: Der große Kreislauf
PERMAKULTUR Um im Garten- oder Siedlungsbau ein zukunftsfähiges Miteinander von Mensch und Natur zu gestalten, hat sich eine langlebige Alternative zur industriellen Landwirtschaft bewährt
VON KATHARINA SCHIPKOWSKI
Der Begriff ist geläufig – aber wenn man genauer bestimmen soll, was sich hinter dem Konzept „Permakultur“ verbirgt, wird es schwierig: Dabei erklärt er sich beinahe von selbst: Permanent – also dauerhaft und auf Nachhaltigkeit bedacht soll sie sein, die Kultur mit der man es hier zu tun hat. Dabei kann Kultur alles mögliche sein: Von Gartenbau und Agrikultur, Stadt- und Landschaftsplanung, Häuser- und Siedlungsbau bis zu ökonomischen Systemen und allen Arten von Stoffwechselkreisläufen.
„Es geht um Kreisläufe, die Orte und Menschen zukünftig verbinden“, sagt Edouard van Diem, der Leiter des Permakultur-Campus Hamburg. Innerhalb von 18 Monaten kann man sich hier zur Permakultur-DesignerIn ausbilden lassen. Die Ausbildung wird häufig als Zusatzqualifikation für Garten- und LandschaftsbauerInnen genutzt, ist aber für Menschen aus allen Branchen offen: „Wir haben auch Geisteswissenschaftler, Ökonomen und Menschen aus dem Kreativbereich“, sagt van Diem. In Schnupperkursen und Einführungsveranstaltungen werden die Prinzipien von Permakultur vermittelt, darüber hinaus gibt es Wochenendkurse und Workshops zu spezifischen Themen. „Praxisseminar Waldgarten“ heißen die, oder „Imkern ganz einfach“.
Für van Diem ist Permakultur ein Gestaltungsprozess. Dahinter steht die Idee, ein zukunftsfähiges Miteinander für Mensch und Natur zu konzipieren. Das klingt nicht gerade nach einem kleinen Unterfangen – und lässt, ein bisschen utopisch, eine bessere Welt durch Permakultur erahnen. Doch wie genau darf man sich das vorstellen?
„Permakultur richtet sich anhand von drei Komponenten aus“, erklärt van Diem: Earthcare, Peoplecare und Fair Share. Earthcare bezeichnet die ökologische Komponente, also den achtsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Nichts soll verschwendet, sondern möglichst alles recycelt werden. Regenerativ und nachhaltig soll alles sein, sich selbst erhalten und der Ertrag in das System zurückfließen. Und so kommt das Wort Kreislauf auf Permakultur-Webseiten sehr häufig vor.
Peoplecare meint die soziale Komponente: vor allem Selbstbestimmung und ein gerecht verteilter Zugang zu Ressourcen, sowie die Balance zwischen individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen. Daraus ergibt sich der Theorie nach eine ethische Forderung nach sozialer Gerechtigkeit. Die dritte Komponente ist die ökonomische: Fair Share: Die Knappheit der natürlichen Ressourcen ruft zu Selbstbegrenzung auf. Die Regenerationsfähigkeit der Erde ist begrenzt, deshalb ist es wichtig, den eigenen Bedürfnissen und dem Wachstum Grenzen zu setzen und Überschüsse in adäquater Weise in natürliche Kreisläufe zurückzuführen. Mit diesem letzten Punkt schließt sich auch der große Kreislauf der drei Prinzipien: Von Fair Share zu Earth Care und People Care. Auch die Theorie – ein großer Kreislauf.
Ihr Ursprung liegt in Australien: In den 70er-Jahren entwickelten die Wissenschaftler Bill Mollison und David Holmgren die „permanent agriculture“ als Alternative zu industrieller Landwirtschaft. Mollison bekam dafür 1981 den Alternativen Nobelpreis verliehen. Dass das Übertragen des ursprünglich landwirtschaftlichen Konzepts auf andere gesellschaftliche Bereiche nicht immer einfach ist, räumt auch der Leiter des Permakultur-Campus auf seiner Website ein. Das Verstehen und Übertragen erfordere Zeit und einen intensiven Lernprozess.
