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Archiv-Artikel

Der Mann, der die Möhre liebt

KLIMAKULTUR Matthias Rischau wollte mit der Bio-Fast-Food-Kette „Gorilla“ seinen Beitrag zur Esskultur leisten. Weil er eine gerechtere Welt will. Im Sommer ging er in die Insolvenz. Nun ist er auf dem Weg nach Kopenhagen zum Klimagipfel, um dort drei wichtige Fragen zu stellen. Ein Porträt in drei Begegnungen

Matthias Rischau

■ Sein Weg: In Lübeck geboren und aufgewachsen. Jurastudium, erstes Staatsexamen, Film- und Theaterarbeit. Rischau ist 44 Jahre alt, er lebt in Berlin, ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

■ Seine Idee: 2006 gründet Rischau die Berliner Bio-Fast-Food-Kette Gorilla, Motto: „Natürlich Fastfood“; mit natürlichem Essen und nachhaltigem Handeln die Fast-Food-Welt aus den Angeln heben. Fünf Filialen, Mitte 2009 kam dann die Insolvenz.

■ Sein Projekt: Anfang Dezember Reise nach Kopenhagen, um dort ein Videoprojekt zu realisieren. Rischau hat drei Fragen: 1. Wofür stehst du? 2. Was tust du dafür? 3. Wen nimmst du mit?

VON PETER UNFRIED

Wer Matthias Rischau mal beim Apfelschnippeln zugesehen hat, sieht Äpfel danach mit anderen Augen. Wie andächtig er sie schneidet, wie begeistert er von ihnen schwärmt, wie genussvoll er sich die Schnitze in den Mund schiebt. Ehe man es richtig merkt, steht man später zu Hause in der Küche und schnippelt selbst dran rum. „Äpfel sind genial“, sagt Rischau. Und dass es der größte Fehler von Adam und Eva gewesen sei, sich für den Sündenfall einen Apfel zu pflücken. „Sie hätten ein Tier erschießen sollen.“ Hammersatz – oder?

Vielleicht sollte man erst mal vier grundlegende Dinge über Rischau wissen. Alle vier haben miteinander zu tun. Er ist Vater dreier Kinder. Er ist Genussvegetarier. Er ist in diesem Jahr brutal auf die Schnauze gefallen mit dem Versuch, eine Systemgastronomiekette für vegetarisches Bio-Fast-Food zu etablieren. Und er ist auf dem Weg zum Weltklimagipfel nach Kopenhagen, wo er eine Kunstaktion durchziehen wird. Dort soll es nicht darum gehen, „Politiker anzuschreien“, sondern Menschen zu inspirieren und für ihre persönliche Aktion zu gewinnen.

Der Schock der Insolvenz

Wie geht es ihm ein knappes halbes Jahr nach dem Absturz? Gut, sagt er. „Immer wenn ich Pläne habe, geht es mir gut.“

Das letzte Treffen war unmittelbar nach dem Ende seiner Fast-Food-Kette gewesen. Da ging es ihm nicht gut. Er saß an einem Sommertag in einem Café in Berlin-Kreuzberg und sagte, er stehe unter Schock. „Wer in Insolvenz geht, hat schwerwiegende Managementfehler gemacht.“ Verantwortlich sei der Geschäftsführer. Also er. Vor allem wollte er nicht wahrhaben, dass es nicht weiterging mit „Gorilla“, so hieß seine Bio-Fast-Food-Kette.

Das erste Gorilla hatten Rischau und sein Partner Jens Bäumer 2006 in Berlin in Ku’damm-Nähe aufgemacht. Gorilla, weil der Menschenaffe groß und stark ist, aber dafür keine anderen Tiere frisst, sondern hauptsächlich Blätter, die er sich frisch und roh vom Baum pflückt. Schnell war man bei fünf Filialen, alle in Berlin. Dazu eine große Zentralküche. Hohe Investionen in den Markenaufbau. Der Wachstumsplan hatte für Ende 2008 bereits dreizehn Filialen vorgesehen und bundesweite Expansion.

Dazu kam es nicht. Mitte dieses Jahres ging Gorilla in Insolvenz. Und das kriegte Rischau um die Ohren gehauen. Auf dem Weg zur ersten Bio-Fast-Food-Kette in Deutschland hatte er ganz schön laut gebrüllt. Entsprechend laut höhnten die zurück, denen das alles zu großspurig klang.

