: Wistleblower oder Petze?
VON STEFAN ALBERTI
Mindestens 700 Wohnungen werden also widerrechtlich als Ferienwohnungen angeboten. Und zwar in Gegenden, wo parteiübergreifend Konsens herrscht, dass das schmale Angebot Berlinern und nicht Touristen zugutekommen soll. Allein wären die Bezirksverwaltungen aus Personalmangel höchstwahrscheinlich nicht auf jeden dieser Missbrauchsfälle gestoßen. Ist also eine gute Sache, zum Telefonhörer gegriffen oder eine Mail ans Bezirksamt geschickt zu haben. Und keine Anschwärzerei, oder? Sondern eher Wistleblowerei. War schließlich ein Rechtsbruch.
Ein Rechtsbruch ist es aber auch, wenn einer in seinem Garten Cannabisanbau großen Ausmaßes betreibt. Den anzuzeigen liefe aber zumindest in Kreuzberger Kreisen durchaus unter Blockwarterei. Dabei gab es gerade in Kreuzberg bei den Grünen ganz offiziell eine Aufforderung zum Anschwärzen: Im Wahlprogramm von 2011 rief die Partei dazu auf, Pläne zum Einbau von Parkett oder modernen Bädern anzuzeigen, damit der Bezirk das noch verhindert.
Alles Definitionssache
All diese Beispiele zeigen: Wann die Wistleblowerei zum Anschwärzen wird, ist allein eine Frage der Definition und des Umfelds. In Sachen Ferienwohnungen werden all jene das Anzeigen loben, die sich um den Mietmarkt sorgen oder vielleicht auch nur im Kleinen genervt sind von nächtlichen Eskapaden immer neuer Ferienwohnungsgäste als Nachbarn. Die Besitzer diese Wohnungen allerdings werden das ganz anders sehen und es möglicherweise als Bespitzelung und Einschränkung ihrer Freiheit brandmarken. Was allerdings in diesem Fall nicht sehr überzeugend ist.
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