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Archiv-Artikel

Forscher empfehlen Widerstand

WOHNEN Die Zahl der Zwangsräumungen nimmt weiter zu. Das besagt die neue Studie „Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems“ von Soziologen der HU

„In Mietrückständen sehen viele EigentümerInnen eine Chance, den MieterInnenwechsel zu forcieren“

AUS DER STUDIE

VON PETER NOWAK

Zwangsräumungen sind in Berlin und anderen Städten spätestens zu einem politischen Thema geworden, seitdem sich MieterInnen dagegen wehren. Gerade hat sich auch die Wissenschaft dem Thema angenommen. Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Humboldt-Universität haben die StadtforscherInnen Laura Berner, Inga Jensen und Andrej Holm die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt und die Funktionsweise der bestehenden Hilfsmöglichkeiten für Menschen, denen eine Zwangsräumung droht, untersucht. Die ForscherInnen stützten sich in der 186-seitigen Studie insbesondere auf die durch die Fraktion der Piratenpartei im Abgeordnetenhaus gesammelten Daten aus den Jahren 2007 bis 2013. Daneben befragten sie zahlreiche BehördenmitarbeiterInnen und Betroffene.

Die von vielen MieterInnenorganisationen geäußerten Befürchtungen, dass die Zahl der Zwangsräumungen mit den Renditechancen der WohnungseigentümerInnen steigt, werden bestätigt, heißt es in der Studie. „Galten Mietrückstände noch vor ein paar Jahren vor allem als ärgerlicher Einnahmeverlust, sehen viele EigentümerInnen in Mietrückständen inzwischen eine Chance, durch eine Räumungsklage den MieterInnenwechsel zu forcieren“, schreiben die StadtforscherInnen. Und diese Entwicklung wird in ganz Berlin festgestellt. Mit neun Räumungen auf 1.000 Haushalte finden in Marzahn die meisten Zwangsräumungen statt. An zweiter Stelle steht Spandau.

Die Studie belegt auch, dass oft die Jobcenter Zwangsräumungen verursachen. „Mit ihrer konsequenten Orientierung an Kostensenkungsverfahren und der repressiven Hartz-IV-Gesetzgebung sind die Jobcenter an der Entstehung von Mietrückständen oft beteiligt“, so die ForscherInnen. Auch die Analyse der Hilfesysteme ist alles andere als ermutigend für die Betroffenen: „Unter den aktuellen wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen erscheint die Mietschuldenübernahme als klassisches Instrument der sozialen Wohnhilfe völlig ungeeignet, um eine Vermeidung von Wohnungslosigkeit durchzusetzen.“

Hoffnung setzten die ForscherInnen dagegen auf zunehmende MieterInnenproteste: „Angesichts der sich stetig verschärfenden Wohnungsmarktsituation und der zunehmenden Verarmung von immer mehr Menschen sind Widerstand und Protest notwendiger Motor und Voraussetzung für Veränderung“, heißt es am Schluss der Studie.