Bio wächst. Im Jahr 2008 machte die Branche weltweit 4,5 Milliarden Euro Umsatz, zur Jahrtausendwende waren es noch 2,1 Milliarden, weniger als die Hälfte. Eine Zeit lang eröffneten an jeder Ecke Biosupermärkte, auch Bio-Fast-Food war als Marktlücke und Wachstumsbranche ausgemacht. Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert neuer Allianzen, die bisher als ästhetisch oder inhaltlich unvereinbar galten: Warum also nicht Bio und Fast-Food?

Die erste Begegnung mit Matthias Rischau findet im Herbst 2008 statt. Es ist die erste internationale Konferenz von utopia.de, einer Internetplattform für strategischen und nachhaltigen Konsum. Öko-Hollywoodstar Daryl Hannah ist da, die komplett „off the grid“ ist, also ihren Strom selbst produziert. Internationale Ökobusiness-Pioniere skizzieren die neue, emissionsfreie Welt, Protagonisten der deutschen Ökoszene sagen, was sie immer sagen, aber zu anderen Leuten. Und Gorilla – preisgekrönt für innovative Gastronomie – catert. Alles strahlt, doch keiner strahlt so sehr wie Rischau hinter seinem vegetarischen Bio- und Regiobuffet.

Heute sagt er, dass es da schon abwärtsging. Die Fehler waren aus seiner Sicht erkannt, zum Beispiel, dass die Produkte „nicht sexy genug“ rüberkamen.

Die zweite Begegnung mit Rischau findet im Februar dieses Jahres statt. Er kommt mit dem Fahrrad in die Friedrichstraße zu der Gorilla-Filiale am nördlichen Ende von Berlins konsumistischer Herzschlagader; dorthin, wo sie in die Oranienburger Straße mündet. Als er sein Restaurant betritt, klatscht er lächelnd alle Mitarbeiter ab wie ein Basketballprofi, der aufs Feld läuft.

So eine Geste kann furchtbar danebengehen. In seinem Fall tut sie es nicht. Dann erzählt er, wie alles anfing. Als seine Töchter immer mehr Süßes in sich hineinstopften, suchte er einen Weg, auch mal etwas Gesundes in die Mädchen hineinzubekommen. Er schnippelte Obst und Gemüse klein und sexy, und als seine beiden Töchter – ein Sohn kam später noch dazu – Geschmack an der Rohkost fanden, entwickelte er daraus ein gastronomisches Konzept.

Schon da spricht er von den Problemen, die Gorilla hat. Erzählt, wie er den Transfer vom „enthusiastischen Start-up zum professionellen Großunternehmen“ noch hinkriegen will. „Unser Big Mac“, sagt er, „ist der Salat.“

Das Angebot bei Gorilla ist komplett vegetarisch: Salate, Suppen, Brote, wechselndes Tagesgericht aus dem Wok. Zielgruppe: okay und gut verdienende Angestellte oder Selbstständige, vor allem Frauen. Businessfrauen, die trotz aller Krisen weiter solvent sind und bereit, mittags „gesund“ essen zu gehen. Kurz gesagt Lohas, also Anhänger der Lifestyles of Health and Sustainability, Lebensstile der Gesundheit und Nachhaltigkeit. Auch das sind in der Mehrzahl Frauen. Die essen Salat. Weil ihnen ihr Körper und eine gesunde Ernährung wichtiger sind als Männern. Aber es tue sich was, sagt er an diesem Tag. Inzwischen kämen auch Anwälte, die mittags Salat äßen.

In Kopenhagen will er nicht „Politiker anschreien“, sondern Menschen inspirieren

Richtig, nicht halbgar

Bei der dritten Begegnung im Sommer versucht Rischau zu erklären, was schiefgelaufen ist.

