sich (durch den Gesetzgeber weiterhin dazu gezwungen) weiter mit den Verstößen, als hätten sie nichts besseres zu tun.