Trotzdem sind die drei ethischen Komponenten als Grundlage eines allumfassenden Konzepts gedacht. „Die Idee von Permakultur beschränkt sich nicht auf Garten und Landschaftsgestaltung, sondern ist auf alle denkbaren Systeme übertragbar“, erklärt van Diem. Mit den Worten, man könne schließlich alles Mögliche systemisch betrachten, verweist er auf Luhmanns Systemtheorie: Niklas Luhmann ging davon aus, dass jedem gesellschaftlichen System eine Struktur zugrunde liegt, die sich auch in anderen gesellschaftlichen Systemen findet. Verschiedene Bereiche wie Bildung, Wirtschaft, Politik, Medien oder Familie lassen sich so einzeln, aber mit wiedererkennbaren Mustern erklären. „Permakultur fragt dann: Wo laufen die verschiedenen Kreisläufe ineinander und wie lassen sich verschiedene Elemente integrieren?“, so der Leiter des Campus.
Praktisch werden die angehenden Permakultur-DesignerInnen dann zum Beispiel im Permakultur-Garten im Hamburger Volkspark. Den Garten betreibt ein dem Campus angegliederter Verein. Es gibt einen Gemeinschaftsgartenbereich, individuelle Nachbarschaftsbeete sowie einen essbaren Waldrand mit zum Verzehr geeigneten Stauden, Kräutern und Baumschichten. Wer die 18-monatige Ausbildung zur Permakultur-DesignerIn absolviert, muss zusätzlich auch zehn eigene Projekte gestalten. Das könnte zum Beispiel eine Food-Coop sein, also eine Essens-Kooperative, wo man gemeinschaftlich und unter der Beachtung regionaler Gegebenheiten und fairer Bedingungen Essenseinkäufe organisiert. Auch ein eigener Waldgarten oder ein Urban Gardening-Projekt wären denkbar.
Oder ein Kultur-Energie-Bunker, wie das Kebap-Projekt in Altona. Dort wollen AnwohnerInnen und Engagierte eine eigene Erzeugungsanlage für Strom und Wärme installieren, sowie Räume für Kultur schaffen und betreiben. Außerdem gehört ein Stadtgarten zum Bunker-Projekt – und der funktioniert komplett nach Permakultur-Prinzipien. „Es kommt darauf an, mit möglichst wenigen Eingriffen das zu nutzen, was schon da ist“, sagt Heike Breitenfeld vom Kebap-Projekt. Als zum Beispiel die Regenrinnen des alten Luftschutzbunkers kaputt waren, haben sie diese so umfunktioniert, dass sie das Regenwasser nun auffangen und in ein Bewässerungssystem für Pflanzen umleiten. Brennnesseln machen sie zu Nutzpflanzen, indem die urbanen GärtnerInnen sie einkochen und als ökologischen Pflanzendünger verwenden. „Unkraut gibt es nicht“, ist ein Leitsatz der Permakultur. Auch Menschen produzierten ja eigentlich Dünger, sagt Breitenfeld. Gerade bauen sie für das Kebap-Projekt eine Komposttoilette.
„Jeder Prozess der Permakultur beginnt erstmal mit einer Analyse“, erklärt Breitenfeld. „Man guckt, was schon da ist, dann überlegt man, wie man das Vorhandene stärken kann, und zwar mit möglichst wenig Veränderungen. Anschließend überlegt man, was sich daraus produzieren lässt und wie man weitere Kreisläufe daraus ableiten kann.“
Wer nun seinen Basilikum auf der Fensterbank nach den Prinzipien der Permakultur kultivieren will, weiß, was zu tun ist: Gucken, was schon da ist: Basilikum, Fensterbank. Die Stärken analysieren und überlegen, wie man sie ausbauen kann: Basilikum in die Sonne rücken. Und schließlich überlegen, wie man den Ertrag wieder in den Kreislauf einspeisen kann: immer schön gießen, die Samen sammeln und hinterher wieder aussähen. „Und möglichst Bio-Erde verwenden“, rät Breitenfeld noch, aber das sollte klar sein.
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