„Wir waren zu optimistisch, was die Zahl der Gäste angeht“, sagt er. Und: „Wir haben systemische Fehler gemacht, die sich seit 2008 auswirkten.“ Gorilla wuchs schnell auf sechzig Arbeitsplätze, investierte in eine eigene Entwicklungsküche, stieg mit seinen Produkten bei der Biosupermarktkette Bio Company ein, baute einen Catering-Service auf. „Der Druck ist da, du spürst ihn, das kostet alles richtig Geld. Und dann kommt man in so einen Strudel, in dem man falsche Entscheidungen trifft.“ Er wollte es richtig machen. Nicht halbgar. Wollte die am wenigsten umweltschädliche Verpackung, nicht Plastik. „Das kostet dann eben 32 und nicht 7 Cent.“ Dafür wurde er als Idiot beschimpft. „Journalisten, Mitbewerber, Partner sagten: Wie kannst du nur? Da muss man halt Plastik nehmen.“ Das Ende kam, als seine Investoren nicht mehr mitmachten.

Er hat Hochachtung vor den Leuten, die ihm ihr Geld anvertraut haben. Gisa und Hans-Joachim Sander sind Unternehmer, Galeristen und Kunstsammler, sie ist eine Erbin des Shampoo-Imperiums Wella. Etwa 4 Millionen Euro investierten sie in Gorilla. Aber der Businessplan war „zu erwartungsfroh“, die monatlichen Verluste wurden nicht schnell genug geringer, „ihr seid ja verrückt“, bekam Rischau am Ende zu hören. Das Vertrauen war weg.

Das monatelange Gestrampel mit einem Sanierungskonzept – vergebens, Rischau meldete zum 1. Juli Insolvenz an. „Nichts wurde verschleppt, keine Rechnung war älter als drei Wochen“, sagt er. Und dass er jeden Geschäftspartner selbst angerufen habe, um sich zu entschuldigen.

Nicht jeder nahm die Entschuldigung an. Rischau sei ein unprofessioneller Hasardeur und wolle sich für eine Pleite auch noch feiern lassen, die allein er zu verantworten habe, heißt es bei einem wichtigen Exgeschäftspartner. Zumindest seine Küchenleute sind untergekommen: bei einem neuen vegetarischen Fast-Food-Restaurant, das ein Stück weiter unten in der Friedrichstraße eröffnet hat.

Ob die bisher als Gegensätze verstandenen Essstile „Fast“ und „Bio“ tatsächlich in größeren Teilen der Gesellschaft zusammengebracht und in den Lebensstil integriert werden, ist unter Experten nicht ausgemacht. Auch ein groß angelegter, nichtvegetarischer Versuch in Hamburg namens „nat.fine bio food“ endete in diesem Jahr mit der Schließung.

Im ersten Halbjahr 2009 ist laut einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK der Absatz von Biolebensmitteln um 4 Prozent zurückgegangen – zum ersten Mal seit Langem. Am Gesamtlebensmittelmarkt sank der Anteil von 3,2 auf 3,0 Prozent. „Es gibt sicher einige Standorte für Bio-Fast-Food in Groß- oder Unistädten, die sich längerfristig betreiben lassen“, sagt Experte Kai Kreuzer vom Onlinemagazin Bio-Markt.Info. „Allerdings sehe ich nur geringe Chancen, dass sich Bio-Fast-Food-Unternehmen flächendeckend ausbreiten.“ Die meisten Fast-Food-Kunden seien „stark preisorientiert, der gesundheitliche sowie der Umweltaspekt sei eher nachrangig.“ Bio-Fast-Food hält er für „deutlich schwieriger“ durchsetzbar als Biolebensmittel.

Das Fleisch der Männer

Rischau sagt, er sei weiter „hundertprozentig überzeugt“, dass „bio, regional, saisonal“ ein Markt der Zukunft wird. Erstens, weil es schmeckt und gesund ist. Zweitens, weil es der einzig mögliche Weg ist, „um der Industrialisierung des Essens mit all den verheerenden Auswirkungen für die Erde zu entkommen“. Er glaubt fest an verantwortungsbewussten Konsum. Daran, dass man als Bürger mit dem Geldbeutel etwas erreichen kann und erreichen wollen muss.

