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Archiv-Artikel

Der fliegende Finne

Janne Ahonen gewinnt trotz schwieriger Bedingungen beim letzten Springen in Bischofshofen die Vierschanzentournee – als erster Athlet zum fünften Mal

AUS BISCHOFSHOFEN KATHRIN ZEILMANN

Der große Bruder hatte keine Lust auf die Feier. Er zog den Stecker der Stereoanlage aus der Steckdose und bat die jungen Gäste mit strenger Miene aus dem Wohnzimmer. Janne Ahonen war der erwachsene Spielverderber, der den Jungen ihre Feier nicht gönnte. Das Wohnzimmer heißt Paul-Ausserleiter-Schanze, sie steht in Bischofshofen. Als er beim vorletzten Springen der Vierschanzentournee die beiden jungen Österreicher Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer deutlich distanziert hatte, war die Sache klar: Die rot-weiß-rote Fangemeinde hatte nichts mehr zu Jubeln. Beim finalen Springen in Bischofshofen ist es dann noch trister aus österreichischer Sicht geworden.

Es regnete heftig im Pongau, was so eine Winteridylle eintrübt. Janne Ahonen aber schien seine Freude gehabt zu haben am Regen. Und seine Skier passten zum miesen Wetter: Seine Anlaufgeschwindigkeit in der Anlaufspur war höher als die der Konkurrenz. So konnte er wertvolle Meter zwischen sich und seinen Verfolger Thomas Morgenstern legen. Schlierenzauer, vor der Fahrt nach Bischofshofen noch Gesamtführender, verpasste sogar die Teilnahme am 2. Durchgang. „Mir blutet das Herz“, jammerte Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner, der aber anerkennen musste: „Janne Ahonen hat die richtige Materialwahl getroffen.“ Dass die Bedingungen schwer waren, zeigt die Liste der prominenten Ausfälle: Schlierenzauer, Simon Ammann (Schweiz), Tom Hilde (Norwegen). Die Vierschanzentournee dieses Winters sollte im Zeichen der Überlegenheit der Österreicher stehen: Wenn nicht der mit sechs Siegen in Serie in die Saison gestartete Morgenstern die Tournee gewinnen würde, wer dann? Ahonen zum Beispiel. Der Finne hat nun zum fünften Mal die Tournee gewonnen. Das ist zuvor noch niemanden gelungen. „Wir haben ihn zu sehr vergessen“, klagte Thomas Morgenstern.

Dabei haben sie gelobt, als er sich im Klassement herangepirscht hatte an die frohgemuten Österreicher. Seine Routine sei gewaltig, er sei nervenstark dank der Erfahrung aus vielen Jahren im Weltcup. Und jetzt hat er die Kühnheit besessen, seine Routine auszuspielen, seine Erfahrung zu nutzen und seine Nerven in Zaum zu halten angesichts der Begeisterung für Austrias Jungadler. Vieles ist planbar im Skispringen. Die Österreicher haben es vorgelebt, Schlierenzauer und Morgenstern sind Prototypen eines ausgefeilten Ausbildungssystems. Die Österreicher betreiben ihrem Sport mit akribischen Aufwand, sie wollen Einfluss gewinnen über alle Faktoren des komplexen Schanzensports. Aber Ahonen war besser.

Diesen Gegner können Österreichs Experten nicht beherrschen. Und auch das Wetter richtet sich manchmal gegen die Sporthelden. Wer rechnet im Januar mit Regen im Hochgebirge? „Ich habe mich sehr gut gefühlt“, sagte Ahonen. In Finnland brandete eine Diskussion um Trainer Tommi Nikunen auf. Ahonen hat den Coach verteidigt, dem vorgeworfen wird, keine Talente an die Weltspitze zu führen.

Janne Ahonen, der Alleinunterhalter, braucht kein Team im Rücken – auch wenn er im Kreis seiner Kollegen freundlich und umgänglich wirkt. Da lächelt er sogar.