Einen Pleitier mag er sich nicht nennen lassen. „Dass ein Unternehmen im Aufbau zahlungsunfähig ist, wenn der Investor verloren geht, das ist für mich etwas anderes, als Pleite machen“, sagt er. Der Insolvenzverwalter heißt Torsten Martini, ist von der Berliner Kanzlei Leonhardt, Westhelle & Partner und hat den Daumen gesenkt, weil jeder weitere Monat einen Verlust von 80.000 Euro bedeutet hätte. Die Struktur sei zu teuer gewesen, allein die Personalkosten beliefen sich auf monatlich 100.000 Euro. Martini fragt, ob Rischau die Sache mit dem Obstschnippeln für die Kinder erzählt habe. Das mache er immer. Er habe ein sehr einnehmendes Wesen, aber kein tragbares betriebswirtschaftliches Konzept. Für Branchenkenner sei das Scheitern absehbar gewesen. Hauptgrund: das „dogmatische Foodkonzept“.

Bio & Fastfood

Schweden: Schwedens Fast-Food-Kette Max schreibt neuerdings den Klimawert ihrer Burger und Sandwiches auf die Menütafeln. Mit Erfolg: Seitdem verkaufen sich die klimafreundlichen Produkte um 20 Prozent besser.

Deutschland: McDonald’s wechselt im Firmenschild von Rot auf Grün. So will der Konzern sein Image Richtung Öko aufhübschen, „als Bekenntnis und Respekt vor der Umwelt“. Ob das reicht, den Verkauf anzukurbeln?

Berlin-Kreuzberg: Im taz-Café in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße wird jeden Montag ausschließlich vegetarisch gekocht. Motto: „Sinneswandel gegen Klimawandel“.

Damit meint Martini den Verzicht auf Fleisch. Wenn man das nicht anbietet, „schneidet man sich ein Großteil potenzieller Kunden ab“, sagt er. All die klassischen männlichen Kunden, die sich damit die Power für einen harten Arbeitstag holen wollen oder die einfach eingeübte Nahrungsaufnahmegewohnheiten haben. Gorilla hatte nicht mal einen Veggie-Burger, der diese Kultur zumindest imitiert hätte. Die Konkurrenz sah sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass das Angebot „nicht breit genug“ war. Dass die Leute keine geschmierten Brote wollen, dass sie denken, sie würden von Salat nicht satt.

Der Vegetarieranteil in den Industrieländern ist schwer zu beziffern, es gibt Unklarheiten. In Deutschland sind es laut manchen Studien 8 bis 9 Prozent. Eine Studie des Verbraucherschutzministeriums kommt nur auf 1,6 Prozent Vegetarier und 0,1 Prozent Veganer.

Rischau isst seit zehn Jahren kein Fleisch. „Um eine gerechtere Welt zu bauen, müssen wir auf Massentierhaltung verzichten, vor allem auf ungerechte Verteilung von Tierfutter. Das Fleisch der Reichen ist das Brot der Armen. Das ist ein Horror.“ Wenn er so was sagt, überlegt er gleich mit, ob dieser ökosoziale Ansatz die Leute nicht letztlich abgeschreckt statt reingeholt hat.

Die inhaltliche Position hat er nicht allein. Der Weltökonom Nicholas Stern hat gerade erklärt, dass es eine vegetarische Lebensweise brauche, um die Welt noch vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu bewahren. Der Vordenker der Umweltbewegung, James Lovelock, hat die Menschheit unter anderem deshalb bereits aufgegeben, weil demokratische Politik und Gesellschaft vielleicht unter großem Geschrei Energiesparbirnen reingedreht kriegen, aber zu einem wirklich relevanten Klimaschutzbeitrag wie fleischfreier Ernährung nicht in der Lage sind.

Rischau ist Jurist. Vor Gorilla arbeitete er in der Kulturbranche. Hat eine klassische Adoleszenz der späten Achtziger und frühen Neunziger hinter sich. Humanistisches Gymnasium, danach ein bisschen „zielloser Hedonismus“ – die Pflege einer „verlogenen Doppelmoral“. Dann der Bruch. Es begann 1994 mit – na? – der Geburt seines ersten Kindes. Er bekam seine Tochter in die Hand gedrückt, und „die Liebe und Verantwortung haben mich umgehauen.“ Seither gilt: „Wie kriege ich meine Kinder in die Spur, wie kann ich ein bisschen was verändern?“ Eine Antwort: modernes Unternehmertum, also ökosoziales Soziopreneurtum, getrieben von persönlicher Verantwortung.

Inzwischen sieht er, dass der Weg, kulturelle Gewohnheiten aufzubrechen, länger ist, als er dachte. Um „der Produktwelt von McDonald’s, Burger King, Coca-Cola, Mars, Langnese und den ganzen Zuckerdealern“ emotionale Konkurrenz zu machen. „Mein Ziel ist immer noch, dass die Leute ein Glas Wasser in der Hand haben und eine Möhre und sich besser fühlen als mit Coke und Mars.“ Massenwirksam geht das nicht intellektuell, sondern nur über das Gefühl, den Style, die Sexyness der Produkte, da ist er jetzt sicher. Gorilla war für ihn auch ein Kulturprojekt.

Aus Ruhe wird Aktion

Ein klassischer Zeigefinger- und Moral-Öko ist er demnach nicht. Aber schon einer, der Freunde verloren hat, weil er ihnen sagte, was gar nicht geht. Würde sich ein Freund zum Zeichen der Rebellion gegen die neue Klimakultur einen VW Touareg zulegen, würde er sich „überlegen, die Freundschaft zu beenden.“ Klingt erstaunlich hart, weil ansonsten vieles an ihm auf einen postideologischen Ironiker deutet, der sich hütet, sich öffentlich zu wichtig zu nehmen.

Als Geschäftsführer war er ein Getriebener. Dann kam die Leere. Dann wurde die Leere zur Ruhe. Er war ohne Geld, ohne Firma, ohne Status. Er sagte sich: „Ich habe nichts. Daraus entsteht etwas.“ Es konnte nur mit Klima, mit Klimakultur zu tun haben. Er überlegte, und dann hatte er die Antwort: Ich gehe nach Kopenhagen und inspiriere die Leute.

„Das Fleisch der Reichen ist das Brot der Armen“, sagt Rischau. „Das ist ein Horror“

Er nimmt einen Kameramann und einen Fotografen mit, und dann wird er allen Leuten in Kopenhagen – Offiziellen, Demonstranten, Touristen – diese Frage stellen: „Wofür stehst du?“ Und wenn sie sagen: Für Umweltschutz, Klimaschutz, Erreichen des 2-Grad-Ziels, globale Gerechtigkeit, dann stellt er Frage 2: „Was tust du dafür?“ Und dann Frage 3: „Wen nimmst du mit?“

Er will versuchen, jeden dazu zu bringen, eine Handlung zu benennen, um den globalen Lebensraum zu schützen. Ökostrom anschaffen, Auto abschaffen, einen Schlachthof besichtigen, einen Freund überzeugen. Nur eine individuelle Handlung. Aber die verbindlich. Dagegen sein reicht nicht mehr.

Aus der Aktion wird dann zu Hause ein Kunstprojekt, das Menschen zu Lösungen inspirieren soll. Das Leute kaufen können. Seit der Insolvenz lebt Rischau vom Geld, das seine Frau verdient. Sie ist Ärztin.

Politiker, sagt er, haben einen Grund, warum sie nicht handeln. Das müsse man ernst nehmen. Sie handeln nicht, weil sie keine gesellschaftliche Basis dafür spüren. Er will dazu beitragen, diese Basis zu schaffen. „Durch eine Handlung kommt etwas in Gang.“ Individuell, dann kollektiv. Das nächste große Ding der Menschheit sei Teilen. Dafür müssten logischerweise die ran, die etwas haben.

Es ist ein Perspektivwechsel, der gerade an Zulauf gewinnt: es sich nicht in der eigenen Ohnmacht gemütlich machen, indem man Politikversagen anprangert, sondern gezielt gesellschaftliche Kampagnen initiieren. Konsumentenmacht soll nicht dazu dienen, unpolitisch sein zu können, sondern Grundlage werden, um politisch handeln zu können.

Rischaus Frau hat ihm gesagt, er sei größenwahnsinnig. Er sagte ihr, er sei Optimist, sie dagegen sei Pessimistin. Sie sagte, sie sei Realistin. Er hält übrigens nicht von der Phrase „Die Welt retten“. Die Welt muss ja nicht gerettet werden. Bloß die Menschheit. „Der Planet macht einmal ‚puup‘ “, sagt Matthias Rischau, „und dann geht es weiter – ohne uns.“ Er hat den Mund voll Salat.

Der Autor ist taz-Chefreporter